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04.10.08 / 75 mal Maigret / Simenons Detektiv belebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

75 mal Maigret
Simenons Detektiv belebt

Für Jean Cocteau war er „ein Fürst“, für Henry Miller gar „ein Monarch“, Patricia Highsmith nannte ihn „das Phänomen unserer Zeit“, Jürg Altwegg hält ihn für den „Goethe der schweigenden Mehrheit“, Francois Bondy bezeichnet ihn als einen „Balzac ohne Längen“ und Ernest Hemingway  – kurz und prägnant wie immer – als „wunderbar“. Die Rede ist von dem am 13. Februar 1903 im belgischen Lüttich geborenen Georges  Simenon, der rund 200 Bücher geschrieben hat.

Simenon-Lesen macht süchtig,  vor allem von Kommissar Maigret können wir nicht genug kriegen. Er ist beileibe kein Supermann oder Held. Er trinkt gern ein Bier, raucht Pfeife, ist seiner Ehefrau treu (ganz im Gegensatz zu seinem sexbesessenen Schöpfer), ißt gern, trägt schlecht sitzende Anzüge, schießt nicht wild rum, kann aber sehr gut zuhören und hat ein Herz auch für die Ganoven.

Daß der Diogenes-Verlag ein wunderbarer Verlag ist, weil er fast nur im Wortsinne unterhaltsame Literatur an die Frau und den Mann bringt, wußten wir schon länger. Jetzt ist es Gewißheit, denn die Schweizer bringen nun sämtliche Maigret-Romane in 75 Bänden in revidierter Übersetzung heraus. Jeder Band kostet neun Euro, trägt ein hübsches weißes Kleid und ein rotes Lesebändchen und macht schon optisch etwas her.

Pro Monat erscheinen vier Maigret-Romane, und da diese praktischerweise immer um die 200 Seiten lang sind, kann man schon eine ganze Zeit mit ihnen glücklich werden.

Wenn man sich heute in der Krimi- oder Thrillerabteilung der Buchhandlungen herumtreibt, stößt man in der Regel auf Wälzer von mindestens 500 Seiten. Simenon aber, der in seiner Jugend Faulkner, Hemingway, Conrad, Stendhal und Balzac las, schätzte das nackte Erzählen und befolgte somit den Rat der Schriftstellerin Colette: „Mein kleiner Sim, merzen Sie alles Literarische aus Ihren Werken aus, und wir werden ihre Geschichten drucken.“

Dies hat er getan. Und auch wir wollen jetzt nicht mehr viele Worte verlieren über den Mann, dessen Schreibwut ebenso ausgeprägt war wie sein Hunger nach Frauen. 10000 soll er angeblich gehabt haben. Einem Mann, der täglich bis zu 80 Seiten schreibt, dessen Werke hundertmillionenfach gedruckt und in über 55 Sprachen übersetzt wurden, ist jedenfalls alles zuzutrauen. Sein Leben war von Krisen, Alkohol, Umzügen, Skandalen und Schicksalsschlägen geprägt. Maigret ist so ganz anders als sein Autor. Er ist gemütlich, vertraut, ein guter Freund mit einem Blick für die Nöte der kleinen Menschen. In einer Zeit, in der uns die Welt um die Ohren fliegt, kann man als Leser bei der Lektüre die Freuden der Entschleunigung genießen. Fangen Sie damit an. Genug Stoff ist da. Ansgar Lange

Georges Simenon. Sämtliche Maigret-Romane in 75 Bänden in chronologischer Reihenfolge und in revidierter Übersetzung. Diogenes Verlag AG Zürich.


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