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04.10.08 / Liebe und Leid in Königberg / Trotz Preußen-Ressentiments eine starke Familiensaga

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Liebe und Leid in Königberg
Trotz Preußen-Ressentiments eine starke Familiensaga

Ostpreußen lebt, vor allem auf dem Buchmarkt. Neben Bildbänden, Erlebnisberichten und Reise-Dokumentationen gibt es endlich auch wieder eine Familiensaga, die in diesem Teil des historischen Ostdeutschlands angesiedelt ist. Helga Kutz-Bauer, 1939 in Königsberg geboren, hat sogar gleich zwei Bücher geschrieben, die das Schicksal der Nachfahren der 1810 nach Königsberg gezogenen Französin Carine behandeln. „Königsberger Schnittmuster – Von Glück und Not 1807 bis 1923“ lautet der Titel des ersten Bandes, der fesselt und aufgrund einer guten Recherche auch authentisch ist.

Doch eins gleich vorweg: Helga Kutz-Bauer, promovierte Dr. phil., war bis 2003 Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg. Schon während ihres Studiums hatte sie sich auf Wirtschafts- und Sozialgeschichte spezialisiert, wodurch sie auf ein Fachwissen zurückgreifen kann, das den Roman so nah an die Lebensverhältnisse der Menschen von früher rückt. Von „guter alter Zeit“ ist also nicht viel zu finden, da fast alle Figuren in ihrem Roman immer wieder um ihre nackte Existenz kämpfen müssen. Die Autorin betrachtet die politischen Systeme, in denen ihre Romanhelden leben, sehr kritisch. Vor allen auf Preußen ist Helga Kutz-Bauer nicht gut zu sprechen, da sie die aus der heutigen Sicht rückständige Gesellschaft sehr negativ darstellt. Wer ein Freund Preußens ist, dem wird so manches sauer aufstoßen. Allerdings liebt die offenbar linksgerichtete Autorin Königsberg. Die Art und Weise, wie sie die Stadt beschreibt, zeugt von Vertrautheit und Zuneigung, so daß ihre Preußen-Ressentiments leichter verdaulich werden. Zudem sind ihre – überwiegend weiblichen – Romanfiguren derart sympathisch und wehren sich wacker gegen alle Widrigkeiten, daß man vor lauter Lesegenuß die unterschwellige politisch-historische Ausrichtung der Autorin hinnehmen kann.

Die Urahnin der Saga zog einst im Troß Napoleons als Marketenderin durch Europa. Nach Jahren des Reisens und dem Tod ihres Gefährten gelangt die Schwangere nach Königsberg. Von der Schönheit der Stadt angetan und schnell auch von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen begeistert, bietet ihr die Familie Kärner in Juditten eine kleine Klete als Unterkunft an, in der sie wohnen und ihr Kind zur Welt bringen kann. Da Carine von ihrer ermordeten Mutter in Paris das Schneiderhandwerk erlernt hat, findet sie schnell Abnehmer für ihre feinen Handarbeiten, auch wenn die kriegerischen Zeiten nur eine kleine zahlungskräftige Kundschaft zurückgelassen haben.

Helga Kutz-Bauers Carine wird noch für ihre Urenkelinnen eine Heldin bleiben. Die Geschichten der Ahnin im umkämpften Preußen, das sich erst nach Jahren der Entbehrungen gegen Napoleon erheben konnte, werden so von Generation zu Generation weitergegeben. Enkelin Sophie, Urenkelin Irma und Ururenkelin Marie stehen im Zentrum der Epochen. Kriege, Wirtschaftskrisen, Epidemien, gesellschaftliche Veränderungen wie Einführung des Wahlrechts und den Aufbau der SPD greifen stets bestimmend in das Leben der Personen aus der Arbeiterklasse ein.

„Alle Frauen in dieser Königsberger Familie schneiderten, häkelten, strickten und nähten, das ließ Zeit zum Reden. Am beliebtesten waren Geschichten aus dem Leben einer legendären Urahnin, Marketenderin Carine. Gelegentlich wurde sogar angemerkt, daß Carine einen so schlampig genähten Saum sehr getadelt hätte – solche Tadel trafen aber immer nur eine, die chaotische Friede… Nun wollte Friede heiraten und 1939 war alles anders geworden.“ Dieses „Vorspiel“ der eigentlichen Geschichte – das Vorwort stammt von Ralph Giordano – ist zwar eine schöne Einführung in die Familiensaga, irritierend ist nur, daß diese eingangs beschriebene Szene im Band 1 nicht mehr erwähnt wird. „Königsberger Schnittmuster“ behandelt nur die Ereignisse bis 1923, und somit kommt die Szene erst in Band 2 „Königsberger Kreuzwege vor“, der demnächst in der PAZ vorgestellt wird.            Rebecca Bellano

Helga Kutz-Bauer: „Königsberger Schnittmuster – Von Glück und Not 1807 bis 1923“, Rautenberg, Würzburg 2008, geb., 380 Seiten, 14,95 Euro


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