25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.10.08 / Ein Fiasko ohne Folgen / Durch eigene Nachlässigkeit erlitt Friedrich II. vor 250 Jahren bei Hochkirch eine empfindliche Niederlage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-08 vom 11. Oktober 2008

Ein Fiasko ohne Folgen
Durch eigene Nachlässigkeit erlitt Friedrich II. vor 250 Jahren bei Hochkirch eine empfindliche Niederlage

Von den 16 Schlachten der drei Schlesischen Kriege, die Friedrich der Große selbst geleitet hat, hat er nur drei verloren. Eine davon nicht aufgrund eines mißglückten eigenen Angriffs, sondern durch einen geglückten Schlag des Gegners. Dieser Überraschungsangriff erfolgte am 14. Oktober 1758 bei dem sächsischen Dorf Hochkirch.

Im Herbst 1758, als der österreichisch-russische Feldzugsplan nach der Schlacht bei Zorndorf am 25. August von Friedrich über den Haufen geworfen worden war, wollten die Österreicher wenigstens einen größeren Teil von Schlesien halten. Sie belagerten die Festungen Neisse und Cosel. Der König von Preußen sollte durch ein von Graf Leopold von Daum kommandiertes Armeekorps in Sachsen gebunden werden. Friedrich seinerseits wollte Daun nach Böhmen abdrängen – wenn nötig auch durch eine Schlacht –, um dann nach Schlesien eilen zu können.

In der Nähe von Bautzen bei dem Dorf Hochkirch bezogen die Preußen am 10. Oktober 1758 ihr Lager, das sich von Hochkirch im Süden bis hinter das Dorf Rodewitz nach Norden hinzog und dabei so dicht am Feind abgesteckt wurde, daß die Furiere von der feindlichen Artillerie beschossen wurden. Das Hauptquartier war in Rodewitz, etwa zweieinhalb Kilometer von Hochkirch entfernt. Friedrichs Freund, der Feldmarschall Jacob Keith (1696–1758), meinte: „Die Osterreicher verdienen gehangen zu werden, wenn sie dieses Lager unbehelligt lassen“; worauf der König antwortete: „Nehmen wir an, daß sie sich mehr vor uns als dem Galgen fürchten.“ Auf engstem Raum waren 30000 Preußen (20000 Infanteristen, 10000 Kavalleristen) mit 200 Kanonen – sowie 78000 Österreicher (50000 Infanteristen, 28000 Kavalleristen) mit 340 Kanonen versammelt. Am 14. Oktober schließlich wollte Friedrich das Lager verändern, nachdem auch er dessen ungünstige Position eingesehen hatte, aber da war es bereits zu spät.

Nachdem Daun auf der gegnerischen Seite von seinen Generalen bedrängt worden war, die einmalige Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen, hatte er bereits am 13. Oktober 1758 den Befehl zum Angriff erteilt. Seine Truppen brachen abends auf und formierten sich in einem Wald südlich und östlich des Dorfes Hochkirch. Bei Hochkirch war insbesondere der Friedhof, der von einer mannshohen Mauer umgeben war, der südliche Halt des preußischen Lagers. Die Österreicher marschierten bei stockfinsterer Nacht entsprechend ihrem Schlachtplan, der linke Flügel um das preußische Lager herum in den Rücken des Feindes, der Hauptteil zum Angriff auf Hochkirch von Süden, der rechte Flügel nördlich gegen den preußischen linken Flügel. Diese Dreiteilung war aufgrund der überlegenen Kräfte möglich, denn die angreifenden Armeekorps im Norden und bei Hochkirch waren für sich fast so stark wie die gesamte preußische Armee, während die im Rücken von Südsüdwest angreifenden Verbände aus dem Rest der Armee bestanden. Der Anmarsch der Österreicher blieb den preußischen Feldwachen verborgen, denn diese hatten die Räder der Kanonen mit Stroh umwickelt, machten unverdächtigen Lärm, indem sie im Wald Bäume fällten, und hatten im eigenen Lager die Lagerfeuer brennen gelassen. Außerdem herrschte dichter Nebel.

Um 5 Uhr morgens begann am 14. Oktober der Angriff von Südwesten her auf das Dorf Hochkirch, der von den Preußen einschließlich ihres Königs zunächst nur für ein Geplänkel gehalten wurde. Noch war es finster, so daß sich die preußischen Soldaten um den Kirchhof sammeln und zahlreiche Angriffe abweisen konnten. Aus der Mitte des preußischen Lagers sandte der König Truppen an den Südrand seines Lagers zur Unterstützung der Regimenter in dem Dorf selbst. Damit kam er allerdings dem Plan seines Gegners entgegen, denn er mußte auf diese Weise die eigene Mitte schwächen, die dann auch von dem österreichischen rechten Flügel heftig angegriffen wurde. Der heldenhafte Kampf des 2. Bataillions des Infanterie-Regiments No. 19 (Markgraf Karl) unter dem Major Lange, das sich buchstäblich bis zur letzten Patrone verteidigte, wurde später in einer Chronik von dem Dorfpfarrer gewürdigt. Noch heute kann man in der Kirchentür die österreichischen Flintenkugeln betrachten. Schließlich mußten sich die letzten preußischen Soldaten den Rückweg mit dem Bajonett erkämpfen. Die Entsatzversuche der Preußen, bei denen auch Feldmarschall Keith fiel, hatten gegen die Übermacht keinen Erfolg. Gegen 7.30 Uhr war Hochkirch in der Hand der Angreifer. Friedrich hatte nördlich davon in Höhe seines Hauptquartiers eine Auffanglinie gebildet, welche die geschlagenen Regimenter aus dem südlichen Teil des Lagers und aus der Mitte aufnahm.

Gegen 9 Uhr kam es zu einer Feuerpause, denn der Gegner drängte nicht nach. Friedrich selbst ließ nicht zum Gegenangriff antreten, da er den verbliebenen Rest seiner geschlagenen Armee, auf deren Motivation er nicht mehr rechnen konnte, nicht opfern wollte. Kaum sechs Kilometer westlich bezog die preußische Armee ein neues Lager, das diesmal regelgerecht angelegt war und nicht angegriffen werden konnte. Die Preußen hatten über 9000 Mann, 101 Kanonen, 28 Fahnen und zwei Standarten verloren. Die Österreicher bezifferten ihre Verluste auf über 7000 Soldaten.

Der Erfolg der Österreicher blieb allerdings ohne Folgen auf den weiteren Verlauf des Herbstfeldzugs. Friedrich der Große ging trotz des Verlustes von fast einem Drittel „der Elite der Armee“ nach Schlesien. Er zog die Truppen von dem Korps seines Bruders Heinrich an sich und füllte so die Anzahl der Regimenter wieder auf. Die Preußen zogen über Görlitz, Löwenberg und Schweidnitz in Richtung auf Neisse. Der dort kommandierende österreichische General hob die Belagerung sofort am 5. November auf und zog ab.

Dadurch konnte sich der König von Preußen wieder nach Sachsen wenden, wo Daun, der die geschlagenen Preußen hatte ziehen lassen, die Befreiung der Hauptstadt Dresden plante. Die Festung Dresden war die Sachsen beherrschende Position. Wer sie besaß, hatte die Möglichkeit, die Winterquartiere für seine Truppen in Sachsen zu wählen. Dresden war seit dem Beginn des Siebenjährigen Krieges 1756 in preußischer Hand. Der preußische Kommandant Generalleutnant Karl Christoph Reichsgraf von Schmettau (1696–1774) hatte bei dem Anmarsch von Daun die Vorstädte Dresdens niederbrennen lassen, um „… freies Schußfeld zu haben“. Als Daun und die sächsischen Landstände gegen dieses in ihren Augen völkerrechtliche Unrecht protestierten, drohte von Schmettau damit, bei einem Anriff die Hauptstadt Sachsens – wenn nötig sogar einschließlich Schloß – Haus für Haus abbrennen zu lassen. Damit hatte er Daun die Absicht, Dresden im Sturm zu nehmen, verleidet. Außerdem ließ die fortgeschrittene Jahreszeit eine förmliche Belagerung nicht mehr zu.

Zu allem Unglück für die Österreicher kam jetzt die preußische Armee unter dem König selbst wieder nach Sachsen. Das alles veranlaßte Daun, am 21. November 1758 elbaufwärts nach Böhmen zurückzumarschieren. Das Ziel Friedrich des Großen, den Winter 1758/59 in Sachsen verbringen zu können, war trotz der vermeidbaren Schlappe bei Hochkirch erreicht.  

Jürgen Ziechmann

Foto: Friedrich und die Seinen in der Schlacht bei Hochkirch: Holzstich aus dem Jahre 1856 nach einem Gemälde von Adolph Menzel (1815–1905)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren