19.04.2024

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11.10.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-08 vom 11. Oktober 2008

Putsch / Wie die Milliarden aus der hohlen Hand der Kanzlerin rieseln, wo der Bundestag bleibt, und wie das reiche Island zum Restposten wurde
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Endlich aufgewacht? Nein? Trösten sie sich, ich auch nicht. Dieser beunruhigende Traum, in dem die Dimensionen vollkommen verzerrt sind und alles bizarr durcheinanderwirbelt, der will kein Ende nehmen. Als wir noch wach und bei vollem Bewußtsein waren, verfolgten wir eher gelangweilt, wie  sich die Fraktionen im Bundestag verbissen haben in die Verteilung von ein paar Milliarden Euro.

In unserem Traum dagegen treten die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister vor die Kameras und versprechen mal so eben eine Komplettgarantie für sämtliche privaten Spareinlagen. Um wieviel es dabei geht? 800 Milliarden? 1200 Milliarden? Laut Dresdner Bank verfügten alle  Deutschen zusammen Ende 2007 über einen Geldbesitz von 4760 Milliarden Euro.

Der Auftritt sei kein Traum, wird behauptet, er sei Wirklichkeit. Das macht die Verwirrung komplett: Was ist Wahrheit, was böser Traum? Wo doch die Wahrheit über den Zustand des Finanzsystems in Wirklichkeit niemand mehr kennt.

Doch nehmen wir an, die Szene mit Merkel und Steinbrück hat tatsächlich stattgefunden. Dann muß einen die Leichtigkeit berauschen, in der Frau Merkel und Herr Steinbrück mit diesen galaktischen Summen hantieren.  Wie umstandslos die das über die Lippen gekriegt haben! Deutschland, du hast es besser: Der amerikanischen Präsident Bush und sein Finanzchef Paulson mußten für eine vergleichsweise bescheidene Staatsbürgschaft von umgerechnet 500 Milliarden Euro durchs Fegefeuer zweier Parlamentskammern, wo sie sich häßliche Brandblasen holten.

In Deutschland hingegen öffnet die Regierungschefin mal eben die hohle Hand und heraus rieseln Versprechungen, die mehr wiegen als etliche Bundeshaushalte. Das hat es seit Ludwig XIV. nicht mehr gegeben. Der Bundestag? Das Haushaltsrecht der Volksvertreter? Vorübergehend weggeputscht. In grauer Vorzeit mußten sie für so einen Putsch noch die Parlamentswache überrennen und wild herumschießen, Straßenbarrikaden errichten und Ausgangssperren verhängen. Heute regelt man das per Stehgreif-Erklärung.

Gut, daß wir in dieser stürmischen Zeit nicht allein sind, sondern die EU haben. Was macht die eigentlich?

Sie sucht eine „koordinierte Antwort“, sagt EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy. „Angesichts der Krise war Europas Einigkeit notwendig“, weiß der Franzose, und gibt sich stolz und zufrieden: Diese Einigkeit „ist jetzt erreicht“. Na, dem Himmel sei Dank.

In der Praxis sieht die Einigkeit so aus: Kurz vor dem Treffen der vier führenden EU-Wirtschaftsmächte Deutschland, Frankreich, England und Italien läßt Sarkozy durchblicken, daß er einen EU-weiten Rettungsfonds für strauchelnde Banken wolle. Noch kürzer vor dem Gipfel schimpft Merkel, daß sie davon überhaupt nichts halte. Und noch noch kürzer vor der Zusammenkunft meint Sarkozy, daß er es nicht so gemeint hat.

Auf dem Treffen in Paris schwören schließlich alle vier feierlich jedweden „nationalen Alleingängen“ ab, um gleich danach jeder für sich unter den Girlanden der Solidarität zum nationalen Alleingang aufzubrechen. Mehr als das allgemeine Versprechen, die großen Banken notfalls irgendwie zu stützen und ein paar Regeln zu vereinheitlichen, kam auch Tage später beim Finanzministertreffen aller 27 EU-Staaten in Luxemburg nicht heraus.

Einer will sich mit dem Bißchen  nicht abfinden: Italiens Premier Silvio Berlusconi schwadroniert unverdrossen von einem gemeinsamen Hilfstopf, in den jedes EU-Mitglied drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts werfen solle. Frech flunkerte er, Merkel und Sarko seien auch dafür, was beide schnaubend dementierten.

Die Umtriebe des Italieners werfen Verdacht auf: Er muß etwas Schreckliches gesehen haben, etwas, mit dem sein Land allein niemals fertig wird. Wie viele Finanzkadaver verbirgt der Regent von Rom in seinen feuchten Katakomben? Wir wollen nicht gleich den Stab brechen über Berlusconi. Vielleicht möchte er ja nur etwas Besonderes sein, und löckt deshalb beharrlich gegen den Stachel.

Italiener schätzen das Besondere. Die Mailänder Großbank Unicredit, zu der die deutsche Hypovereinsbank gehört, hat gerade angekündigt, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Für alle, die sich noch nicht mit ein paar Brocken Börsenlatein aufgerüstet haben: Eine Kapitalerhöhung bedeutet, daß ein Unternehmen zusätzliche Aktien von sich auf den Markt bringt in der Hoffnung, daß die Leute sie kaufen. In normalen Zeiten kein Problem. Im Moment jedoch sind Bankaktien so populär wie Ebola-Viren. Wo ein Geldhaus nach dem anderen zusammenkracht, ist das Angebot, eine Bankaktie zu kaufen, für die Masse so verlockend wie die Einladung zum Draußenschlafen im Januar.

Also nur etwas für die völlig Verrückten – oder die ganz Harten: US-Milliardär Warren Buffet schwört darauf, daß man nur Aktien kaufen solle, wenn alles im Graben liegt. Dann sei’s am billigsten. Gerade hat er fünf Milliarden Dollar in eine vom Untergang umzingelte US-Bank investiert. Der labert also nicht bloß.

Gut, so ein Profi mag das drauf haben. Da kann wirklich der ganz große Reibach herauskommen. Gegen den Strom schwimmen, das ist es. Allerdings sollte man wissen, was man tut. Viele, die meinten, auf der Erfolgsspur gegen den Strom zu schwimmen, merkten zu spät, daß sie nur gegen den Wind gepinkelt haben. Dann ist normalerweise schon alles Geld futsch.

Die Folgen des Windpinkelns sind besonders unangenehm, wenn es kalt ist. Wie in Island zum Beispiel. Das kleine Land mit kaum 300000 Einwohnern hat am ganz großen Rad gedreht mit seinen Banken. Island wurde so reich, daß es jedes Ansinnen auf EU-Mitgliedschaft zurückwies aus Furcht, die bedürftigen Länder der Union könnten die Schätze des vermutlichen Nettozahlers im hohen Norden plündern.

Nun liegt alles in Scherben und Island als ramponierter Restposten auf dem Wühltisch der Weltfinanz, der hofft, daß ihn einer abgreift. Dienstag schien der Käufer schon festzustehen: Rußland „leihe“ Reykjavik vier Milliarden Euro für vier Jahre, verbreitete die isländische Nationalbank unter Freudentränen. Moskau schoß sofort hoch: Da sei gar nichts entschieden. Zu Islands Pleite gesellte sich so noch die Schmach.

Die tragische Burleske um die hübsche Vulkaninsel erweitert auf jeden Fall den Blick. Bislang    gucken wir immer nur auf die, die bis zum Hals in der Brühe gegens Absaufen anstrampeln. Dabei entgehen einem die stillen Vertreter am hohen und trockenen Ufer. Dort sitzen die neuen Herren der Welt. Mit dem Kescher in der Hand lauern sie auf günstige Gelegenheiten, sich einen der übermüdeten, zu Tode geängstigten Strampler herauszufischen.

Wer die Herren sind, wissen wir nicht so genau. Milliardenschwere Buffets oder große Fonds vielleicht, die immer noch über märchenhafte Mittel verfügen. Staaten, die astronomische Devisenreserven angehäuft haben – China besitzt an die 2000 Milliarden Dollar. Wenn fast alle anderen am Boden liegen, brechen für die wenigen reich Gebliebene goldene Zeiten an. So war das immer.

Aber warum in die Zukunft blicken, wenn man sich im Gestrigen viel wohler fühlt. Ultralinke wittern in der Krise die Chance, ihr Gerümpel vom Boden zu holen und uns zum x-ten Male den Sozialismus anzudienen, der vor 20 Jahren den größten Bankrott der Weltgeschichte hingelegt hat, nach dem Motto: Pleite können wir besser als Lehman.

Mit dem roten Müll sind sogar die „Nie wieder Deutschland“-Schreier von 1989/90 erneut aus den Spinnweben gefallen. In Hamburg zogen sie am 3. Oktober schwarz vermummt und so bedrohlich grölend durch die Stadt, daß ein Tourist aus Sachsen verängstigt einige „Spiegel-TV“-Journalisten fragte: „Das sind doch Rechte, oder?“


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