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18.10.08 / Rot-Rot ohne Visionen / SPD und Linkspartei haben sich gut im Berliner Machtapparat eingerichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Rot-Rot ohne Visionen
SPD und Linkspartei haben sich gut im Berliner Machtapparat eingerichtet

Das linke Bündnis aus SPD und Linkspartei scheint in der Realpolitik angekommen zu sein. Auf ihren Parteitagen am vergangene Wochenende mußten sich beide Parteien mit der Glaubwürdigkeit ihrer linken Kernthemen auseinandersetzen. Eine Viertelmillion Berliner ohne Arbeit sowie Kürzungen bei Hartz IV und im öffentlichen Dienst sorgen für Unmut an der linken Basis

Bei all der Aufregung um den Führungswechsel bei der Berliner CDU haben die Berliner schon ganz vergessen, daß sie von Rot-Rot regiert werden. Sieben Jahre ist dieser Wechsel jetzt her. Das ist viel Zeit in der Politik. Die beiden Regierungsparteien haben sich eingerichtet an den Schaltstellen der Macht – und haben ihre hochgesteckten Ziele von einst längst vergessen.

Die beiden Landesparteitage von SPD und Linken am vergangenen Sonnabend beweisen es. Zuerst die SPD, sie tagte am Alexanderplatz, unweit vom Roten Rathaus. Aber der Regierende Bürgermeister ließ sich den Vormittag über nicht blicken. Die Genossen Delegierten waren nicht erfreut darüber.

Keiner sagt es, aber die Bilanz von Wowereits Senat sieht mäßig aus. Zwar ist der Regierende Bürgermeister beliebt, aber was ist mit der sozialen Gerechtigkeit und all den anderen linken Leib- und Magenthemen?

Eines der wichtigsten Themen Wowereits in seiner Regierungserklärung 2002 war der Abbau der Arbeitslosigkeit. Wowereit klagte gleich nach seiner Wahl: „In Berlin sind mehr als eine Viertelmillion Bewohner ohne Job.“ Im September 2008 waren noch immer 224558 Arbeitslose in Berlin gemeldet. Andere Bundesländer waren weitaus erfolgreicher beim Abbau der Arbeitslosigkeit.

Der Wowereit-Senat ist nicht gescheitert. Ihm sind keine unverzeihlichen Fehler unterlaufen, es hat auch keinen schlimmen Skandal gegeben. Den größten Unmut hatte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) ausgelöst, die zugelassen hatte, daß es in den Jugendhaftanstalten drunter und drüber geht. Ihr Stuhl hatte eine Weile gewackelt, aber deswegen stürzt keine Landesregierung in Deutschland. Und selbst Frau von der Aue ist nach wie vor im Amt.

Doch ist an der Basis ein heftiges Grummeln zu vernehmen. Was ist mit der vielbeschworenen sozialen Gerechtigkeit? Warum sind plötzlich für gescheiterte Banken Milliarden da, wenn vorher bei Arbeitslosegeld-II-(Hartz IV) Empfängern und im öffentlichen Dienst massiv gekürzt wurde?

Der Delegierte Klaus Eisenreich fragte mit Blick auf das SPD-Motto zur kommenden Europawahl (Europa sozial gestalten): „Wer soll uns das in Berlin abnehmen, in einer Stadt, in der ein Senat aus SPD und Linken die Bürger so ausplündert?“

Als Beispiel nannte er die Beihilfe, also die Krankenversicherung von Beamten. Sie wird erst um Monate verspätet ausgezahlt, weil das Land nach wie vor unter finanziellen Engpässen leidet. Für kleine Beamte stellt das eine große Belastung dar.

Und nicht nur das. Der Wowereit-Senat drückt den öffentlichen Dienst an die Wand. Der Regierende ist unversöhnlich und hart. Es muß weiter  gespart werden, heißt es aus dem Roten Rathaus. Das ist auch richtig so. Aber das kommt bei der roten Basis nicht so gut an wie in der bürgerlichen Presse. Linke Kritiker erhielten viel Applaus auf dem Parteitag.

Gleichzeitig tagte auch die Linkspartei. Von ihr gibt es keine Kritik mehr an der „unsozialen Politik“ des Senats wie früher. Die Genossen von ganz links sind inzwischen Großmeister der Realpolitik geworden und schmetterten einen Antrag mit einer Rücktrittsforderung gegen den ungeliebten SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin souverän ab.

Die Linke schluckt jede Kröte, sagen SPD-Senatoren hinter vorgehaltener Hand. Die geben sich mit symbolischen Handlungen zufrieden, die Wowereit ihnen gnädig ermöglicht. So stimmte sein Senat im Sommer gegen den Lissabon-Vertrag. Als einziges Land, also ohne  Auswirkung auf das Ergebnis dieser Bundesratsentscheidung. Die Linken hatten es wie einen großen Sieg gefeiert, daß Wowereit sie nicht übers Ohr gehauen hat, wie befürchtet. Auch deswegen war es ein seltsamer Triumph für Lafontaine und Co.

Auf ihrem Parteitag in Berlin-Lichtenberg – zeitgleich mit dem SPD-Konvent – verabschiedeten die Genossen ohne Gegenstimmen einen Leitantrag, der sich für die Stärkung der zwölf Berliner Bezirke ausspricht. Die Marschrichtung ist klar: Die Partei sichert ihre Macht. Keine Partei ist so sehr in nur einer Stadthälfte verankert wie die Linke. In den dortigen Bezirken hat sie überall die Chance den Bürgermeister zu stellen.

Also will die Linke die Macht der Bezirke stärken, weil es ihre Macht ist. Was in Steglitz-Zehlendorf oder Reinickendorf im Westen passiert, ist ihr dann egal. Die Genossen, 2006 vom Wähler abgestraft, geben damit den politischen Führungsanspruch für die ganze Stadt auf. Das erinnert stark an die Redewendung: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.   Harald Fourier

Foto: SPD-Landesparteitag in Berlin: An der Parteibasis herrscht Verstimmung über den Kurs der Sozialdemokraten. Immer mehr Mitglieder stellen sich offen gegen ein Politik, die sie als   Angriff auf die soziale Gerechtigkeit und Veräußerung sozialdemokratischer Ideale empfinden


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