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18.10.08 / Sorge vor Gewöhnung an die FDP / CSU setzt auf Horst Seehofer – Jetzt heißt es »Kröten schlucken« für eine Koalition mit den Liberalen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Sorge vor Gewöhnung an die FDP
CSU setzt auf Horst Seehofer – Jetzt heißt es »Kröten schlucken« für eine Koalition mit den Liberalen

Mit Horst Seehofer hat die CSU nach ihrer verheerenden Wahlschlappe den letzten Trumpf aus dem Ärmel gezogen. Die Zukunft dieser einzigen Volkspartei Bayerns hängt davon ab, ob er sticht.

Der „Egomane“ als Teamplayer, der „letzte Wilderer“, das „Chamäleon“, der „Sturschädel“ (so diverse Medien) als staatstragende Integrationsfigur einer Volkspartei, ja eines recht komplizierten Volkes wie des bayerischen – kann das gut gehen?

Immerhin hat die CSU sich mit der Entscheidung für Seehofer schnell gefangen. In nur zehn Tagen haben sie beschlossen, Parteiführung und Staatsamt wieder in eine Hand zu legen – wie einst bei Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Die gründliche Analyse der Ursachen der Wahlschlappe steht indes noch aus. Erschreckend für die CSU: Gerade in den Stammlanden Altbayerns liefen die Wähler scharenweise weg, Städter und Mittelständler eher zur FDP, Landbevölkerung und Bauern zu den Freien Wählern.

Der Koalitionspartner in spe, die FDP, setzt der CSU erste Kröten als Verhandlungsmasse vor, und das nicht nur in Person der vielen Konservativen suspekten Landesvorsitzenden Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die bald als Ministerin in den Justizpalast am Stachus einziehen könnte. Die homosexuellen Lebensgemeinschaften sollen auch in Bayern bald am Standesamt (und nicht nur beim Notar) geschlossen werden können, die Grundschule soll bis zur sechsten Klasse verlängert werden. Damit würde nach Ansicht der CSU das dreigliedrige Schulsystem ausgehöhlt, hier gibt es gewaltiges Konfliktpotential.

Dennoch übt sich die CSU beim Thema bayerische Koalition in Gutwetter: Alles laufe glatt, die Stimmung sei gut, kein Thema sei unverhandelbar. Schnell sei man sich einig geworden, dass das strikte bayerische Rauchverbot gelockert werden solle. Und die Erbschaftsteuer ist sowieso grundsätzlich von Übel, hier fordern CSU wie FDP zumindest große Freibeträge für mittelständische Betriebe und selbstgenutztes Wohneigentum.

Doch selbst wenn die FDP auf unzumutbare Kröten verzichtet und der CSU weit entgegenkommt, läuft letztere in einen Zielkonflikt: Die Bevölkerung könnte die FDP als Korrektiv bisheriger Zweidrittel-Arroganz ansehe: Der Freistaat bleibt wirtschaftlich auf Kurs und wird ansonsten etwas weniger urig, normaler, durchschnittsdeutscher. Wenn die Koalitionsregierung allzu gut läuft, könnte die CSU die Notwendigkeit einer absoluten Mehrheit bei den nächsten Landtagswahlen kaum mehr begründen. Wenn sich hingegen die künftige bayerische Koalition in Klein-Klein-Streitereien verliert, könnte auch das der CSU angelastet werden.

Das A und O für die CSU ist, daß sie ihre traditionelle Volksnähe wiedergewinnt. In den Jahren der Zweidrittelmehrheit seit 2003 hatte Stoiber zahlreiche harte Reformgesetze durchgepeitscht und dabei schon fast systematisch alle Bevölkerungsgruppen gegen sich aufgebracht: Förster, Trachtler, Lehrer, Eltern, Kindergarten-Erzieherinnen, Richter, Beamte etc.

Neben einem überstürzt eingeführten achtjährigen Gymnasium, an dem Schulpolitiker, Schüler, Eltern und Lehrer noch lange zu kauen haben, lautet der Haupterfolg – außer einer beachtlichen wirtschaftlichen Prosperität: der erste ausgeglichene Haushalt eines deutschen Landes. Doch die Wähler haben diesen beachtlichen Erfolg nicht weiter gedankt – für die Vergangenheit gibt es keine Blumen. Und tragfähige Visionen für die Zukunft zu entwickeln, haben die allzu braven Spitzenleute Erwin Huber und Günther Beckstein nicht vermocht.

Die Volksnähe muß in allen Orts- und Kreisverbänden wieder neu eingeübt werden, wird aber an der Spitze mit Seehofer ganz gut verkörpert – der Bauarbeitersohn aus Ingolstadt, Sozialpolitiker mit dem Ruf als „Herz-Jesu-Marxist“ war schon im Januar 2007 der Favorit der CSU-Basis, unterlag jedoch im September auf dem Parteitag Erwin Huber.

Eine andere Frage ist die Geschlossenheit von Partei und Landtagsfraktion. 16 von 92 Abgeordneten verweigerten bei der Seehofer-Nominierung ihre Zustimmung. Die Gräben zwischen den Landsmannschaften und Bezirken brechen auf – viele Franken sind erbost über die Abservierung „ihres“ Ministerpräsidenten Beckstein. Gleichzeitig wird es im Kabinett enger: Die FDP beansprucht wohl zwei Ministerien, die zu verteilenden Pfründe werden magerer. Seehofer ist nicht zu beneiden um den vierfachen Spagat, den er vor sich hat: den der CSU heiligen Regionalproporz und den konfessionellen Proporz einzuhalten, eine gute Altersmischung und genügend Frauen ins Kabinett zu holen – und das mit weniger Posten und drei bereits gesetzten Mannen: Joachim Hermann als Innen-, Thomas Goppel als Wissenschafts- und Erwin Huber als Finanzminister.

Auf Bundesebene fletscht die CSU die Zähne, die Europa- und Bundestagswahlen werfen ihre Schatten voraus. „Die bayerischen Interessen kraftvoll vertreten“, nennt das der designierte Parteichef. Hatte Angela Merkel die Bayern noch kalt lächelnd auflaufen lassen mit der relativ bescheidenen Forderung nach Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer (mit Kosten von etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr), so sieht sie sich nun einer doppelten Retourkutsche gegenüber: Die CSU zeigt bei der Erbschaftsteuer große Härte in der Verteidigung der Interessen von reichen Erben und Mittelstand und riskiert bei einem Scheitern einen Sozialneid-Wahlkampf der SPD, der Merkel die Kanzlerschaft kosten kann. Und zweitens lehnt der vermutlich weiter amtierende Finanzminister Erwin Huber das Rettungspaket des Bundes für die Banken rundweg ab. Er argumentiert zwar rein ordnungspolitisch – in der Tat ist Bankenaufsicht eine Aufgabe des Bundes – es dürfte ihm und der CSU aber eine tiefe Genugtuung sein, Bundesfinanzminister Steinbrück und Kanzlerin Merkel erst mal zappeln zu lassen.            Anton Heinrich

Foto: Populärer Verbraucherschutzminister: Mit Horst Seehofer an der Spitze will die CSU bei den Wahlen des Jahres 2009 wieder absolute Mehrheiten gewinnen.


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