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18.10.08 / Im Wald von Katyn blühen die Rosen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

»Moment mal!«
Im Wald von Katyn blühen die Rosen
von Klaus Rainer Röhl

Warum ist jemand in Deutschland links, nennt sich Antifaschist und trommelt Leute zusammen, warnt vor einer Gefahr von rechts, wenn z.B. im Kölner Stadtparlament eine als rechts geltende Gruppierung namens „Pro Köln“ gerade mal sechs Sitze erhält? Dann geraten ein paar junge Leute und zwei, drei alte Gurus regelmäßig außer Kontrolle, gehen mit Transparenten auf die Straße und werden laut. Dabei werden sie vom örtlichen Fernsehsender gefilmt, und wenn sie Glück haben, bringt es einer der großen Sender in der Tagesschau oder bei „heute“, „Wehret den Anfängen!“ rufen sie, ohne die Herkunft dieses Zitats eines römischen Politikers aus dem ersten Jahrhundert nach Christus unbedingt zu kennen. Wiener „Antifaschisten“ malen ebenfalls das Braune an die Wand und wehren so den Anfängen. Die sehen sie gekommen, wenn Jörg Haider, der kürzlich unter etwas mysteriösen Umständen tödlich verunglückte charismatische Sprecher der dortigen Rechtsliberalen, davor warnt, allzu viele Einwanderer ins Land zu lassen. Obwohl das ganz seriöse Politiker auch finden. Dann wehren sie dort wie in Köln den Anfängen, und hier wie in Wien helfen ihnen Schlagersänger, Theatermacher und Sender. Wehret den Anfängen. Das soll heißen, wehrt euch dagegen, daß die Nazis wiederkommen (die Protestierer bei uns sagen grundsätzlich „Faschisten“, in Wien sagen sie „Rassisten“), die so viel Unglück über uns alle gebracht haben, vor allen Dingen aber für die Ermordung von so vielen unschuldigen Menschen im Krieg verantwortlich sind.

Wenn man die Leute bei einer Straßendemonstration und in der darauf folgenden Fernseh-Runde fragt, warum sie so aufgebracht und besorgt sind, werden sie stets antworten, sie wollten unbedingt verhindern, daß jemals wieder Kriegsverbrechen und Massenmorde in Europa begangen werden. Darum seien sie „Antifaschisten“.

Sind sie auch Antistalinisten? Kämpfen sie mit der gleichen Verbissenheit und Beharrlichkeit auch gegen die Kriegsverbrechen und Massenmorde der Kommunisten? Die Frage ist legitim, weil in Hessen eine Partei auftritt, die LINKE, die in ihren eigenen Reihen eine Kommunistische Plattform hat. An deren Spitze steht die wegen ihres attraktiven Aussehsens häufig in Talk-Shows auftretende Sahra Wagenknecht, eine Anhängerin und Verehrerin Stalins. Stalin aber war – und eigentlich von niemand bestritten – einer der größten Massenmörder der Geschichte. Wer wehrt nun den Anfängen, wenn seine Nachfolger öffentlich auftreten? Gibt es gute und schlechte Massenmörder? Liebe Genossen Antifaschisten, wie haltet Ihr es, um nur ein Beispiel zu nennen, mit Katyn? Dieses Beispiel ist nicht so einfach aus der Luft gegriffen, sondern wird möglicherweise, wie der Spiegel in seiner Ausgabe vom 6. Oktober berichtete, bald vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt.

Bisher wurde über Katyn von den Kommunisten nicht gern gesprochen, geschweige berichtet. Hier nämlich, im Wald von Katen, an einem abgelegenen Ort in der Nähe von Smolensk, ermordete der sowjetische Geheimdienst 1940, als noch niemand Gelegenheit hatte,  im Rußlandfeldzug Verbrechen zu begehen, ungefähr 22000 Angehörige der polnischen Oberschicht, darunter 14000 Offizieren, per Genickschuß. Einige in den Kellern des sowjetischen Geheimdienstes NKWD, die meisten unter freiem Himmel bei Katyn. Die Begründung lautete, wie aus einem Beschluß des sowjetischen Politbüros vom 5. März 1945, einem Dokument, das erst auf Anweisung von Boris Jelzin 1992 den Behörden in Warschau zugänglich gemacht wurde, hervorgeht, die 25700 Polen seinen unverbesserliche Feinde der Sowjetunion. Wahrscheinlich wären die Offiziere und Akademiker, die nach dem Hitler-Stalin-Pakt in russische Hände gefallen waren, tatsächlich keine Freunde der Sowjetmacht geworden, aber faktisch wurde mit dem Massenmord ein Teil der polnischen Intelligenz ausgerottet, und genau das scheint auch die Absicht gewesen zu sein.

Doch damit war die Tragödie von Katyn noch nicht beendet. 1942 besetzte die deutsche Wehrmacht auf ihrem Vormarsch auch Katyn und die Massengräber wurden durch Zufall, übrigens durch polnische Zwangsarbeiter, entdeckt. Im Februar 1943 ging die Wehrmacht den Meldungen nach und die Geheime Feldpolizei legte Massengräber mit 4400 Offizieren frei. Man lud eine internationale Untersuchungskommission nach Berlin ein, veröffentlichte die grausigen Fotos der halbverwesten Leichen als „Amtliches Material zum Massenmord von Katyn“ mit Namen und Dienstgraden. Die NKWD-Mörder hatten den Toten weder ihre Ausweise noch ihre persönlichen Papiere abgenommenen, entweder wegen der Eile oder weil man sicher war, daß niemand das tief in der Erde liegende Massengrab je finden würde. Die Meldung ging um die Welt und wurde vor allen Dingen in Deutschland groß herausgebracht. Ein gefundenes Fressen für Goebbels und seine Propaganda gegen die russischen „Untermenschen“. Doch später eroberte die Rote Armee das Gebiet zurück, und nun ließ Stalin das Massaker, das ja nicht mehr zu leugnen war, auf Herbst 1941 umdatieren – Tote reden nicht – und zum von der Wehrmacht begangenen Massenmord erklären.

Um diese These zu beweisen, wurden aus 15 deutschen Kriegsgefangenen Geständnisse herausgepreßt, an den Massenmorden von Katyn teilgenommen zu haben. Mit Methoden, die unsere Linken mit größtem Abscheu barbarische Folter nennen würden – wenn sie in Guantanamo stattgefunden hätten. Die 15 Deutschen wurden gleich nach ihren Geständnissen in Leningrad und Smolensk öffentlich gehängt. Der Massenmord von Katyn wurde von dem russischen Chefankläger Andrej  Wyschinski während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse als besonders schweres Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten hervorgehoben: Gegenteilige Beweisanträge der Verteidiger, unter ihnen übrigens auch der Sohn des ehemaligen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, der spätere Bundespräsident Richard v. Weizsäcker, als Mitverteidiger seines Vaters, wurden auf den Protest von Wyschinski hin ohne Diskussion abgelehnt.

So ging der deutsche Massenmord von Katyn in die deutsche Lyrik von 1951 ein. „Im Wald von Katyn/blühen die Rosen auf“ – Bilder von Katyn wären wohl auch noch in Jan Philipp Reemtsmas umstrittener Wehrmachtsausstellung als Material willkommen gewesen. Wenn nicht Boris Jelzin in Warschau die Geheimakte hätte übergeben lassen und 1995 Polen und Russen vereinbart hätten (getrennt) zu ermitteln. Wobei herauskam, daß ein Offizier des Mordkommandos sogar einen Orden erhalten hatte. Der polnische Regisseur Andrzey Wajda, dessen Vater zu den Ermordeten gehört, hat inzwischen einen Film mit dem Titel „Katyn“ gedreht, der in diesem Jahr sogar in Moskau lief. Allerdings nur zwei Tage lang.

Eine heute 68jährige Polin, Tochter des ebenfalls ermordeten Artillerieoffiziers Winzenty Wolk, hat einen Antrag auf Rehabilitierung ihres Vaters gestellt. Und, unterstützt von zwei polnischen Professoren und zwei russischen Kollegen, eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Rehabilitierung ihres Vaters erhoben. Sie klagen nur auf eine Entschädigung von einem symbolischen Euro, denn es gehe ihnen, so der Rechtsprofessor Ireneusz Kaminski, nicht um Geld, nur um das Recht.


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