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18.10.08 / »Tempo! Auf drei Rädern durch die Stadt« / Der Fahrzeughersteller würde 80 Jahre alt – Sonderausstellung in Hamburgs Museum der Arbeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

»Tempo! Auf drei Rädern durch die Stadt«
Der Fahrzeughersteller würde 80 Jahre alt – Sonderausstellung in Hamburgs Museum der Arbeit

Deutschlands in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutendster Hersteller von Kleinlastwagen hatte seinen Sitz in Harburg. Da diese anfänglich preußische Stadt mittlerweile zu Hamburg gehört, widmet das dortige Museum der Arbeit dem Unternehmen eine Sonderstellung.

Der Hamburger Max Vidal hatte zu Kaisers Zeiten mit dem Import englischer Kohle gutes Geld verdient. In dem durch den Ersten Weltkrieg und das Versailler Diktat verarmten Deutschland ging der Import von Kohle jedoch spürbar zurück. Doch Max Vidal und seinem Sohn Oscar blieb nicht verborgen, daß im Zuge der Mobilisierung nicht zuletzt beim Kohletransport die Schottsche Karre zunehmend durch motorisierte Kleinsttransporter abgelöst wurde. Zusätzlich gefördert wurden dreirädrige Kleinsttransporter durch den Staat. Dieser zählte ab 1928 auch Kraftfahrzeuge, „die auf nicht mehr als drei Rädern laufen, wenn ihr Eigengewicht in betriebsfertigem Zustand 350 kg nicht übersteigt“, zu den im Gegensatz zu vierrädrigen Autos steuerbefreiten und führerscheinfreien Kleinkraft­rädern.

Die Vidals zogen Kapital aus ihrem Kohleunternehmen und investierten es in den Handel mit derartigen Dreirädern, die sie unter dem Markennamen „Tempo“ vertrieben. Die ersten Modelle ähnelten einer Schottschen Karre mit einem dritten Rad an der Stelle, an der bis dahin die Person stand, welche die Karre schiebt. Leicht nach vorne versetzt auf diesem durch einen kleinen Motor angetriebenen dritten Rad saß ähnlich wie bei einem Motorrad der Fahrzeugführer, der das Gefährt über die Vorderachse lenkte.

Mit den ersten Dreirädern, mit denen die Vidals handelten, dem „T 1“ und dem „T 2“ hatten die beiden Hamburger Pech, doch dann brachte sie ein pfiffiger Ingenieur auf den Gedanken, ein selber produziertes Dreirad zu vertreiben, den „T 6“. Zuerst erfolgte die Produktion in Wandsbek, 1934 wurde sie nach Harburg verlegt. Beide Orte waren damals noch preußisch. Erst später wurden sie infolge des Groß-Hamburg-Gesetzes von 1937 Stadtteile der Hansestadt.

Der „T 6“, der „Pony“ (eine Billig-Variante des „T 6“ ohne Rückwärtsgang) und der ebenfalls selber produzierte, aber etwas leistungsstärkere „T 10“ waren im Gegensatz zum „T 1“ und „T 2“ ausgereift und verkauften sich entsprechend gut – zumindest bis 1932, denn da bekamen die Vorderlader genannten Fahrzeuge von Vidal Konkurrenz durch sogenannte Hinterlader, bei denen das einzelne Rad und der Fahrer vorne und die beiden Räder mit der Ladefläche hinten angebracht waren. Das Hinterlader-System hatte den großen Vorteil, daß nun die Ladefläche unbeschränkt hoch beladen werden konnte, ohne dem Fahrer die Sicht zu versperren.

Vidals zogen daraus die Konsequenz, daß sie 1933 die Produktion von Hinterladern aufnahmen und drei Jahre später die von Vorderladern einstellten. Im Gegensatz zu Vorderladern der Konkurrenz hatten die „Tempo“-Dreiräder modernen Vorderradantrieb. Dadurch, daß der Motor mit dem Vorderrad mit gedreht wurde, entfiel das sonst anfallende Problem der Kraftübertragung auf gelenkte Räder.

1936 kam mit dem „E 400“ eine weitere Innovation. Anstelle der bisher verwendeten Metallrohr-Sperrholz- besaß er eine Stahlkarosserie. Die war stabiler. Dieser „E 400“ wurde Marktführer unter den dreirädrigen Kleintransportern. Die Nationalsozialisten brachten dem Gefährt zusätzliche Käufer. Der 1937 ernannte Generalbevollmächtigte des Kraftfahrzeugwesens, Oberst Adolf von Schell, erklärte nämlich den Marktführer zum Einheitsmodell seiner Klasse, das fortan als einziger gebaut werden durfte.

Den Zweiten Weltkrieg überstand das Tempo-Werk relativ glimpflich. Gleiches gilt hinsichtlich der Herrschaft der Besatzungsmacht. So konnte das Werk nach Kriegsende das ehemalige Einheitsmodell weiterproduzieren, wenn auch anfänglich nur in sehr begrenzten Stückzahlen. Der Trend wies allerdings nach oben. Man leistete sich sogar eine Überarbeitung des ehemaligen Standardmodells. „Hanseat“ hieß das Ergebnis dieser Überarbeitung, das 1949 das Vorkriegsmodell ablöste. Analog zum „Pony“ nach dem Ersten Weltkrieg gab es ab 1950 vom „Hanseat“ auch eine Billigversion ohne elektrischen Anlasser und Tachometer, den „Boy“.

Der dreirädrige „Tempo“ entwickelte sich zum Kleinlaster des Wiederaufbaus. Er wurde jedoch nicht nur zum Symbol und Begleiter des Wiederaufbaus, sondern auch zu dessen Opfer. Mit dem „Wirtschaftswunder“ stiegen die Ansprüche. Der Trend ging zum vierrädrigen Fahrzeug. So stellte Tempo 1956 in Deutschland die Produktion von Dreirädern für den deutschen Markt ein. In Indien war man bescheidener, und dort wurde das Dreirad von „Tempo“ noch bis ins Jahr 2000 produziert.

Was die Bundesrepublik anging, so hatte Tempo den Trend in der Fahrzeugnachfrage richtig und rechtzeitig erkannt. Bereits im selben Jahr wie den „Hanseat“ hatten die Harburger mit dem „Matador“ einen vierrädrigen Kleinlaster auf den Markt gebracht. Während „Hanseat“ und „Boy“ von Zweitaktern angetrieben wurden, erhielt der „Matador“ den bewährten Viertakter des erfolgreichen VW „Käfers“. Das war ein Erfolgsrezept, wurde jedoch zum Problem, als VW die Motorenlieferung einstellte, um die Verkaufszahlen seines seit 1950 angebotenen eigenen Nutzfahrzeuges, des „Typs 2“ zu steigern. Diesem Lieferstopp folgte 1952 das Ende des „Matador“.

Dieser hatte zwei Nachfolger, die aber nicht an seine Erfolge anknüpfen konnten. Da war zum einen der „Matador 1400“, der wie der „Matador“ einen vierzylindrigen Viertaktmotor hatte, geliefert von Heinkel und nicht von VW. Und dann war da der „Matador 1000“, der sich wie die Dreiräder mit einem Zweitakter zufriedengeben mußte. 1953 rückte zwischen dem „Matador 1000“ und dem „Hanseat“ der vierrädrige „Wiking“ ins Programm, der ebenfalls von einem Zweitakter angetrieben wurde.

Im Jahre 1955 kam mit dem „Wiking 1“ und dem „Matador 1“ die nächste Generation. Beide Typen hatten eine fast identische Karosserie und unterschieden sich vornehmlich in der Motorisierung. Der „Wiking 1“ hatte einen zweizylindrigen Zweitakter und der „Matador 1“ einen vierzylindrigen Viertakter, beide jeweils von Heinkel. 1957 erhielt der „Matador 1“ einen stärkeren Motor, und in die damit breiter werdende Lücke zum „Wiking 1“ stieß der „Rapid“, dessen vergleichsweise schwacher vierzylindrige Viertakter vom britischen „Austin“ stammte. Seit Tempo 1953 die Lizenzproduktion des ebenfalls britischen „Land-Rovers“ für den Bundesgrenzschutz aufgenommen hatte, hatte das Unternehmen den Kontakt zu den Briten nie abreißen lassen.

1963 kam dann die letzte „Tempo“-Generation, die nur noch aus dem stark modifizierten Einheitstyp „Matador E“ bestand. Dieses mit einem wassergekühlten vierzylindrigen Viertaktmotor vom „Austin“ ausgestattete Fahrzeug dürfte auch noch dem einen oder anderen unter den Jüngeren aus dem Straßenbild zu Kindheitstagen vertraut sein, wenn auch vielleicht schon statt mit dem „Tempo“- mit einem „Hanomag“-Logo.

Nachdem die Vidals bereits die eine Hälfte von Tempo an Hanomag verkauft hatten, trennten sie sich 1965 auch noch von der anderen. Die neuen Besitzer nahmen Tempo seine Eigenständigkeit und ließen Kapital wie Belegschaft in ihrem Unternehmen aufgehen. 1966 bekam das Ende von Tempo auch buchstäblich der Mann auf der Straße zu spüren. Auf dem „Matador E“ wurde das „Tempo“- durch das „Hanomag“-Emblem ersetzt.       Manuel Ruoff

Interessierten am „Tempo“ in Hamburg und Umgebung sei die kleine, aber nette Sonderausstellung „Tempo! Auf drei Rädern durch die Stadt“ empfohlen, in der ein „T 6“ und ein „Hanseat“ ebenso zu finden sind wie ein „Matador“ und ein „Boy“. Die Ausstellung wurde am 9. Oktober eröffnet und ist noch bis zum 12. April 2009 im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg, Telefon (040) 428133-0, Fax (040) 428133-330, www.museum-der-arbeit.de, E-Mail: info@museum-der-arbeit.de, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind montags 13 bis 21 Uhr, dienstags bis sonnabends 10 bis 17 Uhr und sonntags 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 6/4 Euro, der Katalog zur Sonderausstellung 19,80 Euro.

Foto: „Der wirtschaftliche Kleinlaster“:  Aus einem Prospekt nach der Produktion des 100000. Tempo-Fahrzeugs 1955.


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