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18.10.08 / Der 387-Prozent-Arbeiter / Vor 60 Jahren startete die SED eine unmenschliche Kampagne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Der 387-Prozent-Arbeiter
Vor 60 Jahren startete die SED eine unmenschliche Kampagne

Schon gehört? Hennecke ist tot.“ „Wie ist denn das passiert?“ „Er hat so lange gebuddelt, bis er im Westen rausgekommen ist. Dort haben ihn die Kumpel erkannt und erschlagen.“ Ein böser Witz zwar, doch Freunde hat der Bergmann Adolf Hennecke tatsächlich nur wenige gehabt. Vor 50 Jahren wurde er nach der Übererfüllung seines Arbeitssolls von den roten Machthabern in der Sowjetischen Besatzungszone zum „Helden der Arbeit“ stilisiert. Für die Werktätigen dagegen, denen er als Vorbild dienen sollte, war er ein „Russenknecht“ und „Normenbrecher“.

Bis zum 13. Oktober 1948 hatte der am 25. März 1905 im westfälischen Meggen geborene Hennecke fleißig, aber unauffällig seine Arbeit unter Tage verrichtet. Während in Westdeutschland das Wirtschaftswunder anlief, ließ der Aufschwung in der SBZ auf sich warten. Um die Wirtschaft auf Trab zu bringen, ordnete Walter Ulbricht im Herbst 1948 die Bildung einer „Aktivistenbewegung“ in den Betrieben an. Vorbild für diese Kampagne war die Stachanow-Bewegung in der Sowjetunion, mit der Stalin 1935 versucht hatte, die Arbeitsproduktivität zu steigern. Ihm diente der Bergmann Alexej Stachanow als Vorzeigearbeiter, der in einer Schicht 102 Tonnen Kohle gefördert hatte.

Nun sollte ein „deutscher Stachanow“ helfen, die stagnierende Kohleförderung in der SBZ anzukurbeln. Die Wahl fiel auf Adolf Hennecke. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 43 Jahre alt, von unscheinbarem Äußeren und von seiner jahrelangen schweren Arbeit gezeichnet. Mit den muskulösen Arbeiter-Heroen auf den Propaganda-Plakaten hatte er nichts gemein. Aber er war SED-Mitglied, hatte sogar eine Parteischule besucht, und vor allem war er der einzige, der sich nach einiger Überzeugungsarbeit für diesen Propaganda-Coup zur Verfügung stellte.

Am 13. Oktober fuhr Hennecke in den Karl-Liebknecht-Schacht des Zwickau-Oelsnitzer Steinkohlereviers ein und förderte in einer Schicht 24,4 Tonnen Kohle. Damit erfüllte er die Arbeitsnorm um stolze 387 Prozent. Daß eine optimale Abbaustelle ausgesucht und besonders vorbereitet worden war, verschwieg die Propaganda natürlich. Die Planübererfüllung des biederen Bergmanns wurde zum Auslöser der sogenannten Hennecke-Bewegung, die den Bergleuten höhere Leistungen bei gleichem Lohn abverlangte. Verständlich, daß seine Kollegen für den offiziell als „Helden der Arbeit“ Verehrten nur Spott und Verachtung übrig hatten.

Später wurde Hennecke Mitarbeiter der Staatlichen Planungskommission der DDR und Mitglied des Zentralkomitees der SED. Er starb am 22. Februar 1975 in Berlin und erhielt ein Ehrengrab in der Grabanlage „Pergolenweg“ der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin.           Jan Heitmann


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