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18.10.08 / Ihr Titel war blanker Hohn / Das KP-Zentralorgan »Prawda« wurde vor 100 Jahren gegründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Ihr Titel war blanker Hohn
Das KP-Zentralorgan »Prawda« wurde vor 100 Jahren gegründet

In ihrer Glanzzeit erschien die „Prawda“ (Wahrheit), das „Zentralorgan der Kommunistischen Partei der Sowjetunion“, in täglich 14 Millionen Exemplaren. Doch 1991 geriet sie finanziell ins Trudeln, seit 1996 gibt es sie nicht mehr. Gegründet wurde sie vor genau 100 Jahren, laut Julianischem Kalender am 3. Oktober 1908, laut Gregorianischem, den Rußland erst 1918 einführte, erst zwei Wochen später. Eben dieses Datum streiten aber viele Kommunisten noch immer ab, die den 5. Mai 1912 als Gründungstag ansehen. Warum?

Erst 1912 spalteten sich die seit Jahren verfeindeten Fraktionen der Russischen Sozialdemokratie, Lenins „Mehrheitler“ (Boschewiki) und die restlichen „Minderheitler“ (Menschewiken), in zwei Parteien. Zuvor hatten sie noch den Einheitsschein gewahrt, etwa in der 1908 entstandenen „Prawda“. Gründer und erster Chefredakteur war Leo Trotzki, später schärfster Gegner Josef Stalins, der ihn 1929 in die Türkei auswies und im August 1940 ermorden ließ. Zuvor hatte sich Trotzki schon mit Lenin um sein „Erstgeburtsrecht“ an der „Prawda“ gestritten und sogar die Führer der deutschen SPD als Schlichter bemüht – vergeblich.

Nach Lenins Revolution wurde die „Prawda“ wichtigstes ideologisches Sprachrohr, anders als das Regierungsorgan „Iswestija“ (Nachrichten). Was beide Blätter wirklich unterschied, hatte bereits früh der Dichter und Dramatiker Wladimir Majakowski in einem bissigen Wortspiel formuliert: „In der Prawda gibt es keine Nachrichten, in der Iswestija keine Wahrheit“. Zeit ihres Bestehens blieb die „Prawda“ eine langweilige Bleiwüste, von der mir in Moskau einmal ein hoher Funktionäre erklärte, wie man sie „richtig“ liest: „Seite eins: Die Führung führt weise. Seite zwei: Die Werktätigen arbeiten hart. Seite drei: Pläne werden rhythmisch erfüllt. Seite vier: Sowjetsportler siegten wieder“.

Ich habe damals sehr gelacht, dabei schätzte ich das Blatt: Wenn es mal wieder eine endlose Führerrede abdruckte und auf zwölf Seiten anschwoll, dann war es sehr leicht, den Wahrheitsgehalt zu ermitteln: Man mußte nur die Passagen lesen, hinter denen kein „Beifall“ vermerkt war, oder einfach die Absätze, die mit dem Wort „odnako“ (jedoch) begannen – da stand zuverlässig das drin, was stimmige Rückschlüsse auf Sowjetmiseren zuließ.

„Ick will nich in’ne Praffda“, ließ DDR-Autor Hermann Kant in seinem Roman „Das Impressum“ verärgerte Nachkriegs-Berliner sagen. Das war typisch: Außer westlichen „Kreml-Astrologen“ hat niemand das Blatt gern gelesen. Diese Antipathie machte sich 1991 die „Iswestija“ zunutze: Sie druckte das berühmte Bild „Lenin liest die Prawda“ und schrieb darunter: „So wird es jedem ergehen, der vergaß, die Iswestija zu abonnieren“.           Wolf Oschlies


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