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18.10.08 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Von Zecken und Elfen / Warum Politiker die ersten Gewinner der Krise sind und Verstaatlichung gar nicht mehr schlimm ist
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

Zugegeben, es hätte mich stutzig machen sollen, als die Sparkasse, deren Kunde ich bin, im vergangenen Sommer massiv für den Abschluß einer Zeckenversicherung warb. Aber als Kunde einer Sparkasse oder Bank ist man mittlerweile daran gewöhnt, daß die Jungs mit den breiten Nadelstreifen ständig neue Produkte entwickeln, von denen niemand weiß, wozu sie gut sein sollen. Warum sollten sie nicht versuchen, einen Deal mit einer Versicherung gegen Zeckenbisse zu machen? Vollkommen unpassend wirkte das schon damals nicht. Allerdings wird erst jetzt in der großen Krise so richtig klar, wie vorausschauend eine Versicherung gegen Blutsauger gewesen wäre.

Wir haben zum Glück das Wort unserer Kanzlerin. Das hält in dem Schlamassel aufrecht. Merkel und Kollegen schaffen das schon. Ganz locker mit 500 Milliarden.

Bevor die Welt nicht endgültig untergeht, produziert jede Krise Verlierer und Gewinner. Von den Verlierern sind schon etliche bekannt – und von sehr, sehr vielen anderen ist zu vermuten, daß sie auch dazu gehören. Da aber niemand gerne als Verlierer erkannt wird, tun viele so, als sei gar nichts.

Gewinner dagegen stellen sich gerne ins Licht. Da können zur Zeit gar nicht genug Schweinwerfer aufflammen, wenn einer politisch strahlend die Rüstung des Retters anzieht. Gerade einmal ein paar Tage ist es her, da war das Ansehen eines Berufspolitikers so sehr im Keller, daß jeder Gebrauchtwagenhändler mitleidig lächelte. Vertrauen zu Politikern? Zu deren Sachkenntnis? Pustekuchen! Zu deren Zuverlässigkeit? Pustekuchen! (Wie locker-flockig sich aus einem Wortbruch harte Fakten stricken lassen, das erlebt das staunende Publikum gerade in Hessen.) Zu sorgsamem Umgang mit dem Geld anderer Leute? Pustekuchen! (Schulden machen, um Schulden zu begleichen, das zeugt nicht gerade von Solidität).

Auffallende Widersprüche zwischen Wort und Tat ließen das Ansehen der Politiker unter Kartoffelkellerniveau absinken. Die Meinungsforscher von Allensbach fanden im Sommer dieses Jahres heraus: Nur noch sechs Prozent der Deutschen meinten, Berufspolitiker verdienten besondere Achtung. Kartoffelkellertiefer geht es kaum.

Und nun dieser wunderbare Abgrund von Krise! So wunderbar abgrundtief, daß gebeutelte Politiker selbst im schwarzen Kartoffelkeller noch ein Licht der Hoffnung erblicken.

Seit niemand mehr durchblickt, setzt man wieder auf diejenigen, die zumindest entschlossen in jedwede Kamera blicken. Ihnen wird wieder geglaubt. Aufs Wort. Weil alles andere nur noch viel schlimmer wäre.

Privatisierung des letzten öffentlich-rechtlichen Lokus, das war gestern. Die Strategie der Stunde lautet „Verstaatlichung“. Auf Dauer soll sie aber nicht sein. Der Steuerzahler soll nur so lange die Trümmer des Größenwahns beseitigen helfen, bis die Banker wieder richtig Kohle machen.

Nun allerdings fragt sich der Kleinsparer: Wo sind denn die Milliardengewinne abgeblieben, von denen die Banker ihre fetten Boni abzwackten? Der Kleinsparer hat eben keinen Durchblick, sonst würde er nicht solche dummen Fragen stellen. Die Gewinne sind futsch. Die Boni sind selbstverständlich eingesackt.

Eben genau dieser Kleinsparer ohne Durchblick ist es, der verunsichert grübelt, ob es denn nicht die unter staatlicher Aufsicht stehenden Landesbanken waren, die als erste hierzulande die Hosen runterlassen mußten, weil sie Milliarden verzockt hatten? Und nun sollen Politiker, die bereits an Bord waren, als diverse Kähne auf Grund liefen, andere Kähne wieder flott machen? Das verlangt Gottvertrauen.

Überhaupt Vertrauen. Nichts ist so wertvoll. Nichts ist so flüchtig. Das Vertrauen in die Banken brach schneller zusammen als die Kurse an der Börse. Zwei Sätze beten gegenwärtig Banker und Politiker als Mantra: Merksatz 1: „Ihr Geld ist absolut sicher. Unsere Einlagensicherung …. “ Merksatz 2: „Die Banken trauen sich nicht mehr untereinander. Wir müssen das Vertrauen wieder herstellen.“

Das Merkwürdige an der Sache ist: Je häufiger er diese Sätze hört, desto weniger vertraut der Kleinsparer deren Aussage.

Vertrauen setzt Verständnis voraus. Jedenfalls in der Regel. Aber nach welchen Regeln die Dinge in dieser Krise ablaufen, das entzieht sich dem allgemeinen Verständnis. Zum Beispiel die Sache mit den Bürgschaften und Kapitalspritzen. Die stellt unser Finanzminister ebenso in Aussicht wie etliche seiner Kollegen. Unser Finanzminister hat – wie seine Kollegen – kein Geld. Das hat er uns in der Vergangenheit immer wieder nachdrücklich klar gemacht. Nun will er von dem Geld, das er nicht hat, Milliarden an die Banken geben, die zwar Geld haben, es aber nicht rausrücken wollen. Jedenfalls nicht für andere Banken.

Um die Kröten für die Bürgschaften und Kapitalspritzen für die Banken locker zu machen, braucht unser Finanzminister also zusätzliches Geld. Wo bekommt er das bloß auf die Schnelle her?

Vermutlich von den Banken. Bei denen ist er als Kunde bestens bekannt, schließlich steht er dort ohnehin tief in der Kreide. Wenn er dann auf die astronomisch hohen Schulden noch ein paar neue Schulden draufgesattelt hat,  kann er das Geld an die Banken weitergeben. So etwas nennt man Geldwirtschaft – und die hat, wie wir in letzter Zeit lernen mußten, mit der Realwirtschaft nichts zu tun.

Realwirtschaft ist, wenn man was schafft. Wer bei der Arbeit schafft, der schwitzt (gelegentlich) dabei. Wer in der Geldwirtschaft handelt, der kennt ausschließlich (aber momentan ständig) den Angstschweiß.

Auf Grundlage dieser schlichten Definition ist weiter zu fragen: Und was ist dann Geldwirtschaft? Phantasialand? Nach allem, was sich vor uns auftut, kommt das der Sache schon ziemlich nahe. Wir haben lange Zeit nur nicht begriffen, daß die phantasiebegabtesten Märchenerzähler als Berufskleidung dunklen Anzug tragen und in Glaspalästen sitzen. Dort entwickelten sie statt realer Produkte zauberhafte Finanzprodukte. Von solchen Zauberkugeln haben Märchenerzähler immer reichlich: Voller schönster Versprechen tanzen da auf den Charts die Kurven immer aufwärts, es ist nicht zu begreifen. Das Unbegreifliche nannte man dann „komplex“. Je unbegreiflicher, desto komplexer, je komplexer, desto größer die Versprechen. Die Märchenerzähler versprachen den unerschöpflichen Goldesel, vorausgesetzt, man füttere ihn nur ausreichend mit vielen Euros.

Erst war der Goldesel komplex, jetzt sind alle Esel perplex. Sie fragen sich perplex, wohin all die schönen Billionen entschwanden. So unbegreiflich wie die komplexe Geldvermehrung, so unbegreiflich sind die Abgründe, die sich plötzlich auftun. Sollen wirklich allein leichtfertige Häuslebauer in den USA dies alles angerichtet haben? Sollen sie allein dieses Schwarze Loch des Geldes mit der Baugrube gebuddelt haben?

Über die wundersame Vermehrung des Geldes konnte man so ziemlich alles erzählen. Über den wundersamen Schwund des Geldes herrscht Schweigen. Dabei ist er nicht weniger märchenhaft: Schuld sind die Elfen. Weshalb ist Island sonst wohl der erste Staat,  dem der Bankrott droht? In Island kennt man sich aus mit Elfen und Trollen. Deshalb gibt es dort – ganz offiziell – Elfenbeauftragte. Die prüfen jeden Bauplatz, ob er nicht bereits von einer Elfe belegt ist. Ist das der Fall, wird von einem Bauantrag abgeraten.

Wer sagt denn, daß diese isländischen Banken, bei denen der Kleinsparer heute nicht mehr an sein Geld kommt, sich nicht skrupellos über das Elfen-Gebot hinwegsetzten und auf Elfenland bauten? Was in solch einem Fall passiert, ist schließlich auch bekannt: Unglück über Unglück.

Das glauben Sie nicht? Andere haben noch ganz andere Sachen vor der Krise geglaubt.


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