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25.10.08 / Unterschiedliche Welten / Viele private Universitäten haben die Erwartungen nicht erfüllt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Unterschiedliche Welten
Viele private Universitäten haben die Erwartungen nicht erfüllt
von George Turner

Für fast zwei Millionen Studenten hat in diesen Tagen das Wintersemester begonnen. Für die Preußische Allgemeine Zeitung ein Anlaß, das Verhältnis von staatlichen und privaten Hochschulen in den Blick zu nehmen.

Wenig Schmeichelhaftes hat der Wissenschaftsrat gerade der „European School of Management and Technology“ (ESMT) in Berlin ins Stammbuch geschrieben. Voller Hoffnung und Erwartungen hatten 2002 25 deutsche Wirtschaftsunternehmen und Verbände die ESMT-Stiftung mit dem Ziel des Aufbaus einer internationalen Managementschule in Deutschland gegründet. Seit dem 9. Januar 2006 läuft der Studienbetrieb in Berlin. Nicht nur die Spitzenrepräsentanten der Gründerunternehmen, darunter Allianz, Deutsche Bank, Eon und Siemens waren 2006 bei der Eröffnungsveranstaltung dabei. Auch die Bundeskanzlerin adelte die neue Kaderschmiede, die sich gern „Harvard an der Spree“ nennen ließ, mit ihrer Anwesenheit. In zehn Jahren wollte man zu den „Top 10“ in der Welt gehören. Sechs Jahre sind verstrichen, die ersten vornehmlich mit dem Umbau des früheren DDR-Staatsratsgebäudes. Was wurde da nicht alles herumschwadroniert! Die deutschen Universitäten bildeten keine Spitzenkräfte aus; die müsse man bisher aus dem Ausland holen und deshalb brauche man eine solche Einrichtung, ließ sich der frühere Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, vernehmen. Wobei er im Einzelfall recht haben mag: Er ist Absolventen einer deutschen Universität, sein Nachfolger kommt von St. Gallen. Kritische Fragen wurden abgebügelt, die Berliner Universitäten mehr oder weniger als nicht satisfaktionsfähig übergangen. Jetzt kommt die Quittung. Der Wissenschaftsrat erteilt schlechte Kopfnoten: Das Vorhaben sei „ambitioniert“, „ehrgeizig“, aber „nicht realistisch“. Der Managementaspekt werde durch die bisherigen Professoren „nur unzureichend abgebildet“. Fehlende Profilbildung, eine zu unklare Programmstrategie, mäßige Forschungsleistungen.

Daß der Wissenschaftsrat sich gegen ein eigenständiges Promotionsrecht ausgesprochen hat, ist für die ESMT zwar bitter, nährt aber die Hoffnung, daß in anderen Fällen vergleichbar restriktiv verfahren wird. Ein klares Halt gegenüber den Fachhochschulen wäre dabei ein wichtiges Signal. Politische Mandatsträger sind da bereits weniger stabil.

Die vom Wissenschaftsrat aufgelisteten Defizite sind nicht der derzeitigen Leitung und dem aktuellen Lehrkörper anzulasten. Es sind Geburtsfehler.

Die leisteten sich auch die Väter des „Stuttgart Institute of Management and Technology“ (SIMT). Diese einst ebenfalls hochgejubelte Mini-Gründung ist sanft entschlafen. Dann war da noch die sogenannte „International University“ in Bruchsal, ein besonders krasses Beispiel für den schmalen Grad zur Hochstapelei mit einer Präsidentin, die aus Frust über die Nicht-Wiederwahl als Rektorin an der Universität Stuttgart ihr Heil auf dem Privatsektor suchte. Und wer glaubt, Witten-Herdecke sei ein Erfolgsmodell, verwechselt Vorstellung und Wirklichkeit. Personen mit guter Gedächtnis erinnern sich: Konrad Schilly prahlte damit, kein öffentliches Geld zu fordern. Als es klamm wurde, mußte Nordrhein-Westfalen einspringen.

Es ist ja nicht so, daß das Gründen und Managen von Hochschulen eine Geheimwissenschaft wäre; aber in einigen grundsätzlichen Aspekten unterscheidet es sich schon von der Leitung eines Unternehmens. Das sind die rechtlichen Grundlagen, zum Teil mit sehr einschränkendem Charakter, was Gestaltungsmöglichkeiten angeht. Das Ziel ist nicht Gewinnmaximierung, sondern bestmögliche Leistungen in Forschung und Lehre bei optimalem Einsatz der finanziellen Mittel. 

Warum gibt es Mißverständnisse zwischen Topmanagern und Universitäten? Der Hauptgrund liegt in dem fehlenden Gespür mancher Wirtschaftsvertreter für die Besonderheiten von Hochschulen. Damit sind nicht etwa Gremienstruktur und Organisation gemeint. Forschung und Lehre, und diejenigen, die beides verkörpern, sind auch keine besondere Spezies, die unter Artenschutz gehört. Aber die Arbeitsweise ist anders als in Unternehmen oder Behörden. Routine läßt sich nach klaren Zielen und zeitlichen Vorgaben organisieren. Neue Ideen und Innovationen und diejenigen, von denen man sie erwartet, nur bedingt.

 

Professor George Turner war von 1979 bis 1983 Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz und von 1986 bis 1989 Senator für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin. Es ist gebürtiger Insterburger.

Foto: Ein Bild aus besseren Tagen: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (l.) im Jahr 2004 bei der Übergabe des Schlüssels für die private Hochschule ESMT an Gerhard Cromme. Inzwischen sind die Vorschußlorbeeren verwelkt.

 

Zeitzeugen

Wilhelm v. Humboldt – Der preußische Reformer (1767–1835) hat wie kein anderer das deutsche Bildungsideal der letzten zwei Jahrhunderte beeinflußt. Der vom Humanismus geprägte Mitbegründer der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin forderte für die Hochschulen die Freiheit und Einheit von Forschung und Lehre sowie die Vermittlung von Allgemeinbildung und den Fertigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens in Abgrenzung zur Berufsausbildung. Dieses Ideal ist heute nicht mehr unumstritten und wird gerade von den privaten Hochschulen in Frage gestellt.

 

Annette Schavan – Die aus dem Rheinland stammende CDU-Politikerin ist seit 2005 Bundesministerin für Bildung und Forschung. Sie zeichnet maßgeblich verantwortlich für die „Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen“. Während nach der Kulturrevolution der 68er Elitebildung in der Bundesrepublik verpönt war, zielt die Initiative erklärtermaßen auf die Förderung von Spitzenforschung.

 

Otto Beisheim – Der 1924 in Voßnacken bei Essen geborene deutsche Kaufmann, Unternehmer und Gründer des Metro-Konzerns ist auch als Mäzen aktiv. So spendete er nicht nur im Umkreis seines Wohnsitzes in Rottach-Egern für mehrere Kindergärten, Rettungswagen und Sportvereine, sondern förderte auch das deutsche Hochschulwesen. Dabei kam die private „WHU – Otto Beisheim School of Management“ ebenso in den Genuß seiner Förderung wie die staatliche TU Dresden, an deren wirtschaftswissenschaftlicher Fakultät es eine „Prof. Otto Beisheim Stiftung“ gibt.

 

Gerd Bucerius – Der erfolgreiche Unternehmer war 1946 Gründungsherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“ und später auch Verleger des Stern. 1971 gründete er die „Zeit“-Stiftung, die der 1995 Verstorbene als Alleinerbin bestimmte. Die Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung‚ Bildung und Erziehung sowie Kunst und Kultur und gründete 2000 mit der „Bucerius Law School“ die bislang einzige private Hochschule für Rechtswissenschaft in Deutschland.


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