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01.11.08 / Ost-Deutsch (89): Was ist das?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Ost-Deutsch (89):
Was ist das?
von Wolf Oschlies

Der (vermutlich) berühmteste Germanismus im Osten findet sich in Puschkins Versroman „Eugen Onegin“, wo es in Kapitel 1, Vers 35, heißt: „I chlebnik, nemec akkuratnyj, / v bumashnom kolpake, ne ra / ush otvorjal svoj vasisdas“. Dieses „vasisdas“ hat Übersetzer zu Hauf’ zur Verzweiflung getrieben, denen als Reim darauf zumeist nur „ohn’ Unterlaß“ einfällt. Ungereimt heißt der Vers: „Und der Bäcker, ein akkurater Deutscher in einer Papiermütze, hat schon mehrfach sein Vasisdas geöffnet“, nämlich sein Dachfenster.

In Max Vasmers „Etymologischen Wörterbuch der russischen Sprache“ wird das Wort erklärt: „Vasisdas – Guckfenster (bei Puschkin und anderen verwendet), übernommen aus dem Französischen vasistas, abgeleitet vom deutschen Was ist das?“ Stimmt genau, sagen die Franzosen: „Un vasistas est une ouverture aménagée dans une fenêtre ou dans une porte“ – Ein Vasistas ist eine Öffnung, angebracht in einem Fenster oder einer Tür“. Es stammt von der deutschen Frage „Was ist das?“, die vorsichtige Deutsche angeblich immer erst durchs „guichet“ (Guckfenster) stellen, bevor sie die Tür öffnen. 1776 soll es erstmalig bei unseren Nachbarn aufgetaucht sein, behauptet deren berühmter Linguist Alain Rey. Inzwischen hat es sich modernisiert: Auch unser „Spion“, das knopfgroße, linsenverstärkte Gucklöchlein an der Tür, ist den Franzosen der „Vasistas“.

Ähnlich ist es bei den östlichen Nachbarn. Bei Tschechen brachte unlängst eine Pop-Gruppe den Song „Was ist das“ heraus. Auch deutschen Politikern und vor allem deutschen Touristen legen tschechische Karikaturisten diese Frage gern in den Mund, was wohl zutreffend ist.

Ähnliche Erfahrungen mit deutschen Touristen haben Kroaten, wie eine Karikatur von Felix verrät. Felix ist Srecko Puntaric, der seit Jahren im Zagreber „Vecernji list“ (Abendblatt) seinen frechen Pinsel schwingt.

Einmal hat er zwei Männer an der Küste porträtiert, einen Deutschen mit der Frage „Was ist das?“ Darauf der Kroate kroatisch: „Das ist nichts, Fremder. Es ist eine kroatische Insel, die unverkäuflich ist“. Was für alle 1246 kroatischen Inseln gilt, auch wenn nur 47 von ihnen bewohnt sind.


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