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01.11.08 / Mit ihm kam und ging die »Neue Ära« / Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen war erst Staatschef eines Kleinstaates und dann Regierungschef einer Großmacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Mit ihm kam und ging die »Neue Ära«
Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen war erst Staatschef eines Kleinstaates und dann Regierungschef einer Großmacht

Am Beginn der Regierungszeit des preußischen Prinzregenten und späteren Königs Wilhelm I. steht eine liberale Phase, die „Neue Ära“. Sie begann mit der Berufung des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen Karl Anton zum Ministerpräsidenten vor 150 Jahren und endete mit dessen Entlassung.

Wohl niemand hätte an der Wiege Karl Antons geglaubt, daß aus dem Prinzen einmal Preußens Ministerpräsident werden würde. Statt dessen wurde er als einziger Sohn des Erbprinzen und späteren Fürsten Karl von Hohenzollern-Sigmaringen dazu erzogen, als Nachfolger seines Großvaters und seines Vaters einst die Herrschaft in dem süddeutschen Kleinstaat zu übernehmen. Am 7. September 1811 kam er im Schloß Krauchenwies bei Sigmaringen zur Welt. Im Rahmen seiner Ausbildung, zu der auch juristische Studien in Genf, Tübingen, Göttingen und Berlin gehörten, lernte er seinen späteren Landesherrn, den Prinzen Wilhelm, in der preußischen Hauptstadt kennen. Der katholische Hohenzollernprinz aus dem Süden und der protestantische aus dem Norden freundeten sich an.

Als 1848 die Revolution ausbrach, reagierte Karl Antons Vater, mittlerweile Herrscher, mit Abdankung. Er überließ die Regierungsgeschäfte seinem liberalen Sohn. Ob seines Liberalismus mußte Karl Anton um so enttäuschter sein, daß sich die Revolution nun auch gegen ihn richtete. Zeitweilig verließ er sogar seinen Staat.

Die 48er Revolution scheiterte, und Karl Anton kam wieder zurück. Aber er war gekränkt und hatte die Lust am Regieren verloren. So trat er an seine Verwandtschaft in Berlin heran und bot ihr seinen Staat an. Die Preußen griffen zu. Erleichtert wurde Karl Anton der Verzicht dadurch, daß er durch die Revolutionäre nicht nur seine Herrschaft, sondern auch seine Besitztümer in Hohenzollern-Sigmaringen in Frage gestellt gesehen hatte. Für den Verzicht auf die Herrschaft garantierten ihm die Preußen seine Eigentumsrechte. Hinzu kam eine Jahresrente. Aber auch altruistische Gründe scheinen eine Rolle gespielt zu haben, glaubte Karl Anton doch, in Preußen den Kernstaat eines zukünftigen deutschen Nationalstaates vor sich zu haben. 1849 erfolgte die Vertragsunterzeichnung, 1850 die Ratifizierung.

Karl Anton entschied sich für eine militärische Karriere in dem Staate, dem seine Heimat nun angehörte. Seine Laufbahn führte den Fürsten auch an den Rhein, wo er die Freundschaft mit Prinz Wilhelm pflegen konnte, der als Militärgouverneur der Provinzen Rheinland und Westfalen in Koblenz seinen Sitz hatte.

Nach der psychischen Erkrankung seines älteren Bruders Friedrich Wilhelm IV. übernahm Prinz Wilhelm am 7. Oktober 1858 offiziell die Regentschaft. Einen Monat später entließ der Prinzregent den noch von seinem Bruder eingesetzten konservativen Ministerpräsidenten Otto Theodor von Manteuffel samt dessen ganzem Kabinett und berief an dessen Stelle seinen liberalen Freund und Verwandten Karl Anton.

Der Liberalismus in Preußen witterte Morgenluft und fühlte sich durch die Ernennung des dezidierten Liberalen Karl Anton in seiner Hoffnung bestätigt. In dieser Euphorie übersahen die Liberalen Wilhelms Warnung in seinem Regierungsprogramm vor der „Phrase, daß die Regierung sich fort und fort treiben lassen müsse, liberale Ideen zu entwickeln“. Wie beschränkt Wilhelms liberale Neigungen waren, sollte der Heereskonflikt zeigen.

Wilhelm I. wollte das Heer vergrößern. Damit allein stieß er bei den Liberalen auf keinen Widerstand. Die Vergrößerung der Armee hatte mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt gehalten, und die Wehrgerechtigkeit war dadurch in Gefahr. Zudem war Preußen damals ein Hoffnungsträger des Liberalismus und durfte von daher in den Augen von Preußens Liberalen ruhig stark sein. Umstritten war hingegen, wem die Stärkung zugute kommen sollte, der Linie oder dem Landsturm. Die Linientruppen standen in der Tradition des stehenden Heeres aus der Zeit des Feudalismus, das sich bei Jena und Auerstedt als anachronistisch erwiesen hatte. Sie waren ein Instrument des Königs. Der auf die Befreiungskriege zurückgehende Landsturm hingegen war ein Kind der preußischen Heeresreform. Er war ein Bürgermilitär in der Tradition der Levée en masse (Massenaushebung) der französischen Revolution. Wilhelm wollte eine Stärkung seines Machtinstrumentes, die im Abgeordnetenhaus dominierenden Liberalen eine Stärkung des Bürgermilitärs. Und Karl Anton stand dazwischen und versuchte den Spagat. Erschwert wurde dieser Versuch durch die Abgeordnetenhauswahlen vom 6. Dezember 1861, die einen Linksruck brachten. Dem Wähler ging die Konzessionsbereitschaft des rechtsliberalen Flügels, auf den der Regierungschef sich stützte, gegen­über dem Prinzregenten zu weit und er wählte verstärkt linksliberal.

Der Prinzregent versuchte die stärkste Waffe des Parlamentes, das Etatbewilligungsrecht, dadurch zu entschärfen, daß er dem Abgeordnetenhaus unspezifizierte Etatentwürfe vorlegen ließ, in denen er nach ihrer Bewilligung eigene Schwerpunkte setzen konnte. Das Parlament reagierte darauf mit der Aufforderung an die Regierung, den Etat stärker zu spezifizieren. Wilhelm nun wiederum reagierte hierauf am 11. März 1862 mit der Auflösung des Parlaments und der Entlassung der liberalen Regierungsmitglieder einschließlich des Ministerpräsidenten und ihrer Ersetzung durch Konservative. Die „Neue Ära“ war zu Ende.

Der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen ging zur Armee zurück. 1859 wurde er Militärgouverneur von Westfalen, 1863 auch der Rheinlande. Zunehmend plagte ihn nun ein Gichtleiden. Während des Krieges gegen Dänemark von 1864 war er zumindest zeitweise im preußisch-österreichischen Hauptquartier. Während des Krieges gegen Österreich von 1866 hatte er die Aufgabe, von seinem Militärgouverneurssitz in Koblenz aus die Operationen der Mainarmee im Rücken zu sichern. Für seine Verdienste erhielt er den Pour le Mérite. Bis zum Dritten Einigungskrieg hatte sich der Gesundheitszustand des Fürsten bereits derart weit verschlechtert, daß er am Krieg gegen Frankreich nicht mehr teilnehmen konnte. Auch die Teilnahme an der Kaiserproklamation in Versailles blieb ihm verwehrt.

Währenddessen war sein Nachwuchs groß geworden. 1866 wurde sein zweitältester Sohn Karl Eitel Friedrich zum Herrscher Rumäniens gewählt. Die Empfehlung für diese Wahl stammte von Napoleon III. Der Kaiser der Franzosen war in vielfältiger Weise mit Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen verwandt. So war die Mutter des Fürsten, Antoinette Murat, eine Nichte der jüngsten Schwester Napoleons I., Caroline Bonaparte. Und die Ehefrau des Fürsten, Prinzessin Josephine Friederike Louise von Baden, war die zweite Tochter des Großherzogs Karl Ludwig und der Prinzessin Stéphanie de Beauharnais, der Adoptivtochter Napoleons I.

Aufgrund dieser familiären Bande glaubte Karl Anton, daß auch die Kandidatur seines ältesten Sohnes Leopold für den spanischen Thron Napoleons III. Zustimmung finden würde. Dem war aber nicht so. Verschreckt zog der Fürst im Namen seines Sohnes die Kandidatur zurück. Den Frieden retten konnte der Fürst dadurch allerdings nicht.

Im Deutsch-Französischen Krieg klagte er: „Mein militärisches Wissen und Können ist durch meine Invalidität auf die härteste Probe gestellt – ich muß zurückbleiben, wo alle Geschlechter Deutschlands ihren höchsten Ehrgeiz darin finden, Blut und Leben für Deutschlands Ehre einzusetzen … Sowie die Campagne aus ist, reiche ich meinen Abschied ein – es ist nicht möglich, der Armee anzugehören, ohne Lorbeer und Gefahr mit ihr getheilt zu haben.“ Den Worten folgten Taten. Bereits am 15. April 1871 wurde er von dem Militärgouverneursposten entbunden. Er zog sich auf das Residenzschloß in Sigmaringen zurück, auf dem er einen langen Lebensabend verbrachte. Am 2. Juni 1885 verstarb der letzte regierende Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen.       Manuel Ruoff


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