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01.11.08 / Königsbergs Tram droht das Aus / Und das Oberleitungsbus-Netz der ostpreußischen Hauptstadt wird ausgedünnt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Königsbergs Tram droht das Aus
Und das Oberleitungsbus-Netz der ostpreußischen Hauptstadt wird ausgedünnt

Die Straßenbahn könnte bald aus dem Stadtbild von Königsberg verschwinden. Nach dem Willen der Stadtplaner soll die Tram – sehr zum Mißfallen ihrer Fans – wirtschaftlichen Interessen weichen.

Die Königsberger Straßenbahn ist eine der ältesten der Welt. Seit Mai 1895 rattert sie über die Straßen der Stadt. Lediglich in den Nachkriegsjahren vom Mai 1945 bis zum 7. November 1947 war ihr Betrieb unterbrochen. Seit geraumer Zeit hängt über der Königsberger Straßenbahn jedoch das Damoklesschwert. Schon bald könnte sie ganz der Geschichte angehören. Und das, obwohl bereits erhebliche Mittel für die Erneuerung von Schienen ausgegeben wurden, die demnächst ganz herausgerissen werden könnten.

Im Interesse der Wirtschaftlichkeit wurde in den vergangenen Jahren ein Großteil des Straßenbahnnetzes zerstört. An seiner Stelle wurde der Busbetrieb ausgebaut, Straßenbahnschienen mußten zwecks Erhöhung der Durchfahrtkapazität der Königsberger Straßen weichen. Die Straßen leiden seit langem unter einem hohen Verkehrsaufkommen. Seit dem Jahr 2005 wurde das Straßenbahnnetz immer weiter eingeschränkt. Damals gingen die Mitarbeiter des Straßenbahndepots sowie Königsberger Rentner auf die Straße, um dagegen zu protestieren, doch sie fanden wenig Gehör. Zuerst wurden während der Vorbereitungen für die 750-Jahrfeier Königsbergs die Schienen auf der Cranzer Allee (Alexander-Newskij-Straße) und der Königsallee (Gagarinstraße) demontiert, danach die auf der Stresemannstraße (Sowjetskij-Prospekt) und im Baltischen Rajon. Ganze Straßenbahnlinien wurden stillgelegt.

Auf der Herzog-Albrecht-Allee (Thälmannstraße) sollen bald ebenfalls die Schienen entfernt werden, an ihrer Stelle wird ein Radweg gebaut. Man könnte fast meinen, daß die Verantwortlichen die Bürger zu mehr sportlicher Betätigung anregen wollen, denn ab dann wird es schwieriger, vom Stadtrand ins Zentrum zu gelangen.

Streit gibt es auch um eine weitere umweltfreundliche Transportart: den Oberleitungsbus. Zwar wurde mit der Nr. 7 eine neue Linie eingerichtet, dafür hatte man zuvor drei andere Linien stillgelegt.

Von den Stillegungen ganzer Straßenbahn- und Oberleitungsbuslinien profitieren vor allem die Betreiber privater Busunternehmen. Für sie bieten sich neue Möglichkeiten, während durch die Stillegungen ihrer Linien Straßenbahn- und Oberleitungsbusgesellschaften Verluste einfahren. Die für diesen Prozeß verantwortlichen Beamten betonen immer wieder, daß die Straßenbahn ein veraltetes Transportmittel sei, unbequem und unwirtschaftlich. Doch nicht nur sie sprechen sich für die Entfernung der Straßenbahn aus, sondern auch Autofahrer, die sich durch die Straßenbahn behindert fühlen. Dabei entstehen die Staus auf den Straßen der Stadt durch das hohe Aufkommen an Bussen und Minibussen, die mit zehn bis 15 Stundenkilometern vorankriechen und dabei sämtliche Verkehrsregeln mißachten. Letzteres natürlich wegen des Fahrplans, der unbedingt eingehalten werden muß. In keiner anderen Stadt der Russischen Föderation gibt es solch ein Durcheinander wie in Königsberg, obwohl auch in anderen Städten jedes Busunternehmen Fahrpläne einzuhalten hat. In Königsberg schieben sich zudem Busse über die Straßen, die mit hohen Emissionen die Umwelt schädigen – im Gegensatz zur sauberen Trambahn. Im übrigen Europa, das die Königsberger gerne als Vorbild nehmen, verzichtet man nicht auf sie. In Elbing zum Beispiel wird das Straßenbahnnetz sogar ausgebaut. Die Straßenbahn wird dort mit Unterstützung der Europäischen Union (EU) gehegt und gepflegt. Seit 1997 läuft ein Programm zur Förderung ökologischer Transportformen.

Zum Tag der Stadt am 13. Ok­tober wurde der Königsberger Iwan Krawtzow ausgezeichnet, der sich um die Entwicklung umweltfreundlicher elektrischer Verkehrsmittel verdient gemacht hat. Die Ehrung paßt nicht recht in die gegenwärtige Lage, in der die Straßenbahn sehr wahrscheinlich in Königsberg verschwinden wird. Jurij Tschernyschew

Foto: Königsbergs Straßenbahn: Wie an vielen ihrer bundesdeutschen Pendants scheiden sich auch an ihr die Geister.


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