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01.11.08 / »Stadt der Nasen« / In Grasse, der Stadt des Parfums, recherchierte Patrick Süskind für seinen Roman

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

»Stadt der Nasen«
In Grasse, der Stadt des Parfums, recherchierte Patrick Süskind für seinen Roman

Die provencalische Stadt Grasse ist berühmt für ihre Parfumindustrie. Rund 4000 Menschen sind heute dort beschäftigt. Doch auch Laien können in die Welt der „Nasen“ eintauchen.

Die „Domaine de Manon“ findet der Besucher auch mit geschlossenen Augen. Je näher er ihrem im Weichbild der Stadt Grasse gelegenen „Zaubergarten“ kommt, um so betäubender wird der Duft nach Rosen und Jasmin. Riesige Blumenfelder dehnen sich bis an den Horizont. „Kommen Sie herein, meine Herrschaften“, ruft Manon, eine kleine lebhafte Frau. Während sie uns durch ihr Reich der Düfte führt, erklärt sie die Faszination ihrer „Rose Centifolia“, die auch Mairose genannt wird. „Diese Spezies kann zwar optisch nicht mit einer Baccara konkurrieren“, erklärt Manon, „dafür duftet sie aber himmlisch.“ Ihre Rosen sind begehrte Objekte der heimischen Parfumindustrie. Genauso wie ihr einzigartiger Jasmin, der einen nahezu narkotischen Duft verströmt. „Diese Pflanze ist sehr empfindlich“, erklärt Manon und zupft an einer der weißen Blüten mit dem dottergelben Stempel. „Den Jasmin grandiflorum muß man in den frühen Morgenstunden ernten, just dann, wenn er seine Blüten öffnet.“

Einer der heute berühmtesten Besucher von Grasse war der Schriftsteller Patrick Süskind. Vor Ort recherchierte er akribisch für seinen Roman „Das Parfum“. Diese Stadt sei „ein Rom der Düfte, das gelobte Land der Parfumeure“, läßt er darin den Pariser Parfümeur Giuseppe Baldini schwärmen. Erfunden wurden die verführerischen Düfte allerdings nicht hier. Bereits die alten Ägypter verfügten schließlich schon über raffinierte Rezepturen.

Ursprünglich war Grasse das Zentrum der Lederindustrie und Handschuhmanufaktur in Frankreich. Als Katharina von Medici, die Florentinerin auf dem französischen Thron, im 17. Jahrhundert damit begann, ihre Handschuhe zu parfümieren, eilten Parfumeure aus allen Teilen des Landes herbei und siedelten sich in Grasse an.

Im Herzen der Stadt steht ein bronzenes Monument, das einen Mann darstellt, der von Kopf bis Fuß mit Lederlappen und Parfumflacons behängt ist. In unmittelbarer Nähe zieht eine anmutige Figurengruppe aus weißem Marmor die Blicke auf sich. Sie ist Jean-Honoré Fragonard (1732–1806) gewidmet, dem Maler des Rokoko und größtem Sohn der Stadt. Im Jahre 1926 befand der  Parfümeur Eugène Fuchs, daß Fragonard durchaus der passende Name für sein aufstrebendes Unternehmen sei. Seitdem residiert die „Parfumerie Fragonard“ in einem eleganten pastellfarbenen Gebäude mitten in Grasse. „Kreieren Sie Ihr eigenes Parfum“, lautet die Devise des Hauses, das neben der Herstellung feiner Düfte auch seine Gäste ermutigt, selbst den Parfümeur zu spielen. Keine leichte Aufgabe, wie sich bei einem Kursus in der Rue Jean-Jacques-Rousseau 29 zeigt.

Eine muntere kleine Gruppe von Parfümeur-Aspiranten – fünf Frauen und zwei Männer – hat sich zusammengefunden. Vor jedem Teilnehmer steht eine Auswahl von Flacons mit verschiedenen Duftstoffen, die sogenannte „Duftorgel“. An einer Tafel erläutert Kursleiterin Corinne die Hauptkomponenten für einen Duft. Die charmante dunkelhaarige Frau ist eine langjährige „Nase“ des Hauses Fragonard. So werden in der Branche die kreativen Mitarbeiter genannt, die ein unfehlbares Gespür für Duftkompositionen besitzen.

„Bevor Sie damit beginnen, Ihren eigenen Duft zu komponieren, erkläre ich Ihnen erst einmal die olfaktorische Pyramide, die die Struktur eines jeden Parfums ausmacht“, sagt sie. „Da ist zunächst die Kopfnote. Das ist der Duft, den wir zuerst wahrnehmen. Ganz oben steht das Aroma von Zitrus, das aus Limone, Bergamotte, Orange und Neroli extrahiert wird.“ Die Herznote, so erfahren die Kursteilnehmer, entfaltet sich frühestens 15 Minuten nach dem Auftragen auf der Haut. Sie wird im wesentlichen aus Jasmin, Maiglöckchen, Rose, Magnolie, Geißblatt und Veilchen destilliert. „Bleibt nur noch die Grundnote, die so stark ist, daß ihr Duft bis zu 24 Stunden anhalten kann. Ich nenne Ihnen nur einige Rohmaterialien: Eichenmoos, Moschus, reines Rosenöl und Sandelholz. Ein Duft besteht zu 15 Prozent aus dieser Basisnote“, schließt Corinne ihren Vortrag.

Mit einer Pipette füllen die Kursteilnehmer nun – wohldosiert – Orangenblüte und Neroli in einen kleinen Meßbecher. Noch ein paar Tropfen Limone. Dann schnuppert jeder an seiner „Mouillette“ – einem Papierstreifen – ob der Duft ihm genehm ist. Mit diesen drei Ingredienzien ist er eher etwas ätzend. „Zu citruslastig“, befindet Corinne, „nehmen Sie ein wenig Koriander. Das rundet das Aroma ab. Experimentieren Sie!“ Nach gut einer Stunde haben alle Teilnehmer ihr eigenes Parfum im Meßbecher. Der Inhalt wird in einen hübschen Glasflacon abgefüllt und mit einem Etikett beklebt, das einen selbst gewählten Namen trägt.

Ralph aus dem Wallis hat seines schlicht „Eau de Toilette“ getauft. „Ein Eau de Toilette“, meint Corinne, „ist dieser Duft nicht gerade, eher ein Eau de Cologne“, und erklärt zum Schluß noch den Unterschied zwischen Eau de Cologne, Eau de Toilette, Parfum und Eau de Parfum: „Während Eau de Cologne lediglich einen zweiprozentigen Anteil von Parfumöl enthält, steigt dieser beim Eau de Toilette auf acht bis zwölf Prozent. Eau de Parfum hat bereits einen Anteil von 16 Prozent, und reines Parfum oder der Extrakt enthält sogar zwischen 18 bis 24 Prozent. Der Rest ist purer Alkohol, den Sie ja auch reichlich in Ihrem eigenen Duft haben.“

„Irgendwie komme ich mir vor wie der geniale Bösewicht Grenouille aus Patrick Süskinds Buch!“ bemerkt eine Kursteilnehmerin. Und dann zitiert sie den berühmten Ausruf der „Nase“ Baldini: „Wunderbar, wunderbar. Es hat einen heiteren Charakter, es ist lieblich, es ist eine Melodie, es macht direkt gute Laune… Unsinn… gute Laune!“

In bester Stimmung verlassen die sieben frischgebackenen Parfumeure das Fragonard’sche „Sinnenreich der Düfte.“   Uta Buhr

Foto: Kopf-, Herz- und Grundnote: In Grasse können Interessierte ihren eigenen Duft kreieren.


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