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01.11.08 / Unlust an sich selbst / Deutsch gerät ins Hintertreffen – »Sprachverlust ohne Zwang«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Unlust an sich selbst
Deutsch gerät ins Hintertreffen – »Sprachverlust ohne Zwang«

Die jüngere Literatur zum Erhalt der deutschen Sprache ist kaum noch überschaubar. Sie wächst ständig, obwohl sich die Wirkung auf die Öffentlichkeit, besonders die Medien, die Kulturszene und die politisch Verantwortlichen in engen Grenzen hält. Dennoch soll hier ein handliches Buch angezeigt werden, das aus dem Rahmen fällt. Das kann bereits dem Untertitel entnommen werden: „Zum deutschen sprachlichen und kulturellen Selbstbewußtsein“.

Der Autor Menno Aden, promovierter Jurist, hat damit eine Schrift vorgelegt, die auch als kleine Kulturgeschichte Deutschlands anhand der Sprache bezeichnet werden könnte. In fünf Teilen (Kapiteln), die in einzelne, klar abgegrenzte Abschnitte gegliedert sind, ist das Thema auf 144 Seiten gut les- und erfaßbar abgehandelt. Schon die Einleitung macht den historischen und politischen Ansatz deutlich. Die Gefährdung unserer Muttersprache und damit der deutschen Identität sowie des deutschen Nationalbewußtseins reicht mindestens bis zum Beginn der Neuzeit zurück. Das überhandnehmende Einströmen von Anglizismen in der Gegenwart könnte nun allerdings über den Verlust sprachlicher Kreativität zum Verlust der Ausdruckskraft und der wissenschaftlichen Befähigung führen, wenn die schöpferischen Kräfte der Muttersprache durch Nichtgebrauch verkümmern. Beispiele aus der Geschichte zeigen, daß dies im Extremfall auch zum Verschwinden der Sprache führen kann, wie es den Kelten, Goten, Langobarden, Ägyptern und vielen anderen widerfahren ist.

Die Gelassenheit, mit welcher der 1942 geborene Autor ernste Wahrheiten ausspricht, ist bisweilen verblüffend: „Meistens geschieht Sprachverlust ohne wirklichen Zwang. In der Regel ist er die Folge einer kollektiven Unlust an sich selbst, einer Verzagtheit, die an die eigene Zukunft nicht mehr glaubt.“ Das kann sicher auch auf andere Bereiche, wie etwa die mangelnde Bereitschaft, für ausreichenden eigenen Nachwuchs zu sorgen, übertragen werden. Was Sprachverlust bedeuten kann, sagt ein Kernsatz aus: „Sprache hütet die Seele des Menschen und verknüpft sie mit der Welt. Wenn ein Volk seine Sprache verliert, geht es auch selbst verloren.“

Nirgends findet sich die oft geübte ideologische Einfärbung, statt dessen immer wieder der Bezug zur Kulturgeschichte anderer Völker, so zur Wiederbelebung beziehungsweise Verschriftlichung des Tschechischen, Slowenischen, Finnischen, der baltischen Sprachen und des Neu-Hebräischen im Zusammenhang mit der nationalen Wiedergeburt. Sehr einleuchtend erscheint der mehrmals wiederkehrende Vergleich der lebenden Sprache mit einer Zelle. Sie hat eine Zellwand, diese ist aber durchlässig. „Eine für alles offene Zellwand läßt den Zellkern zerlaufen und führt zum Tode der Zelle; hermetische Abschließung ebenso, denn sie erstickt.“ Wie überall, so kommt es auch hier auf das rechte Maß an, das schon in der Antike zu den vier Kardinaltugenden gehörte.

Die Ausführungen des Autors zum deutschen Minderwertigkeitskomplex und zur mangelnden deutschen Selbstwahrnehmung erklären den oben erwähnten Untertitel. Die Besinnung auf das reiche deutsche kulturelle Erbe und die Leistungen der Vorfahren, aber auch die Wahrnehmung der Achtung, die im Ausland noch oft den Deutschen und ihrer Sprache entgegengebracht wird, sind für die Wiedergewinnung des Selbstbewußtseins ganz besonders wichtig.

Der Vergleich der englischen Sprache mit der deutschen ist ein Hauptzug der Untersuchung, dem ja auch der Titel gewidmet ist. Der Laie dürfte verblüfft sein, wenn er liest: „Die englische Sprache war ursprünglich ein … germanischer Dialekt.“             R. Uhle-Wettler

Menno Aden: „Deutsch und Englisch – Zum deutschen sprachlichen und kulturellen Selbstbewußtsein“, IFB-Verlag, Paderborn 2008, 144 Seiten, 19,90 Euro


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