20.04.2024

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01.11.08 / Der Wochenrückblick mit Hans-Jürgen Mahlitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Entschuldigung! / Egal warum: Wir nehmen alles zurück, schnuppern blauen Dunst aus Brüssel, entdecken den Preiß’ im Bayern und meiden den ICE
Der Wochenrückblick mit Hans-Jürgen Mahlitz

Entschuldigung! Alles, was jetzt kommt, ist nicht so gemeint. Es ist auch nicht beabsichtigt, irgendetwas zu verharmlosen, zu relativieren oder gar zu leugnen. Niemand soll beleidigt, gekränkt, verletzt oder was auch immer werden. Und natürlich soll auch niemand mit niemandem verglichen werden. Vorsichtshalber und vorauseilend wird zudem alles zurückgenommen, bevor es geschrieben und gedruckt wird.

Mit Zensur hat das selbstverständlich nichts zu tun. „Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es so schön im Grundgesetz, also findet sie nicht statt. Wenn folglich Hans-Werner Sinn heute nicht gesagt haben darf, was er gestern gesagt hat, ist das laut Grundgesetz eben keine Zensur, sondern ... ja, was eigentlich sonst? Wie gut, daß in unserer Verfassung nirgendwo der Satz steht „Anglizismen finden nicht statt!“ Daher können wir (hoffentlich) ungestraft behaupten: Was dem Chef des Münchner Ifo-Instituts da widerfuhr, war keine Zensur, sondern Political Correctness.

Folgendes hatte Hans-Werner Sinn zu sagen gewagt: „In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager“. Das sei, empörte sich der Zentralrat der Juden, eine Gleichsetzung politischer Kritik mit dem Holocaust, eine Verhöhnung der Opfer. Über die schon in früheren Fällen bewährte Telefonstafette – von zentraler Stelle in Frankfurt über eine vergangenheitsbewegte Verlegerwitwe in Hamburg landete das Stichwort in Berlin und löste das – ebenfalls von früheren Fällen bekannte – Empörungsritual aus. Regierungssprecher Wilhelm forderte namens der gerade in China für Menschenrechte und Meinungsfreiheit kämpfenden Kanzlerin eine „Erklärung“, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sprach von einer „beispiellosen Geschmacklosigkeit“, Umwelt-Staatssekretär Müller witterte „unhistorische Brandstiftung“.

Zur Sache nur soviel: Sinns Vergleich hinkt insofern, als „die Juden“ 1929 zu Unrecht Vorwürfe wegen der Krise gemacht wurden, während heute viele Manager (insbesondere in den Banken) nicht unschuldige Sündenböcke, sondern tatsächlich Sünder sind. Aber daraus eine Gleichsetzung heutiger Bankerkritik mit der Verfolgung und Ermordung der Juden zu konstruieren, ist bösartig. Dennoch hat sich Professor Sinn, durch massiven öffentlichen (beziehungsweise veröffentlichten) Druck genötigt, schnellstens entschuldigt – das staunende Publikum weiß nur nicht so recht, wofür eigentlich.

Brüssel hat uns ja schon so manchen Unfug eingebrockt, zuletzt den überzogenen, wirklichkeitsfremden und in der Praxis gottseidank nahezu unwirksamen Antidiskriminierungsschutz für Minderheiten aller Art. Nun haben die Eurokraten sich endlich mal was Neues einfallen lassen. Sie wollen eine Mehrheit schützen. Nämlich die Zweidrittelmehrheit der Nichtraucher vor dem blauen Dunst der rauchenden Minderheit.

Ganz Europa soll, so will es EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla, rauchfrei werden, bis auf wenige Reservate, in denen dem krebs­auslösenden Laster noch gefrönt werden darf. Wer weiß, vielleicht geht man demnächst sonntags bei Hagenbeck „Raucher gucken“. Derweilen darf man sich darüber amüsieren, daß ausgerechnet die Bayern, die als einziges Bundesland ein EU- und BVG-konformes Rauchverbot erlassen hatten, nach der Wahlschlappe den eher ungeordneten Rückzug antraten. Freilich sind damit für Seehofer & Co. noch nicht alle Optionen erschöpft. Sollten vor der nächsten Wahl die Umfragen erneut auf 50 minus x hindeuten, könnte man ja erwägen, zur Abwechslung das Nichtrauchen gesetzlich zu verbieten – außer in Privatclubs und auf Almen.

Apropos Seehofer: Lesen Sie, was unser ins Archiv entsandter Sonderkorrespondent H.J.M. entdeckte: „Wie gut, daß es immer wieder Querdenker gab und gibt, die ihre eigene Meinung und Gesinnung nicht an der Garderobe abgeben, schon bevor sie den Fuß auf die erste Stufe der Karriereleiter setzen. Beispielhaft möchte ich erinnern an aufrechte Sozialdemokraten wie Georg Leber, Horst Niggemeier oder Norbert Gansel, an wahrhaft liberale Köpfe wie Alexander von Stahl, an mutige Unions-,Rebellen‘ wie Kurt Biedenkopf, Peter Gauweiler und eben jetzt Horst Seehofer. Sie stehen, unabhängig von ihrem parteipolitischen Standort und ihrer landsmannschaftlichen Herkunft, für wahrhaft preußische Gesinnung. Deutschland braucht, gerade heute, viel mehr davon.“

Diese Zeilen finden sich im Archiv der PAZ, abgelegt unter dem Datum 28. Juni 2003.

Der Leitartikler kommentierte damit  die Standfestigkeit des damaligen Fraktionsvizes der Union im Streit mit der CDU-Spitze über die Gesundheitsreform; Seehofer hatte sich, um den Preis eines Karriereknicks, nicht verbiegen lassen.

Heute erscheint das Zitat in einem ganz anderen Licht. Da sind die Oberbayern nach mühevoller einjähriger Arbeit endlich den Franken Beckstein und den Niederbayern Huber los, und schon naht, unter altbayerischer Tarnkappe, der Ingolstädter Seehofer, der innerlich eine Art Preuße ist. Das mag aus Nordlichterperspektive ja ganz erheiternd wirken – der Einheimische kann da nur noch sagen: „Saupreiß’, bayerischer!“

Die Bahn und ihre Verspätungen, ein Dauerthema. Gefreut hätte sich das Volk über folgende Durchsage am Frankfurter Hauptbahnhof: „Der DB-Börsen-Expreß verspätet sich um mindestens unbestimmte Zeit“. Aber vielleicht ist der Zug ja auch schon abgefahren, mit Hartmut Mehdorn als Lokführer.

Die real existierenden Verspätungen und Zugausfälle hingegen sorgen gerade in dieser Woche wieder für massenhaften Ärger. Obwohl doch die Bahn keine Kosten und Mühen scheut, um den Reisenden ihren Verdruß durch geschickte Ablenkungsmanöver zu lindern. So mochten nur die wenigsten die angekündigten saftigen Preiserhöhungen als angemessenen Ausgleich für verspätungsbedingte längere Reisezeiten verstehen.

Wenigstens sorgte Kabarettist  Olli Dittrich für ein besseres Verständnis der bundesweiten ICE-Stillegungsaktion. Die Kontrolle bruchgefährdeter Achsen, so fabulierte „Dittsche“ bierselig am Tresen des Eppendorfer Würstchen-Tempels, sei nur ein Vorwand gewesen. In Wahrheit lasse die Bahn klammheimlich Nacktscanner in die Schnellzüge  einbauen. Ob der Bahn-Chef damit Schwarzfahrer dingfest machen will, um noch ein paar Kröten für seinen Börsengang zusammenzukratzen, sollte Dittsche in einer der nächsten Folgen klären.

Vielleicht steckt Mehdorn ja auch unter einer Decke mit Peer Steinbrück, dem „Rächer der Erwerbslosen“ – als tapferer Vorkämpfer für alle, die faule Pleitepapiere erworben haben und nun los sind, und gegen alle, die das Erworbene noch nicht los sind (also die „bösen Reichen“), ist der Bundesfinanzminister stets auf der Suche nach probaten Schlachtfeldern. Nach Liechtenstein ist nun wieder mal die Schweiz dran.

Erst wollte Steinbrück sich mit Peitsche und Daumenschrauben Zugang zu alpinen Geldschränken verschaffen, in denen er unversteuertes Fluchtkapital aus deutschen Landen vermutet. Nun legt er nach: Die Schweizer Mitwirkung an Steuerhinterziehung sei „kein Kavaliersdelikt, sondern kriminell“, wogegen man mit allen Mitteln vorgehen müsse. Bern ist empört, aber nicht sonderlich beunruhigt.

Denn die Schweizer werten zu Recht Steinbrücks „ungehobelten Vorstoß“ (so die „Neue Zürcher Zeitung“ Mitte der Woche) als Verstoß gegen das deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen sowie gegen die Vereinbarungen zwischen Bern und Brüssel. Dennoch ist Schweiz-Reisenden mit größeren Bargeldbeständen von der Benutzung deutscher ICE-Züge dringend abzuraten.


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