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08.11.08 / Ein Wettstreit zwischen Freunden / In der Alten Nationalgalerie zu Berlin werden Werke von Schinkel und Brentano ausgestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Ein Wettstreit zwischen Freunden
In der Alten Nationalgalerie zu Berlin werden Werke von Schinkel und Brentano ausgestellt

Zehn Ausstellungen unter dem Titel „Kult des Künstlers“ beschäftigen sich derzeit in Berlin mit der Rolle des Künstlers in allen Epochen und Kulturen. Eine Ausstellung in der Alten Nationalgalerie stellt die Freundschaft zwischen Karl Friedrich Schinkel und Clemens Brentano in den Mittelpunkt.

Es war an einem der geselligen Abende in Hause des Baumeisters Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), als der Dichter Clemens Brentano den langjährigen Freund zu einem Wettstreit herausforderte. Wer könne besser erzählen, der Dichter oder der Maler? fragte man sich.

Der Theatermaler und Schinkel-Schüler Carl Gropius (1793–1870) erzählt in einem 1862 von Alfred von Wolzogen veröffentlichten Bericht von diesem denkwürdigen Abend: „Einst war es zur Sprache gekommen, wie schwer es sei, in einer Zeichnung das auszudrücken, was sich durch dichterische Darstellung so leicht erreichen lasse. Schinkel opponirte dagegen, und Brentano wollte beweisen, daß er im Stande sein würde, aus dem Stegreife eine Erzählung zu erfinden, die Schinkel nicht im Entferntesten durch Zeichnen zu verfolgen und verständlich auszudrücken vermöge. Nach längerem Hin- und Herreden und nach Festsetzung der Ausdehnung solcher Geschichte wurde unter allgemeinem Jubel eine Probe beschlossen, Brentano erzählte und Schinkel komponirte …“

Gleich über mehrere Abende erzählte Brentano eine abenteuerliche Geschichte von verschiedenen Menschen, die auf einem Schloß wohnten. Phantasievoll und verschachtelt soll die Erzählung gewesen sein. Die Zuhörer hingen an seinen Lippen, doch leider hielt der Dichter diese Geschichte nicht für die Nachwelt fest. Geblieben sind jedoch eine Skizze, zwei großformatige Zeichnungen sowie das beeindruckende Ölgemälde „Schloß am Strom“, die Karl Friedrich Schinkel zu dieser Gelegenheit schuf. Letzteres gehört heute zu den Glanzstücken der Romantik-Sammlung in der Alten Nationalgalerie zu Berlin. Joachim Heinrich Wagener (1782–1861), Sammler und Mäzen, hatte die Ausführung in Öl bei Schinkel 1820 in Auftrag gegeben.

Wageners Sammlung wurde übrigens zum Grundstock der 1861 gegründeten und ab 1876 auf der Museumsinsel beheimateten Nationalgalerie. Dort sind jetzt neben dem Gemälde „Schloß am Strom“ weitere Ölbilder, Zeichnungen und Bühnenentwürfe Schinkels sowie zahlreiche Briefe und Schriften Brentanos zu sehen. Die 70 Exponate umfassende Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Goethe-Museum, Freies Deutsches Hochstift, und dem Berliner Kupferstichkabinett entstand, zeigt anschaulich das kreative Beziehungsgeflecht zwischen Malern und Dichtern in der Romantik.

Sie waren ein ungleiches Paar, als sie sich 1811 kennenlernten: Schinkel, mit königlicher Gunst gerade in Preußens oberste Baubehörde berufen, stand am Beginn einer märchenhaften Baumeister-Karriere; Brentano plagte eine tiefe Krise, hatte doch sein engster Freund Achim von Arnim unlängst in aller Heimlichkeit Clemens’ geliebte Schwester Bettina geheiratet. Brentano, der kurzzeitig sogar Architektur bei Schinkel studierte, widmete diesem die Figur des Architekten „Bonascopa“ (gutes Auge) in einer autobiographischen Erzählung und schrieb das Gedicht „An Schinkel“, in dem er die Erfindungskraft des Malers und Baumeisters pries („du nie erschöpfter Geist“).

Der Freund, aber auch der Maler Philipp Otto Runge (1777-1810) inspirierten Brentano zu eigenen Zeichnungen wie die zu seinem Märchen „Gockel, Hinkel und Gackeleia“. In seinem Nachruf auf den Pommern Runge 1810 in den „Berliner Abendblättern“ würdigte Brentano ihn als Schöpfer einer „tiefsinnigen Bildersprache der stummen mahlenden Poesie“.

Schinkel wiederum zeichnete mehrere Illustrationen zu Brenta-nos Werken. So stehen Schinkels Bühnenbilder zu Mozarts „Zauberflöte“ illustrativen Zeichnungen Brentanos, etwa zu seinem Märchen „Gockel, Hinkel und Gackeleia“, gegenüber.

Mit seinem Entwurf für das Titelblatt der Rahmenerzählung von Brentanos „Mährchen von den Mährchen oder Liebseelchen“ aber hat Schinkel, den man gemeinhin als preußischen Baumeister ohnegleichen kennt, ein Meisterstück der besonderen Art abgeliefert. Unter einem Baldachin sitzen Spinnerinnen um die Mohrin Rußika versammelt, um Märchen zu erzählen. Im Vordergrund plazierte Schinkel seine drei Kinder, während eine Spinnerin an seine Frau Susanne erinnert.

Schinkel selbst könnte der Jüngling am linken Rand sein, vermuten Kunsthistoriker. Diese Bezug-nahme auf Persönliches und auf die Familie zeige die enge Verbundenheit zwischen dem Maler und dem Dichter. – Wer den Wettstreit zwischen Maler und Dichter letztendlich gewonnen hat, ist heute allerdings nicht mehr zu ergründen.            Silke Osman

Die Ausstellung „Karl Friedrich Schinkel und Clemens Brentano – Wettstreit der Künstlerfreunde“ ist bis zum 11. Januar dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr geöffnet.

Foto: Karl Friedrich Schinkel: Schloß am Strom (Öl, 1820, im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin)  


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