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08.11.08 / Faszinierende Welt der bunten Götter / Eine Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus präsentiert farbige antike Skulpturen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Faszinierende Welt der bunten Götter
Eine Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus präsentiert farbige antike Skulpturen

Seit 25 Jahren untersucht ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Vinzenz Brinkmann, dem Leiter der Antikensammlung des Frankfurter Liebieghauses, die Frage der Farbigkeit antiker Statuen. Die aus diesen Forschungsarbeiten hervorgegangene Ausstellung „Bunte Götter“, die schon in Europa und den USA mit großem Erfolg gezeigt wurde, ist nun in einer wesentlich erweiterten Form im Liebieghaus zu sehen. Sie verbindet etwa 70 Originale, darunter farbige Terrakotten, Marmorskulpturen und Mumienporträts, mit über 30 spektakulären Rekonstruktionen. Höhepunkt der Ausstellung ist die eigens für die Frankfurter Präsentation angefertigte und nun erstmals gezeigte Rekonstruktion des sogenannten „Perserreiters“ der Athener Akropolis, dessen Farbigkeit besonders gut erhalten ist.

Bis heute haben sich an antiken Skulpturen zahlreiche Spuren der ursprünglichen Fassung erhalten. Sie beweisen, daß die griechischen und römischen Statuen Gewänder trugen, die mit aufwendigen Ornamenten und kostbaren Farben verziert waren. Was heute Touristen immer wieder in den Bann zieht, das strahlende Weiß der antiken Skulpturen, Tempel und Säulen, gab es also einst gar nicht. Eine Vorstellung, an die man sich zumeist erst gewöhnen muß. Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), der Begründer der klassischen Archäologie, bekannte allerdings, daß die Farbe zur Schönheit der Skulptur beitrage, doch war ihm die „barbarische Sitte des Bemalens von Marmor und Stein“ zuwider. Er sah in der Farbe die Gefährdung des Ideals der weißen Statue: „Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher machet: so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist.“

Ganz anderer Meinung war da Martin von Wagner, Kunstagent des bayerischen Königs Ludwig I. Er war 1812 nach Griechenland gereist, um dort im Auftrag des Königs die Giebel-skulpturen des Aphaia-Tempels von Aigina bei einer Auktion zu erwerben. An den Skulpturen erkannte der Maler und Bildhauer bald Reste von Farbe, und er empfahl seinem König, dem Werk die ursprünglichen Farben und Verzierungen zu geben, sollte es doch in der von Leo von Klenze neu errichteten Glyptothek in München Aufnahme finden. Schon die großen Schriftsteller der griechischen und römischen Antike berichten in aller Klarheit und Selbstverständlichkeit von den farbigen Figuren. Der Tragödiendichter Euripides (zirka 480–406 v. Chr.) wählt die farblose Marmor-skulptur sogar als Bild außerordentlicher Häßlichkeit. Als durch die Schönheit einer Frau der Trojanische Krieg ausgelöst wird, sagt Helena zu sich: Wäre ich doch immer so häßlich gewesen wie eine Statue, der man die Farbe abgewischt hat, wäre nicht dieses Leid über die Menschen gebracht worden. Aber nicht nur schriftliche Dokumente zeugen von der Farbigkeit antiker Skulptur. Mit großer Genauigkeit wurden die Spuren der einstigen Bemalung auch in Zeichnungen und Aquarellen festgehalten. Ein großes Verdienst kommt hier der in Griechenland ansässigen Schweizer Künstlerfamilie Gilliéron zu, die ab etwa 1870 Zeichnungen antiker Skulpturen anfertigte. Das Liebieghaus kann nun im Rahmen der Ausstellung eine Reihe von Aquarellen von Emile Gilliéron aus eigenen Beständen zeigen.

Einer, der im 19. Jahrhundert besonders energisch für die Erforschung antiker Farbigkeit eintrat, war der Hamburger Architekt Gottfried Semper. Auf seinen Studienreisen nach Italien und Griechenland entdeckte er,

daß die Tempel und Marmorbilder des Mittelmeerraumes ursprünglich farbig gewesen waren. 1834 veröffentlichte Semper die viel diskutierte Studie „Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten“. Zwei Jahre später folgte eine weitere Schrift: „Die Anwendung der Farben in der Architectur und Plastik – Dorisch-griechische Kunst“.

Semper, der zu einem der bedeutendsten Verfechter der Polychromie wurde, ließ zum Beispiel die Antikensäle im Japanischen Palais in Dresden farbig bemalen. Auch Leo von Klenze (1784–1864) gestaltete unter anderem im Auftrag seines Bauherrn, König Ludwigs I., die Innenräume der Glyptothek in München prachtvoll bunt und bezeichnete sich selbst als „Euer Majestät polychromatischer Sekretär“.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Diskussion über die Farbigkeit der Antike teilweise heftig fortgeführt, wobei sich im 20. Jahrhundert zunehmend die Schönheit der reinen und reduzierten Form durchsetzte. Erst in den 1960er Jahren begannen Wissenschaftler wieder die Farbigkeit mit neuen technischen Methoden zu erforschen. Wurden vor knapp 200 Jahren die Farbspuren noch mit Hilfe von Probenentnahmen analysiert, können heute die meisten Analysen durch digitale Verfahren erstellt werden. Die Ausstellung im Liebieghaus macht nun die Ergebnisse der wissenschaftlichen Polychromieforschung für den Betrachter sichtbar und belegt in beeindruckender Weise die Bedeutung der Farbe für die antike Skulptur.           os

Die Ausstellung „Bunte Götter“ ist im Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71, Frankfurt am Main, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und donnerstags bis 21 Uhr zu sehen, bis 15. Februar 2009, Katalog 34,90 Euro, Eintritt 8/6 Euro, freier Eintritt für Kinder bis zu 12 Jahren. Weitere Station der Ausstellung ist die Museumslandschaft Hessen Kassel, Museum Schloß Wilhelmshöhe, Antikensammlung, vom 6. März bis 1. Juni 2009.


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