16.04.2024

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08.11.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,           

liebe Familienfreunde,

wenn an diesem Wochenende das 60jährige Bestehen der Landsmannschaft Ostpreußen feierlich begangen wird, so ist die Ostpreußische Familie seit nunmehr 36 Jahren diesen Weg mitgegangen. Damals, im Jahr 1972, beschlossen der Chefredakteur des Ostpreußenblattes, Hugo Wellems, und der Redakteur Fried­rich Ehrhardt eine Leserbrief-Aktion in das Leben zu rufen, die unter dem Tenor „Du sollst nicht mehr allein sein“ stand. Mit dieser Rubrik wollte das Ostpreußenblatt noch stärker als zuvor eine Mittlerrolle für die in alle Winde verstreuten Landsleute übernehmen, sie mit anderen Vertriebenen zusammenführen und in gemeinsamer Erinnerung an die verlassene Heimat einen regen Gedankenaustausch ermöglichen. Die großen Suchfragen nach verschollenen Verwandten und Freunden aus dem heimatlichen Lebenskreis wurden wegen ihrer Fülle ausgeklammert, sie standen auf einem anderen Blatt. Die „Ostpreußische Familie“, wie diese einmal im Monat erschienene Kolumne betitelt wurde, war für die erfüllbaren Wünsche und Fragen da und gewann mit dieser Aufgabe immer mehr an Aufmerksamkeit und Beliebtheit. Daß sich dabei auch die Klärung manches ungewissen Schicksals ergab, ließ die Bedeutung der Ostpreußischen Familie wachsen und erweiterte damit ihr ursprünglich begrenztes Aufgabengebiet. Das sich dann rasant erweiterte, als der Eiserne Vorhang fiel und unsere Landsleute aus Mitteldeutschland endlich auf die große Suche gehen konnten. Sie fühlten sich durch meine Anrede im heimatlichen Platt „Lewe Landslied“ angesprochen und wandten sich voller Vertrauen mit ihren Wünschen an unsere Ostpreußische Familie. Und die wuchs und wuchs, und damit erweiterte sich nicht nur der Radius der Suchenden, sondern auch der Kreis der möglichen Informanten. So kam es, daß sich gerade auf dem Gebiet der Vermißtensuche kaum glaubhafte Erfolge einstellten, die uns von Leserseite den Ehrentitel „Wundervolle Familie“ einbrachten. Und uns zu unserer großflächigen Wochenkolumne im Ostpreußenblatt verhalfen, die es uns nun ermöglicht, auf die Wünsche und Fragen detailliert einzugehen, die schon längst nicht mehr allein aus unserem Leserkreis kommen. Deutsche und internationale Institutionen, Suchdienste und Archive wenden sich an uns in ungeklärten Fragen, und auch für bisher erfolglos Suchende sind wir die letzte Hoffnung. Das ist manchmal eine schwere Hypothek, die uns da aufgebürdet wird.

Wie jetzt die ungelöste Herkunft einer nun 64jährigen Frau aus Dresden, die aus einer Königsberger Familie stammen könnte, was aber nur aus einer der aus den ersten Nachkriegsjahren stammenden Unterlagen hervorgeht. Die Angaben in den anderen Dokumenten driften so auseinander, daß ich da sehr sorgfältig recherchieren muß. Ich werde mich bemühen, diesem Fall so akribisch wie möglich nachzugehen und über ihn vielleicht schon in der nächste Folge berichten zu können. Zuerst einmal danke ich unserem aus Hinterpommern stammenden Leser aus Bonn, der uns auf Bitte der Suchenden den Fall übermittelte, für dessen Lösung wir vielleicht die Weichen stellen könnten.

In der langen Geschichte unserer „Ostpreußischen Familie“ hat es schon einige Fälle gegeben, die ein besonders starkes Echo zu verzeichnen hatten. Vor allem bei den kleinen und leicht erfüllbaren Wünschen, die bei uns auf echt ostpreußisch als „bunte Nuschtkes“ firmieren und oft den viel Platz einnehmenden Suchfragen hinterher zageln. Aber auch sie werden gelesen, und zwar sehr genau, vor allem, wenn es sich um Gedichte oder Lieder handelt, die gewünscht werden. An ihnen hängen Erinnerungen an längst vergangene Tage, an Kindheit, Jugend, Familie, Heimat und oft auch an die erste Liebe. Wenn einem dann nur noch Bruchstücke einfallen, die man nicht richtig einordnen kann, weder Liedanfänge noch Gedichttitel in die Erinnerung zurück zu rufen sind, dann hilft nur noch eins: Die Ostpreußische Familie fragen. So kam es einmal dazu, daß die Frage nach einem Gedicht alle Zuschriftenrekorde brach. Es war das Gedicht „Heimat für Heimatlose“, das die rumänische Königin Elisabeth unter dem Pseudonym „Carmen Sylva“ schrieb, als sie im Jahr 1888 in Westerland auf Sylt weilte. Der „Friedhof der Namenlosen“, auf dem die an Land gespülten Ertrunkenen ihre letzte Ruhe fanden, hatte sie sehr beeindruckt. Unter den Anfangszeilen „Wir sind ein Volk vom Strom der Zeit …“ fand es Aufnahme in Gesangbüchern. Vielleicht lag es daran, daß sich unsere heimatlos gewordenen Leserinnen und Leser mit diesem Gedicht besonders verbunden fühlten, jedenfalls erhielten wir auf die kleine Anfrage in unserer damals noch sehr bescheidenen Kolumne über 200 Zuschriften. Die meisten handschriftlich, manche kaum leserlich, einige sogar aus dem Gedächtnis aufgeschrieben.

Heute gibt es viele Möglichkeiten, Gedichte und Lieder zu finden, aber die „Ostpreußische Familie“ ist auch auf diesem Gebiet mitunter noch die letzte Rettung wie bei der kürzlich erfolgten Frage von Frau Taeger nach dem Lied „Wo findet die Seele die Heimat, die Ruh …?“ Ich besaß zwar den Text, aber nicht die Melodie. Da ich ihre Anschrift nicht angegeben hatte, war ich froh, daß ich umgehend zwei Zuschriften mit dem Lied bekam, und dachte: Das wär’s! War es aber nicht. Zwar erreichten uns keine hunderte von Briefen und Karten, aber immerhin 20 Zusendungen mit und ohne Melodie. Manche auch wieder aus dem Gedächtnis aufgeschrieben, andere mit Hinweisen versehen – „wenn in Ihrer Nähe eine Neuapostolische Gemeinde ist, lassen Sie es sich dort vorsingen!“ – wieder andere mit Erinnerungen an die Kindheit, denn Frau Taegers Großmutter ist nicht die einzige gewesen, die das Lied ihrer Enkelin vorgesungen hat. Interessant ist, daß der Komponist ein Ire war, der den Text von Franz Ludig Jörgens vertonte. Allerdings steht in einer Kopie neben dem Namen Henry

Bishop als Wohnort Tübingen. Der Ire dürfte dort studiert haben. Ich möchte hiermit allen Einsenderinnen herzlichst Danke sagen, auch im Namen von Heidgard Taeger aus Dortmund.

„Sie haben die schönsten Kinder“, berichtete einmal ein Chronist über die Prussen, und daran muß ich oft denken, wenn ich Bilder von Landsleuten aus ihrer Kindheit erhalte – damals im alten Ostpreußen. Denn sie zeigen zumeist die kleinen Marjellchen und Jungchen, wie sie am Strand spielen, am Seeufer moddern, auf ungesattelten Pferdchen reiten, Blumen am Feldrand pflücken. Die Blondschöpfe von Sonne und Wind gebleicht, die Augen hell und groß wie der weite ostpreußische Himmel, der sich in ihnen widerspiegelt. So haben sie wohl auch ausgesehen, die rund 50 Mädchen und Jungen, die auf dem Hof der Spielschule in Eydtkuhnen so brav in die Kamera blicken, denn das war ja damals im Jahr 1926 ein Ereignis, wenn der Fotograf mit seinem Riesenkasten kam und unter das schwarze Tuch kroch. Die Eheleute Jürgen und Margarete Krampitz aus Berlin, die mir dieses auf Karton gezogene und deshalb gut erhaltene Foto übersandten, erhielten es von einem Geschwisterpaar aus Eydtkuhnen, später Eydtkau. Auch Frau Krampitz geborene Tomescheit stammt aus dem östlichen Grenzort. Deshalb entwickelte sich im Laufe der Zeit eine freundschaftliche Beziehung zu den Geschwistern Herta Krapat geborene Lehmann und Gustav Lehmann, die leider inzwischen verstorben sind. „Da wir die Karte bei Ihnen in guten Händen wissen, möchten wir sie der Ostpreußischen Familie übergeben“, schreiben die Eheleute Krampitz, „denn sie könnte ja für einige Leser einen gewissen Wert haben.“ Das glaube ich auch, obgleich sich rein optisch kein Erkennen ergeben wird. Aber auf der Rückseite sind einige Namen vermerkt, und so kann es sein, daß vielleicht eine Enkelin den Namen ihrer Großmutter liest, von der sie mit Sicherheit kein Kinderbild besitzt. Aber auch für manche Familienchronik könnte dieses Bild wichtig sein. Was mich erstaunt, ist die große Kinderschar, die anscheinend nur von zwei Personen betreut wird: Einer jüngeren Frau mit einem Kind auf dem Arm und einer Diakonissin, die anscheinend die in der Beschriftung genannte „Tante Auguste“ ist. Die Aufnahme wurde im Marienhort (Gemeindehaus) in der Kapellenstraße gemacht. Daß es in dem damals knapp 5000 Einwohner zählenden Grenzort solch eine große, betreute Kindergruppe gab, ist schon erstaunlich und zeugt von engagierter, auch aus dem Namen „Spielschule“ ersichtlich liebevoller Gemeindearbeit

Nun zu den Namen einiger Kinder, unter denen es viele Geschwister gibt: Alfred, Gerda und Käte Mertins, Frieda, Fritz und Grete Schneider, Frieda und Fritz Lehmann, Gertrud und Hedwig Kossack, Gertrude Marx und – ohne Vornamen – Vetter, Embacher, Krug, Bukstinat und Werts. – Ich bin gespannt, was sich aus der Veröffentlichung dieses Gruppenbildes ergibt. Mein sehr herzlicher Dank gilt Frau Margarete und Herrn Jürgen Krampitz (Freibergstraße 27 in 12107 Berlin.)

Eine kurze Bitte von Frau Ursula Wenner aus Dissen. Die heute in einem Seniorenheim lebende Leserin, die wahrscheinlich aus Masuren stammt, sucht den Namen eines Mannes, der vor dem Krieg als Förster in Gedwangen, Kreis Neidenburg, tätig war. Er soll seinen Beruf auch später im Westen ausgeübt haben, aber wann und wo? Für Frau Wenner wäre es sehr wichtig, hierüber Auskunft zu erhalten. Ich hoffe, ich habe den handgeschriebenen Namen richtig gelesen, er könnte auch „Werner“ lauten. Aber unter der angegebenen Adresse wird die Seniorin schon die erwünschte Post erhalten. (Ursula Wenner, DRK-Seniorenheim, Kleine Heue 2-4, in 49201 Dissen.)

Das wäre es also für heute. Die Vielseitigkeit der Zuschriften beweist die breite, bunte Wunschpalette unserer Ostpreußischen Familie, die sich auch in unserem „Seminar der Ostpreußischen Familie“ auffächern wird, das von 27. bis 30. November im Ostheim in Bad Pyrmont stattfindet. Auch das hätten sich die Urväter der Ostpreußischen Familie nicht träumen lassen. Aber eine echte ostpreußische Sippe ist eben immer für Überraschungen gut.

Eure Ruth Geede

Foto: Auf dem Hof der Spielschule in Eydtkuhnen: Wer sich wiedererkennt, melde sich bei Jürgen und Margarete Krampitz, Freibergstraße 27, 12107 Berlin.


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