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08.11.08 / Gerechtigkeit für Hans Meiser / Meiser-Enkel kämpft um die Ehre des früheren bayerischen Landesbischofs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Gerechtigkeit für Hans Meiser
Meiser-Enkel kämpft um die Ehre des früheren bayerischen Landesbischofs

Der Titel „Der gekreuzigte Bischof – Kirche, Drittes Reich, Gegenwart“ mag zwar reißerisch klingen, doch der Autor hat gute Argumente. Hans Christian Meiser will die Ehre seines Großvaters retten. Zwar hat er den Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (1933–1955) nicht mehr persönlich kennengelernt, da er nach dessen Tod im Jahre 1956 geboren wurde, doch er glaubt die derzeitige Kampagne gegen seinen Großvater widerlegen zu können.

Über Jahrzehnte hat alle Welt Hans Meiser geehrt, seine Redlichkeit und sein Engagement für seine Kirche in den höchsten Tönen gelobt, nun jedoch wird der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete bayerische Bischof plötzlich als Nazi abgestempelt. In München und Nürnberg wurden nach ihm benannte Straßen umbenannt, nachdem linksgerichtete Gegner den Bischof aus Sicht des Enkels absolut unbegründet in den Schmutz gezogen haben.

Die Verleumdung begann 2006, so der promovierte Philosoph, als die Kirche nach einem Gedenkgottesdienst eine Erinnerungstafel am Geburtshaus des 125 Jahre zuvor Geborenen anbringen wollte. „Skandal! Kirche feiert Nazi-Bischof“ titelte eine Nürnberger Boulevardzeitung und verwies auf antisemitische Passagen in einem dreiteiligen Aufsatz des Bischofs aus dem Jahr 1926.

Bedauerlicherweise zitiert Hans Christian Meiser nicht sofort aus diesem, sondern hangelt sich erst einmal chronologisch an den folgenden Verleumdungen lang. Erst nach rund 50 Seiten geht er auf besagten Text selbst ein, der unbestreitbar starker Tobak ist. „Es ist oft betont worden, daß der jüdische Verstand etwas Zerfressendes, Ätzendes, Auflösendes in sich hat“, ist dort zu lesen. Allerdings, so der Enkel, sei diese Rede vor dem Hintergrund entstanden, daß zu der Zeit mehrere aus Sicht des konservativen Bischofs verwerfliche Theaterstücke aus jüdischer Feder veröffentlicht wurden. Das habe den Kirchenmann dermaßen erzürnt, daß er über den „unerträglichen“ jüdischen Einfluß auf kulturellem Gebiet klagte. Hier wäre es angebracht gewesen, wenn der Autor mehr über diese Theaterstücke und ihre Autoren geschrieben hätte. Nicht daß dies die Aussagen des Bischofs entschärft hätte, doch der Zusammenhang wäre deutlicher geworden.

Hans Christian Meiser betont, daß die Gegner des Bischofs keine weiteren antisemitischen Äußerungen als eben den erwähnten Aufsatz sieben Jahre vor der Machtergreifung der Nazis belegen könnten. Statt dessen gebe es mehrere Reden, in denen Hans Meiser während der Zeit des Nationalsozialismus zur Solidarität mit den Juden aufruft. Auch habe er 126 Menschen sogenannter „nichtarischer Abstammung“ das Leben gerettet, was der Zentralrat der Juden heute allerdings nicht als Verdienst anerkenne, da es sich weitgehend um getaufte Juden gehandelt habe. Daß diese aus Sicht der Nationalsozialisten immer noch Juden waren und daher ermordet werden sollten, wurde offenbar verdrängt, klagt der Autor. Außerdem habe Hitler auch die Kirchen selbst als Feinde angesehen. Hans Meiser habe extreme Probleme gehabt, seine eigenen Schäflein vor dem Druck der Nationalsozialisten zu schützen. Nur um die Selbständigkeit der Kirche angesichts der drohenden Unterwanderung durch die regimetreuen „Deutschen Christen“ zu bewahren, habe er sich auf einige Bedingungen der Nationalsozialisten eingelassen.

Punkt für Punkt nimmt sich Hans Christian Meiser der Vorwürfe gegen seinen Großvater an. Nachvollziehbar schildert er dessen Situation, seine Probleme mit den Nationalsozialisten, denen der Bischof ein Dorn im Auge war und den sie sogar unter Hausarrest stellten, nachdem er ihnen erfolgreich Widerstand bei dem Versuch der Gleichschaltung seiner Landeskirche geleistet hatte.

Strafverfahren, Redeverbote und Einreiseverbote nach Thüringen und Sachsen folgten. Der baden-württembergische Landesbischof Theophil Wurm bezeichnete seine und Meisers Weigerung, sich den Nationalsozialisten zu unterwerfen, später gar als „einzige innenpolitische Niederlage Hitlers“.

An einigen Stellen schimmert durch, wie sehr die nachträgliche Diffamierung des Vorbildes den Enkel auch emotional berührt. Das ist zwar nicht wissenschaftlich, dafür aber authentisch. Meisers Kritiker haben nachweisbar nicht wissenschaftlich gearbeitet. Kaum einer habe sich je im Archiv, in dem der Nachlaß seines Großvaters aufbewahrt ist, sehen lassen. Statt die Quellen zu studieren, hätten offenbar alle Kritiker nur voneinander abgeschrieben. Und warum hätten Juden und sogar Rabbiner auch nach dem Zweiten Weltkrieg einen so respektvollen Kontakt mit dem Landesbischof pflegen sollen, wenn er ein Antisemit gewesen wäre? Geradezu freundschaftliche Briefe jüdischer Repräsentanten an seinen Großvater belegen ihre Einstellung zu Meiser. Hans Christian Meiser versteht die ganze Hetze nicht, und auch der Leser seiner Ausführungen kann in der aktuellen Diskussion den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren, denn Meisers Gegnern geht es erkennbar nicht um Fakten. Daher stößt der Enkel mit seinen Argumenten auf taube Ohren. Immerhin: Wenn die bayerische Landeskirche sich auch im Rahmen der Umbenennung der Hans-Meiser-Straßen in München und Nürnberg nicht öffentlich für ihren früheren Bischof eingesetzt hat, so hat sie doch in diesem Jahr einen Saal nach ihm benannt. Für die Anhänger des Bischofs ist das nur ein schwacher Trost.          Bel

Hans Christian Meiser: „Der gekreuzigte Bischof – Kirche, Drittes Reich und Gegenwart“, München Verlag, München 2008, broschiert, 175 Seiten, 16,80 Euro


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