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08.11.08 / Für die Praxis mit den Praktikern / Bildungsgipfel hat mehrere positive Beschlüsse erbracht, die jetzt umgesetzt werden müssen – Anderes bleibt unklar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Für die Praxis mit den Praktikern
Bildungsgipfel hat mehrere positive Beschlüsse erbracht, die jetzt umgesetzt werden müssen – Anderes bleibt unklar

Bilanziert man die Reaktionen auf den sogenannten Bildungsgipfel, die Zusammenkunft der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten der Länder, dann hat er zwar mehr Kritik als Lob geerntet. Kommt es aber zur Umsetzung wenigstens einiger der Übereinkünfte, wäre schon etwas gewonnen und das Ergebnis doch nicht so mager, wie es manche darstellen. Allerdings muß man unterscheiden, was unmittelbar umgesetzt werden kann und wobei es sich mehr oder weniger um Absichtserklärungen handelt.

1. Beim Bildungsgipfel ist der mittel- und langfristigen Sicherung des Fachkräftebedarfs Priorität eingeräumt worden, und zwar durch Ausbau der Fachhochschulen. Das ist richtig und wichtig. Dazu gehört auch, daß für Meister und andere Fachkräfte ohne klassisches Abitur der Zugang ermöglicht wird. Der Grund für die Forderung nach einer vermehrten Zulassung entsprechender Kandidaten ist der Fachkräftemangel, vor allem im Bereich der Ingenieurberufe. Als es den Betrieben wirtschaftlich schlecht ging, wurden zum Beispiel Ingen-ieure reihenweise entlassen; Jung-Akademiker fanden keine Anstellung. Da darf man nicht überrascht sein, wenn der Zulauf zu solchen Studiengängen nachgelassen hat. Die Folge ist dann, getreu dem hinreichend bekannten Schweinezyklus in der Agrarwirtschaft, daß es später an Absolventen fehlt. Krampfhaft wird nun versucht, Abhilfe zu schaffen. Der jetzt beklagte Fachkräftemangel hat seine Ursache auch darin, daß die Eingangsvoraussetzungen zu den Fachhochschulen anders als bei deren Vorgängereinrichtungen, den Ingenieurschulen, angehoben worden sind. Damit sind Kandidaten mit der Qualifikation eines mittleren Schulabschlusses und einer anschließenden Lehre weitgehend ausgeschlossen worden. Diesen Fehler gilt es zu korrigieren.

Den Fachhochschulen obläge es, mit konstruktiven Vorschlägen aufzuwarten. So könnten sie belegen, daß es ihnen mit ihrem immer wieder geäußerten Credo „für die Praxis und mit Praktikern“ ernst ist. Statt dessen bleiben sie aus höchst durchsichtigen Motiven in Deckung. Sie warnen zwar vor „massiven Defiziten in Lehre und Forschung“, sonst sagen sie nichts. Würden die Voraussetzungen für die Zulassung im Verhältnis zu den Universitäten deutlich abgesenkt,  bedeutete dies einen „Rückschlag“ bei dem Bemühen ihrer Lobbyisten, möglichst universitätsgleich zu werden. Indem sie wie die Universitäten Masterstudiengänge anbieten, für die ihnen zum Teil die personelle und sachliche Ausstattung fehlt, übernehmen sie sich. Völlig daneben ist das Streben einiger Exponenten nach einem eigenen Promotionsrecht.

Kurzfristig ändert sich im übrigen nichts an dem von der Wirtschaft beklagten Mangel an Ingenieuren. Deshalb bleibt es für die mittelfristige Perspektive dennoch richtig, im Beruf bewährten Kräften den Zugang in erster Linie zu den Fachhochschulen zu erleichtern. Insofern also eine positive Nachricht.

2. Anders ist es bei der Erklärung, ein gerechter Zugang zur Bildung soll durch Halbierung der Abbrecherzahl in Schulen und in der Lehre erreicht werden.

Diese Idee hatte schon die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der Union, Ilse Aigner, CSU, im Vorfeld des Treffens der Regierungschefs geäußert. Sie forderte, daß Bund und Länder konkrete Ziele beschließen sollten. Dazu sollte gehören, die Quote der über 25jährigen ohne Schulabschluß auf einen bestimmten Prozentsatz eines Jahrgangs zu beschränken. Das heißt, es wird beschlossen, wie faul oder unfähig ein Teil der Bevölkerung sein darf. Das paßt gut zu der ebenso illusionären Vorstellung der SPD, jeder soll einen Anspruch auf den Hauptschulabschluß haben. Die Sozialdemokraten wollen eine Versagerquote von null Prozent, die Union ist hier eine Idee realistischer, verkennt aber dennoch die Gegebenheiten. Nach der Vorstellung von Frau Aigner sollte im übrigen ferner festgelegt werden, wie viele Studienanfänger am Ende einen Abschluß schaffen. Also eine Festlegung am oberen Ende der Skala. Da waren manche Fakultäten im Sozialwissenschaftlichen Sektor schon mutiger. Dort fiel zeitweise niemand mehr durch.

In diesem Zusammenhang wird argumentiert, es sei nachzuweisen, daß Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten gute Bildungschancen bekämen. Und was ist, wenn sie nicht angenommen werden, wenn es Verweigerer gibt, deren Eltern sich nicht darum kümmern, wie ihre Kinder sich um die eigenen Lebenschancen bringen?  Wie die Länder die anvisierten Ziele erreichen, sollte im übrigen ihnen überlassen bleiben.

3. Soweit es Äußerungen zur Finanzierung gibt, wird alles auf die lange Bank bis nach der nächsten Bundestagswahl geschoben. Insgesamt läßt sich ein gewisser Katzenjammer nicht verhehlen. Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau existiert nicht mehr. Das heißt, finanzschwache Länder stehen ohne Hilfe des Bundes ziemlich armselig da. Mit dem Bildungsgipfel sollte offenbar das repariert werden, was nicht zuletzt durch die Föderalismusreform in die 16fache Kleinstaaterei abgedriftet ist. In der Tat hat der Bund so gut wie keine Gestaltungsmöglichkeiten. Daß den Bürgern die Verfassungslage schnuppe ist und sie eine Verbesserung der Zustände erwarten, dämmert den zuständigen Politikern. Das geschieht jetzt bestenfalls in Trippelschritten, aber auch nach dem Muster der Echternacher Springprozession: drei vor – zwei zurück. George Turner


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