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15.11.08 / 60 Jahre Landsmannschaft Ostpreußen / Feierlicher Gedenkakt in Bad Pyrmont – Historiker Manfred Kittel bedauert Umgang mit der Vertreibung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-08 vom 15. November 2008

60 Jahre Landsmannschaft Ostpreußen
Feierlicher Gedenkakt in Bad Pyrmont – Historiker Manfred Kittel bedauert Umgang mit der Vertreibung

„60 Jahre Landsmannschaft Ostpreußen – das ist kein Grund zum Feiern“, stellte Sprecher Wilhelm v. Gottberg zum Beginn des Festaktes am Sonntag klar, denn der eigentliche Anlaß, die Vertreibung, ist zu traurig: „Wir Ostpreußen wären lieber in unserer Heimat geblieben.“ Die Stimmung war dennoch gut, denn die LO blickt auf erfolgreiche Jahrzehnte und ein außergewöhnlich ereignisreiches Jahr 2008 zurück.

Rund 180 geladene Gäste kamen ins Hotel Steigenberger nach Bad Pyrmont, und noch mehr wären es gewesen, wenn die Räumlichkeiten es zugelassen hätten – am Ende mußte die Landsmannschaft Absagen verschicken. Auf dem musikalisch umrahmten Gedenkakt mit anschließendem Empfang wurde der schwierige Weg der Ostpreußen nach der Katastrophe der Jahre 1944 bis 1948 nachgezeichnet. Gegliedert in die sechs zurückliegenden Jahrzehnte zeichnete der Sprecher den beschwerlichen Weg in der Zerstreuung nach – vom Kampf ums nackte Überlegen in der Nachkriegszeit über den mühsamen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg der Vertriebenen und den Aufbau der Vertiebenenverbände bis zur neuen Zusammenarbeit mit der heutigen Bevölkerung Ostpreußens, die seit der „Wende“ von 1989 eine bemerkenswerte Vielseitigkeit und Breite gewonnen hat.

Der Landsmannschaft Ostpreußen ist es in mühsamer Arbeit gelungen, ihre politische und auch wirtschaftliche Unabhängigkeit bis heute zu erhalten. Unverändert hält sie an der klaren Linie fest, daß bei aller aufrichtigen Bereitschaft zu Versöhnung und Dialog über die geschichtliche Wahrheit nicht verhandelt und ein gemeinsamer Weg in die Zukunft nicht gegen zwingende Regelungen des Völkerrechts gefunden werden kann. Eben damit sind die heimattreuen Ostpreußen oft angeeckt, in den zurückliegenden Jahren sogar mehr als früher.

Der Sprecher ließ es sich nicht nehmen, mit einiger Ausführlichkeit an die ungezählten Widerstände und Angriffe zu erinnern, die ihm seine Tätigkeit an der Spitze der Volksgruppe seit Anfang der neunziger Jahre eingebracht hat. Den Zuhörern war klar: Diese oft genug verdeckt geführten Attacken galten eben nicht Wilhelm v. Gottberg als Person, sie galten und gelten der Sache, die er vertritt, dem Anliegen einer völkerrechtskonformen Bereinigung des bis heute fortbestehenden Vertreibungsunrechts.

Wie früh sich der Zeitgeist in Deutschland gegen dieses klare Anliegen zu wenden begann, belegte eindrucksvoll der Historiker Professor Manfred Kittel in seinem mit viel Applaus bedachten Festvortrag. Er zeichnete nach, wie sich bereits in den frühen sechziger Jahren die ersten einflußreichen Zeitungen von der bis dahin im demokratischen Konsens vertretenen Sache der Vertriebenen abzuwenden begannen. Eine Schlüsselrolle sei dabei Gerd Bucerius, dem Herausgeber von „Stern“ und „Zeit“ und CDU-Bundestagsabgeordneten zugekommen. Bucerius habe diesen Blättern seit seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag im Jahre 1962 in der Frage der Oder-Neiße-Grenze und auch der anderen Anliegen der Vertriebenen eine neue Tendenz gegeben.

Der Regensburger Zeithistoriker erinnerte auch an die Schlüsselbedeutung, die Gerichtsverfahren für die Aufarbeitung internationaler Verbrechen haben. Während darum völlig zu Recht in Deutschland eine eigene Ermittlungsstelle für NS-Straftaten eingerichtet worden sei, hätten nahezu sämtliche Anstrengungen gefehlt, die bei der Vertreibung begangenen Verbrechen strafrechtlich aufzuarbeiten. Für die in der DDR begangenen Untaten sei noch die bekannte Erfassungsstelle in Salzgitter geschaffen worden, doch im Falle der Vertreibungsverbrechen hätte der bloße Hinweis, daß man der Täter nicht habhaft werden könne, ausgereicht, um alle Rufe der Vertriebenen nach strafrechtlicher Aufklärung abzuweisen. Unter Hinweis auf den aktuellen ARD-Zweiteiler „Die Sudetendeutschen und Hitler“, zeigte Kittel auf, wie die Vorgeschichte der Vertreibung auch in öffentlich finanzierten Massenmedien bis heute verzerrt wird. Wilhelm v. Gottberg dankte Kittel herzlich mit den Worten, er gehöre zu den wenigen deutschen Historikern, die im Kreise der Ostpreußen hohes Ansehen genössen.          Konrad Badenheuer

Fotos: Hohes Ansehen: Professor Manfred Kittel (Mitte) und das Ehepaar v. Gottberg; Vor der Ostpreußischen Landesvertretung (l.) berichtete am Sonnabend der soeben ausgezeichnete Historiker Dr. Grischa Vercamer (r.) über seine Forschungen zur Siedlungsgeschichte des Samlandes. In der Mitte eine Szene vom Empfang nach dem Festakt am Sonntag.


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