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15.11.08 / Birthler-Behörde ist sich sicher / Wer war IM Junior? – Ehemaliger Tagesschau-Chef Wabnitz bestreitet Stasi-Verstrickung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-08 vom 15. November 2008

Birthler-Behörde ist sich sicher
Wer war IM Junior? – Ehemaliger Tagesschau-Chef Wabnitz bestreitet Stasi-Verstrickung

Der langjährige Chefredakteur von Tagesschau und Tagesthemen (1999 bis 2005 bei ARD-aktuell), Bernhard Wabnitz, 56, soll laut „Welt“-Online unter dem Decknamen „Junior“ in den achtziger Jahren Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen sein. Seinerzeit war er noch ein einfacher Redakteur.

Wabnitz wehrt sich dagegen, mit dem Stasi-Spitzel „Junior“ in Verbindung gebracht zu werden, und hat Klage gegen den Springer-Verlag und die Birthler-Behörde (nach der Beauftragten, Marianne Birthler) eingereicht. Der 54jährige sieht in dem Artikel seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Nach diesem belasten Akten der „Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes“, kurz „Birthler-Behörde“, den heute einflußreichen Journalisten schwer. Die Vorwürfe beziehen sich auf ein 50 Seiten umfassendes Papier der Behörde. „Junior“ war bislang ein Phantom in den Stasi-Akten, über das viele Mutmaßungen kuriserten. Ein Zuträger aus dem Herzen der Medien soll er gewesen sein. Als IM habe er Informationen aus Politik und Kirche nach Ost-Berlin weitergegeben. Wabnitz bestreitet vehement, je in irgendeiner Form wissentlich für die Stasi gearbeitet zu haben.

Marianne Birthler sagt zum Fall „Junior“: „Der Tatsache, daß wir diese Unterlagen herausgegeben haben, können Sie entnehmen, daß wir unserer Sache sicher sind.“ Eine regelrechte Puzzlearbeit sei es gewesen, die aus dem Vatikan und westdeutschen Medien kommenden Spuren zusammenzusetzen. Mehr durch Zufall sei man „Junior“ schließlich auf die Schliche gekommen, als zwei Stasi-Spione in der katholischen Kirche enttarnt wurden. Seither wird lebhaft diskutiert, ob Wabnitz „Junior“ war und wenn ja, ob er als solcher gezielt Informationen weitergab, oder „nur“ abgeschöpft wurde, also nicht wußte, daß DDR-Dienste ihn seit 1982 als Informationsquelle mißbrauchten.

„Man muß sich einmal vorstellen, was so jemand für manipulative Möglichkeiten hatte“, sagt der renommierte Berliner Stasi-Forscher Manfred Wilke gegenüber der PAZ. Wilke ist Mitbegründer des Forschungsverbundes SED-Diktatur. „Die Journalisten selbst waren nicht Zielobjekte, sondern sollten an Politiker und Zielpersonen herankommen, die von der Stasi sonst nicht erreicht wurden“, so Wilke. Das von „Junior“ gesammelte Wissen wirkt daher scheinbar banal. „Junior“ gab selten wirklich Neues wieder. Der fast schizophrene Geheimdienst glaubte nicht an eine unabhängige West-Presse, also brauchte er jemanden, der eine Rückversicherung bot. „Juniors“ Informationen landeten nachweislich auf den Schreibtischen Erich Honeckers wie auf denen hochrangiger SED-Politbüro-Mitglieder.

Doch konnte Wabnitz überhaupt „Junior“ sein? Die Lebensläufe von „Junior“ und dem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk langgedienten Journalisten weisen Überschneidungen auf. Einer am 1. März 1982 (dem Jahr seiner Anwerbung) angelegten Karte zufolge wurde IM „Junior“ 1952 geboren. Wabnitz erblickte ebenfalls 1952 das Licht der Welt. „Junior“ sprach Englisch und Italienisch – Wabnitz studierte unter anderem Romanistik, spricht beide Sprachen. Und Wabnitz arbeitete, wie es die Akten zu „Junior“ vermerken, in der Zeit für den Bayerischen Rundfunk.

Gerade der Statistikbogen, mit dem die Stasi ihre Zuträger von den engagierten Mitarbeitern unterschied, enttarnt „Juniors“ Klarnamen, weist ihn als Inoffiziellen Mitarbeiter, als IM, aus. Wer ohne eigenes Zutun ausgehorcht wurde, bekam von der Stasi dagegen die Bezeichnung „Kontaktperson“. Der Berliner Stasi-Forscher Wilke betont gegenüber der PAZ: „In ihrer Kategorisierung unterschied die Stasi sehr genau zwischen IM und Kontaktpersonen.“

Ein Schreibfehler ist unwahrscheinlich. Denn „Junior“ wurde in der Bundesrepublik auf „ideologischer Basis“ geworben, so die Papiere. Er war somit nach Auffassung von Stasi-Experten Überzeugungstäter. Dabei liegen paradoxerweise weder ein schriftlicher Bericht von „Junior“ selbst, noch die sonst übliche Verpflichtungserklärung vor. Doch taucht der Deckname „Junior“ als Informationsquelle in anderen Stasi-Dokumenten auf.

Zudem war „Junior“ Kundschafter und für die galten stets besondere Regeln. Daß bisher nur auf ihn verweisende Informationen gefunden wurden, mag noch einen anderen Grund haben. Die für Auslandsagenten zuständige Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) durfte in der Wende 1990 ganz offiziell ihre Unterlagen vernichten. Genehmigt von der letzten, der Übergangsregierung der DDR.        Sverre Gutschmidt


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