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15.11.08 / Bosnien droht der Zerfall / Krise im Schatten des Kosovo – EU will »2+5«-Eilstrategie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-08 vom 15. November 2008

Bosnien droht der Zerfall
Krise im Schatten des Kosovo – EU will »2+5«-Eilstrategie

In Europa bestehen drei Arten von Staaten: EU-Mitglieder, EU-Beitrittskandidaten und – Bosnien-Herzegowina“ – vor drei Jahren lief dieser bittere Witz in Sarajewo um, der am 16. Juni 2008 ad acta gelegt erschien: Bosnien-Herzegowina signierte ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU. Doch wer nun einen politischen „Ruck“ in Richtung EU-Integration erwartet hatte, sei enttäuscht worden, klagte Anfang November Miroslav Lajcak, Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft und der EU (HR/EUSR) in Bosnien. EU, USA, Europarat und andere sahen es auch so.

Am 6. November beschloß das Präsidium Bosniens die Ratifizierung des SAA, was in Brüssel wie eine Verhöhnung aufgenommen wurde: Bereits am Vortag warnten EU-Spitzenpolitiker: „Mit Ihrer antieuropäischen und reformfeindlichen Politik riskieren Sie die Entzweiung Bosniens von der Europäischen Union.“ Olli Rehns „Fortschrittsbericht“ bescheinigte Bosnien, Reformen zu vernachlässigen und ethnische Spannungen zu schüren, und schon Ende Ok-

tober hatte die EU Hilfsgelder für das Land gestoppt und die USA Spitzenpolitiker wie Präsidiumsmitglied Silajdzic und Außenminister Alkalaj auf eine schwarze Liste „unerwünschter Personen“ gesetzt.

Begonnen hatte alles am 22. Ok-tober, als im britischen „Guardian“ Richard Holbrooke, einst Präsident Clintons Bosnien-Beauftragter, und Paddy Ashdown, 2002 bis 2006 Hoher UN-Repräsentant in Bosnien, einen gemeinsamen Artikel „Bosnisches Pulverfaß“ publizierten: Bosnien stehe vor der „realen Gefahr des Zerfalls“, weil die EU nie eine Strategie für das Land gehabt habe und sich derzeit nur mit dem Kosovo beschäftige, wo doch „Bosnien immer die größere und gefährlichere Herausforderung war“. Eine transatlantische „Einheit“ müsse wie 1995 das bosnische Ruder herumreißen, oder „wir schlafwandeln in eine zweite Krise“.

Holbrooke und Ashdown hatten völlig recht – wie sie aber auch die Hauptschuldigen des bosnischen Desasters sind. Holbrooke war 1995 der „Architekt“ des Friedens-pakets von Dayton, mit dem Bosnien nach fast vier Jahren Krieg militärisch befriedet, aber in zwei „Entitäten“ zerschlagen wurde, im Norden und Osten die „Republika Srpska“ (1,5 Millionen Einwohner), im Süden und Westen die „Bosnisch-Kroatische Föderation“ (mit 2,3 Millionen Einwohnern). Nach dem Prinzip „Drei Völker, zwei Entitäten, ein Staat“ sollte die Republik Bosnien-Herzegowina wieder entstehen. Ashdown sorgte am meisten dafür, daß das Gegenteil erreicht wurde: Die Entitäten sind eine „Einladung“ zur ethnischen Säuberung, unterlassene Verfassungsreformen höhlten den Zentralstaat fast bis zum Vergehen aus, die Entitäten stehen sich feindlich gegenüber, überstürzte Privatisierungen haben Bosnien zum Eldorado für Wirtschaftsverbrecher gemacht, und noch immer konnten rund eine Million Kriegsflüchtlinge nicht in ihre von Nationalismus vergiftete Heimat zurückkehren.

Schon bis 2002 hat die internationale Gemeinschaft rund 50 Milliarden Dollar nach Bosnien gepumpt, danach weitere Riesensummen. Erreicht hat sie wenig: Wirtschaftswachstum, Außenhandel und Investitionen fallen laufend – gestiegen ist die aufgeblähte Bürokratie, sichtbar an 167 Ministerien in Entitäten und deren Untergliederungen, die 70 Prozent der Staatseinnahmen verschlingt. 90 Prozent der jungen Bürger wollen das Land verlassen, da sie in Bosnien keine Chance für sich sehen.

Mit einer „Zwei plus fünf“-Eilstrategie will die EU nun Ordnung in Bosnien schaffen, den Reformstau auflösen und ihre eigene Präsenz dort stärken. Die von Holbrook und Ashdown namentlich angegriffenen Dodik und Silajdzic können darüber nur lachen: Sie betrachten die EU-Vorhaben als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für EU-Bürokraten.            Wolf Oschlies


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