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22.11.08 / Das letzte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

Das letzte von vier Königreichen
Nach der Krönung in Bhutan: Demokratie soll weiteren Anschluß an die Neuzeit ermöglichen

Vor wenigen Tagen wurde der neue König von Buthan feierlich gekrönt. Sein kleines Land ist das letzte von einst vier Königreichen in der abgelegenen Region.

Eine neue Ära ist in die lange Zeit vom Westen abgeschotteten Königreiche des Zentral-Himalaya eingezogen: Von den ursprünglich vier prunkvollen Monarchien existiert lediglich noch eine, der Zwergstaat Buthan. Sein modern eingestellter neuer König sieht sich als Garanten der von ihm aus eigenen Stücken eingeführten Demokratie. 

Im benachbarten Nepal wurde nach jahrelangem Bürgerkrieg mit 12000 Toten die Monarchie erst vor wenigen Monaten ganz abgeschafft. 2007 konnte nach einem Abkommen mit den mao-istischen Rebellen eine föderale demokratische Republik ausgerufen werden. Sie ging 2008 unter dem Namen „Bundesrepublik Nepal“ für die 28 Millionen Einwohner des zerklüfteten Landes mit seinen 100 verschiedenen ethnischen Gruppen durch die Wahl eines Parlaments aus neun Parteien inklusive der starken Fraktion der Maoisten in die bewegte Landesgeschichte ein. Mit diesem Datum verjagten die Nepalesen ihren absolutistischen Herrscher Gyanendra. Dem Ex-König wurden seine Steuerprivilegien sowie die Staatsapanage von 3,1 Millionen Dollar gestrichen. Sein Portrait in den Amtsstuben und auf Münzen ist längst verschwunden, seine Herrscherkrone aus Yak-Haar und Pfauenfedern mußte er an den Nagel hängen – ein harter Schlag für die seit 1769 regierende Dynastie, die ihre Existenz auf die Reinkarnation von Hindugöttern zurückführt. 

Das bei europäischen Trekking- und Bergsteiger-Touristen unverändert beliebte Land mit rund 300000 Touristen jährlich war durch marodierende Rebellenhorden, schießwütige Regierungstruppen und den zwölfjährigen erbitterten Bürgerkrieg ausgeblutet. Abholzung der Wälder und nachfolgende Erosion setzten den natürlichen Reserven des Bergstaates zu. Außerdem hatte eine überbordende Korruption das bitterarme Land für eine Revolution reif gemacht. Noch heute werden pro Jahr rund 20000 Mädchen zwischen acht und 18 Jahren als Opfer der noch vor allem auf dem Land geübten Kastenstruktur eingefangen und an Bordelle in Indien verkauft, Zustände, die den rekordsüchtigen Mount-Everest-Besteigern wohl kaum bekannt sind. Immerhin tragen sie zu 30 Prozent zum Bruttosozialprodukt der Nepalesen bei und bringen mehr Geld in die Staatskasse als etwa die Landwirtschaft, in der 80 Prozent der Einwohner arbeiten. Die Industrie (vorwiegend Teppiche) deckt nur 17 Prozent. 

Das Hochland und das Königreich Tibet fiel bereits im 16. Jahrhundert in die Hand der Lamas. Dieses größte Staatsgebilde in den Höhen des mächtigen Bergmassivs wurde sodann 1950 von den roten Machthabern in Peking annektiert, das religiöse und bis dahin auch staatliche Oberhaupt der Buddhisten, der Dalai Lama, mußte ins Exil. Von dort aus kämpft er seither für mehr Autonomie und den Erhalt der alten Kultur in seiner Heimat, die über Jahrhunderte von einer feudalen und von den Klöstern und der gestrengen „Lama-Polizei“ gesteuerten Struktur gekennzeichnet war. 

Nicht viel anders erging es dem Königreich Sikkim. Die Macht des „Chogal“ (Königs) endete nach mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen vor allem mit Nepal mit der Entwaffnung der Palasttruppen in der Hauptstadt Gangtok durch indische Soldaten. Sikkim („Garten des Indra“) wurde so 1976 eine Provinz Indiens, die seit 2006 durch die erfolgte Öffnung des hohen Nathula Passes auch über eine direkte Verbindung zum tibetischen Lhasa verfügt. Sie soll zudem bald durch eine Eisenbahnlinie ergänzt werden, was die beiden aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien enger aneinander bindet.

Im Gegensatz zu diesen Leidensgeschichten steht die Entwicklung im östlich gelegenen Zwergreich Buthan, dem geheimnisumwitterten „Land des Donnerdrachens“, mit seinen nur 635000 Einwohnern. Der hoch gebildete und in Oxford erzogene König Jigme („Wohlbefinden der Bürger ist wichtiger als Wachstum des Sozialprodukts“) hielt sein Land von der Hauptstadt Thimpa aus streng gegen Einflüsse westlicher Kultur abgeriegelt, es gab schon bei seinem Vater jahrzehntelang praktisch keine Visa. Die Majestäten schauten stets auf den Wohlstand ihrer Untertanen, die Bewahrung der nationalen Identität, der buddhistischen Religion und eigenen Kultur sowie auf die sorgfältige Nutzung der Natur und die Schonung der Umwelt. Für einen gefällten Baum etwa müssen laut Dekret zwei neue gepflanzt werden. Es gelang dem jungen Herrscher in einer der ältesten Monarchien der Welt, das Pro-Kopf-Einkommen auf einen der höchsten Stände in Südasien zu heben.

Erst jetzt öffnet sich das in der übrigen Welt kaum bekannte Land zaghaft und nur für einen Hochpreis-Tourismus. Internet ist inzwischen Standard, der früher in der Infrastruktur unterentwickelte Staat wird weiter zügig ausgebaut und gilt als einer der wichtigsten Lieferanten von Agrarprodukten für Indien. Schon alleine deswegen war es für Jigme schwierig, seinen Untertanen die Abkehr von der reinen Monarchie und die Einführung der Demokratie nahezubringen. Die Bürger im einzigen Land der Erde, in dem das Wohlbefinden – nicht der Wohlstand – der Bewohner in der Verfassung als oberste Priorität festgeschrieben steht, waren auch so zufrieden. Jetzt ist allerdings auch ihnen die Moderne verordnet worden.              J. Feyerabend

Foto: Er will sein Land modernisieren: König Jigme hat in Oxford studiert und will ein gerechter Herrscher sein.


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