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22.11.08 / Autoindustrie droht tiefe Krise / Poker um die Sicherung der deutschen Opel-Standorte – Lange Weihnachtspause nun auch bei BMW

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

Autoindustrie droht tiefe Krise
Poker um die Sicherung der deutschen Opel-Standorte – Lange Weihnachtspause nun auch bei BMW

Sehr schnell haben Politiker von CDU und SPD Hilfen für Opel in Aussicht gestellt. Doch negative Folgen der Existenzkrise der Konzernmutter General Motors für Deutschland sind nicht leicht abzuwenden.

„Jeder Popel fährt ‘nen Opel“ sangen einst die „Prinzen“, und das Lied der sächsichen Popgruppe endete mit dem Vers: „Nur Genießer fahren Fahrrad, und sind immer schneller da.“ Zwar werden Autos den wenigen Kaufwilligen heute mit immer größeren Rabatten angeboten, so daß der Rückgriff auf das Fahrrad nicht nötig werden wird. Dennoch hat das Lied fatale Aktualität, denn Opel hat unverändert Imageprobleme, und in der Autoindustrie ist ein Massensterben nicht mehr ausgeschlossen.

Selbst ein alter Hase wie Daimler-Chef Dieter Zetsche bekannte: „Eine Krise dieser Dimension habe ich noch nicht erlebt, und ich habe in den letzten Wochen auch niemanden getroffen, der etwas anderes behaupten konnte.“ Der weltbekannten Marke Mercedes-Benz geht es noch vergleichsweise gut. Dies liegt nicht nur daran, daß man in Stuttgart qualitativ hochwertige Automobile baut und immer noch über eine besonders zahlungskräftige Kundschaft verfügt. Anders als viele Massenhersteller ist Daimler nicht so sehr auf die Kauflust der Privatkunden angewiesen, da ein Großteil der nicht gerade billigen Pkw im Flottengeschäft als Dienstfahrzeuge an die Frau oder an den Mann gebracht wird.

Doch auch Zetsche gibt sich ungewohnt demütig und will Staatshilfen für die gesamte Autobranche nicht ausschließen. Was der Premiumhersteller noch im Konjunktiv formuliert, ist für den Massenhersteller Opel bereits bittere Realität geworden. Opel-Chef Hans Demant bemüht sich um eine staatliche Milliarden-Bürgschaft, wurde aber von der Kanzlerin gleichsam auf den Weihnachtsmann vertröstet: Bis zum Fest wolle man entscheiden. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat die Bereitschaft zur staatlichen Rettung der Opel-Standorte in seinem Land signalisiert, und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (ebenfalls CDU) will angeblich für „seine“ Standorte – namentlich Rüsselsheim – 500 Millionen Euro aus der Schatulle holen.

Vor noch nicht allzu langer Zeit richteten sich in Rüsselsheim alle Augen auf den „Insignia“. Er sollte der Kran sein, an dem Opel wieder nach oben schwebt. Doch allein über die Produkte – mögen sie noch so gelungen sein – kann sich ein Massenhersteller heute nicht mehr signifikant vom Wettbewerb abheben, der auch keine schlechtere Arbeit macht. Die Marke Opel ist nach Ansicht des Automobilexperten Stephan Dorner in Westeuropa über Jahre vom Mutterkonzern General Motors (GM) vernachlässigt worden. Opel liegt in Deutschland mit unter zehn Prozent Marktanteil weit hinter den Erwartungen von GM Europa.

Der einst größte Autobauer der Welt hat binnen vier Jahren 73 Milliarden Dollar Verlust gemacht. Der Konzern kann angeblich nur noch bis Dezember Löhne und Rechnungen zahlen. Dieses bittere Resultat einer verfehlten Strategie will das amerikanische Mutterhaus jetzt zum Teil auf die Europäer abwälzen. Allein im Oktober fiel der Absatz auf dem US-Markt um 45 Prozent.

„Ohne Bürgschaft geht Opel in Konkurs“, sagt der „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer. Ohne die Bereitstellung einer Bürgschaft könne es zu einem Super-Gau in der Branche kommen: „Dann werden die Zulieferer nicht mehr liefern, die Händler bekommen keine neuen Autos mehr und brechen zusammen. Damit wird es zu einem Massensterben in der Autoindustrie kommen.“

Bei Opels altem Erzrivalen Ford sieht die Lage auch nicht rosig aus. Zwar jubeln die Kölner, daß sich ihr Absatz im Oktober in Deutschland „äußerst positiv“ entwickelt habe und seit sechs Monaten der Pkw-Marktanteil kontinuierlich steige. Doch über die Ertragslage sagen diese Zahlen nicht viel, und schon will der Kreditversicherer Euler Hermes gemeinsamen Lieferanten des Opel-Mutterkonzerns GM und Fords wegen der unsicheren Lage und Insolvenzgerüchten keinen Schutz mehr gewähren.

Bei Volkswagen sorgen neue Hiobsbotschaften für Unruhe. Eben erst hat man die seltsamen Kurskapriolen an der Börse verdaut, da droht Ungemach aus Brüssel. Kurz nachdem der Bundestag das umstrittene VW-Gesetz verabschiedet hat, stellt es die EU wieder in Frage. Brüssel ist insbesondere gegen die in der Neufassung des VW-Gesetzes vorgesehen Sperrminorität von 20 Prozent. Diese sichert dem Land Niedersachsen bei wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht in der Hauptversammlung des Konzerns.

Mercedes-Konkurrent BMW will in diesem Jahr – allerdings unfreiwillig – besonders besinnliche Weihnachtstage einlegen. Daß vielleicht geschenkte 200 Euro bei der Kfz-Steuer niemanden zum Erwerb eines Neuwagens animieren, diese Botschaft ist bei den Politikern in Berlin noch nicht angekommen. Sie haben ja auch schließlich einen Dienstwagen. Leider mangelt es ihnen am Mut, in der derzeitigen Krise die Mehrwertsteuer beherzt wieder nach unten zu befördern.           Ansgar Lange

Foto: Auch Autohändlern droht Pleite: Selbst große Rabatte können die Kaufunlust der Privatkunden nicht überwinden.


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