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22.11.08 / »Homestory« des Reformators / Archäologen sind dem Privatleben Luthers auf der Spur – Er stammte aus vermögender Familie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

»Homestory« des Reformators
Archäologen sind dem Privatleben Luthers auf der Spur – Er stammte aus vermögender Familie

Das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale zeigt bis zum 26. April 2009 die große Landesausstellung „Fundsache Luther – Archäologen auf den Spuren des Reformators“ mit neu entdeckten Hinterlassenschaften der Familie Martin Luthers.

Kaum eine historische Persönlichkeit hat die geistige Entwick-lung Europas so geprägt wie der  Reformator Martin Luther (1483–1546). Wenn er auch als eine der wichtigsten Gestalten der europäischen Geschichte gilt, so ist doch über sein Privatleben und seine Familie nur wenig bekannt gewesen. Bis jetzt. Was bei den Prominenten von heute die sogenannten Homestories in der Boulevardpresse sind, das macht im Falle Luthers durch glückliche Zufälle die Archäologie möglich. Zahlreiche ausgegrabene Fundstücke aus dessen Elternhaus in Mansfeld sowie dem Luther-Haus in Wittenberg, die das Herz der Landesausstellung bilden, sowie einige Funde aus Luthers Geburtshaus in Eisleben verraten Erstaunliches über den Haushalt und die Lebensführung der Familie Luther.

Vieles ist in schriftlichen Quellen nicht oder gar falsch vermerkt. So soll Luther selbst stets behauptet haben, er stamme aus ärmlichen Verhältnissen: „Ich bin der Sohn eines armen Häuers (Bergmannes). Meine Mutter hat all ihr Holz auf dem Rücken eingetragen.“ Der Kurator der Ausstellung in Halle, Björn Schlenker, mahnt allerdings: „Alle Äußerungen zu seiner ärmlichen Kindheit stammen aus Luthers Tischreden. Diese wurden aber erst 20 Jahre nach seinem Tod von seinem letzten Famulus (Schüler) veröffentlicht. Ob er das tatsächlich alles so gesagt hat, weiß Gott allein.“ In der Ausstellung kann man sich nun auf 1200 Quadratmetern erstmals ein Bild vom Leben des Reformators und seiner Familie machen. Über 600 Exponatgruppen von 63 Leihgebern aus sieben Ländern machen dies möglich.

Bei der Grabung im Herbst 2003  am Mansfelder Elternhaus kamen Hunderte von Gegenständen zutage, die ein Licht auf die Lebensumstände im Hause Luther werfen. Ergebnisse eigens durchgeführter Bauforschungen liefern ein vollkommen neues Bild der lutherischen Immobilie in Mansfeld: Luthers bewohnten kein einzelnes Haus, sondern ein stattliches Gehöft mit Wohngebäuden, Stallungen und Lagerhäusern. Es hatte eine Straßenfront von etwa 25 Metern und eine Tiefe von 70 bis 80 Metern. Wie wohlhabend die Familie war, zeigen Funde wie kostbare Gläser, Tafelmesser und ein spektakulärer Münzschatz von 300 Silbermünzen. Alles scheint überhastet entsorgt worden zu sein. Die Archäologen fanden hierfür eine plausible Erklärung: „Als zwei Brüder Luthers 1505 in Mansfeld an der Pest starben, verbrannte die Familie offenbar in großer Eile die Besitztümer der Söhne, da sie befürchtete, angesteckt zu werden, und entsorgten sie zusammen mit anderem Abfall in einer Grube auf dem Grundstück. Dort befanden sich zudem Hunderte von Tierknochen, die eine relativ genaue Rekonstruktion von Luthers Speiseplan erlauben. Man leistete sich das teure Fleisch von jungen Schweinen, jagte und verzehrte sogar Singvögel.“ Die Ausgrabungen in Mansfeld waren Anstoß für ein weiteres Forschungsprojekt am Lutherhaus in der Wittenberger Collegienstraße, wo ebenfalls spektakuläre Hinterlassenschaften der Familie zutage kamen.

Martin Luther bewohnte das ehemalige Klostergebäude ab 1525 zusammen mit Frau Katharina und sechs Kindern. – Zwei von ihnen, Sohn Johannes (1526–1575) und Tochter Margarethe (1534–1570), verheiratete von Kuenheim, lebten und starben übrigens in Ostpreußen. – Die außerordentlich zahlreichen und vielfältigen Fundstücke in Wittenberg erzählen in eindrucksvoller Weise vom Alltag und Arbeiten des Reformators und seiner Familie. Aufschluß geben vor allem die Funde im Turm, dem ehemals als „Waschhaus“ geschmähten Gebäude, das in Wirklichkeit Luthers Arbeitszimmer beherbergte. Dort hatte er nach eigener Aussage seine bahnbrechenden Ideen entwickelt.

„Für evangelische Christen“, so Bischof Axel Noack im Grußwort zum aufwendig gestalteten Ausstellungskatalog, „ist aber der Turm die wohl größte Sensation. Im sogenannten Turmerlebnis gelangte Martin Luther zu der für unser evangelisches Bibelverständnis so wichtigen Erkenntnis, daß wir aus Gnade und Glauben vor Gott gerecht werden und nicht durch unsere Verdienste

(Röm 1, 17). Die Archäologen haben diesen ,Geburtsort der Reformation‘ wiederentdeckt – vollkommen unbeachtet ist er im 19. Jahrhundert abgerissen worden.“

Um den Turm herum fanden sich weitere Kostbarkeiten. Sie waren nach Luthers Tod, als die Universität Wittenberg das Wohnhaus übernommen hatte und sich von allem unnützen Zierrat trennte, im Hinterhof entsorgt worden. So kann man in der Ausstellung auch edles Tafelgeschirr aus Venedig und der Türkei bestaunen, aber auch buntglasierte Ofenkacheln, verziert mit Personen aus dem Alten Testament. Pikanterweise besaß Luthers Gegenspieler, der in Halle residierende Kardinal Albrecht von Brandenburg, einen ebensolchen Kachelofen.

Ergänzt wird die Schau durch Habseligkeiten Luthers, welche die Jahrhunderte weit verstreut in verschiedenen musealen Sammlungen überdauerten und die in dieser Vollständigkeit bisher noch nie zusammen gezeigt wurden, darunter seine Kutte, die er als Augustinermönch trug. Silke Osman

Die Ausstellung „Fundsache Luther – Archäologen auf den Spuren des Reformators“ im Landesmuseum für Vorgeschichte, Richard-Wagner-Straße 9, Halle (Saale), ist bis 26. April 2009 von dienstags bis sonntags von 9 bis 19 Uhr, am 24. und 31. Dezember von 9 bis 14 Uhr geöffnet, Eintritt 7 / 5 Euro, Katalog im Museum 24,90 Euro.

Foto: Geheimnisvoller Reformator: Ein Plakatmotiv zur Luther-Ausstellung unter Verwendung eines Porträts von Lukas Cranach dem Älteren von 1528


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