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22.11.08 / Der Wappenvogel bleibt unsichtbar / Die Berliner Loriot-Ausstellung versäumt es, die geistigen Wurzeln der Kunst Vicco v. Bülows offenzulegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

Der Wappenvogel bleibt unsichtbar
Die Berliner Loriot-Ausstellung versäumt es, die geistigen Wurzeln der Kunst Vicco v. Bülows offenzulegen

Eine der preußischen Tugenden ist, so weiß man, die Zurückhaltung: Mitunter aber stört diese an und für sich lobenswerte Eigenschaft – vor allem dann, wenn es sich um eine Ausstellung über einen der beliebtesten deutschen Künstler handelt: Die Rede ist von „Loriot – Die Hommage“, jener Exposition, die das Museum für Film und Fernsehen in Berlin zum

85. Geburtstag von Vicco von Bülow veranstaltet hat. Freilich – alle Schaffensperioden des großen Humoristen sind darin beleuchtet: von seinen Anfängen als Cartoonist bei Zeitungen wie dem „Hamburger Abendblatt“ oder dem „Stern“ während der frühen 1950er Jahre bis hin zu seiner Arbeit als Schauspieler und Regisseur von Filmen wie „Ödipusssi“ (1988) und „Pappa ante Portas“ (1990).

Es fehlen darin nicht seine legendär gewordenen Fernseh-sketche oder die Zeichnungen mit den berühmten Knollennasemännchen, weder seine lyrischen Versuche noch seine Ausflüge in die Welt der klassischen Musik und der Oper.

All das kann man in einer Galerie betrachten, in der sich neben dem graphischen Werk die in braune Bilderrahmen projizierten Filmsequenzen denkbar skurril ausnehmen. Aber: Was eine solche Gesamtschau gewöhnlich erhellt, die Traditionen, denen sich der Künstler besonders verpflichtet fühlt, oder seine Prägungen durch Weggefährten oder Freunde – davon erfährt man nichts.

Der Besucher hat sich insofern selbst etwas zusammenzureimen, über Sinn und Unsinn des komischen Universums von Loriot, über seine Quellen und Zuströme, und hierbei sind ihm auch nur die spärlichen biographischen Angaben der Veranstalter behilflich, beispielsweise die Bedeutung des Künstlernamens: Denn Loriot heißt auf französisch Pirol – er ist das Wappentier derer von Bülow, dem alten preußischen Adelsgeschlecht und es ist zugleich ein versteckter Hinweis auf die künstlerische Identität.

Tatsächlich scheint das humoristische Schaffen des 1923 in Brandenburg an der Havel geborenen Bernhard Victor (Vicco) Christoph Carl von Bülow nicht loszulösen zu sein von seiner Herkunft und Erziehung.

Als Sohn eines preußischen Polizeioffiziers, von dem er einmal sagte, daß dieser immer „selbstbeherrscht“ und „würdig“ gewesen sei, sich aber zugleich auch „totlachen konnte über diese Würde und auch die Komik, die mit ihrem Mißlingen verbunden war“, hat Loriot dieses Motiv Zeit seines Lebens aufgegriffen.

Immer sind es bei ihm Figuren, die gerade durch ihre Würde und Haltung komisch wirken – vor allem dann, wenn in ihre geordnete Welt das Chaos hereinbricht. So etwa, wenn ein Chef seine äußerst kurzsichtige Sekretärin verführen will und sie bittet, die Brille abzunehmen, so, wenn ein Mann einer Frau eine berührende Liebeserklärung mit einer Nudel am Mund macht, die ihm dort vom Essen hängengeblieben ist, und so auch in dem wohl berühmtesten Fernsehsketch von Loriot, der „Zimmerzerstörung“, als der in einer Villa auf die Herrschaft wartende Finanzbeamte ein Bild an der Wand gerade rücken will und dadurch die ganze Einrichtung demoliert. Als das Zimmermädchen ihn hereinbitten will und konsterniert schaut, sagt Loriot verstört: „Das Bild an der Wand hängt schief!“

Ordnungssinn, Aufrichtigkeit, Redlichkeit – auch das sind preußische Tugenden. In dem Loriot sie immer wieder liebevoll aufs Korn genommen hatte, wurde er in der Bundesrepublik auch zum Nachfahren jener preußischen Offiziere, die mit ihren selbstironischen Witzen das Satiremagazin „Simplicissimus“ belieferten – aber davon erfährt man ebenfalls nichts.

Man hätte sich daher gewünscht, daß die Veranstalter die geistigen Wurzeln von Loriots Komik offengelegt hätten, zumal vor allem ältere Besucher sich an den längst bekannten Gags erfreuten, während jüngere oft etwas ratlos davor standen.    

Michael Böhm

Foto: Der Meister und seine Schöpfungen: Vicco von Bülow alias Loriot mit zwei Knollennasenmännchen


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