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22.11.08 / »Haus des unbekannten Architekten« / Am Königsberger Dom entsteht unweit des Immanuel-Kant-Grabs ein überdimensioniertes WC

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

»Haus des unbekannten Architekten«
Am Königsberger Dom entsteht unweit des Immanuel-Kant-Grabs ein überdimensioniertes WC

Die Diskussion um das künftige Antlitz des Königsberger Stadtzentrums erhitzt seit geraumer Zeit die Gemüter. Noch ist der Streit über die Ausrichtung – modern oder an die Geschichte anknüpfend – nicht ausgetragen. Ein Architektenwettbewerb soll die Entscheidung erleichtern. Davon unberührt bleiben Bauvorhaben, die bereits durchgeführt werden.

Wie gewohnt unternahm Pawel Iwanow unlängst einen Spaziergänge auf dem Kneiphof. Er traute seinen Augen nicht, als er den Dom, den ganzen Stolz und die beliebteste Sehenswürdigkeit der Stadt, erblickte. Mehrere Stapel Ziegelsteine versperrten ihm und Dutzenden anderen Spaziergängern den Weg. Unmittelbar neben dem Grab des großen Philosophen Immanuel Kant am Königsberger Dom hatten Bauarbeiten begonnen. Die neugierig gewordenen Passanten konnten zusehen, wie Arbeiter aus Tadschikistan und Usbekistan Ziegelwände hochziehen.

Da seit geraumer Zeit Pläne zur Umgestaltung des Kneiphofs mit modernen Hotel- und Wohnkomplexen in Königsberg heiß diskutiert werden, riefen viele besorgte Bürger bei Dombaudirektor Igor Odinzow an, weil sie glaubten, die Bebauung sei bereits im Gange. Odinzow konnte sie damit beruhigen, daß es sich lediglich um den Bau eines „sanitärtechnischen Komplexes“ – zu Deutsch: eines größeren Toilettengebäudes – handele. Weil der Königsberger Dom über keine Toiletten verfügte, hatte man auf der Insel einige „Dixies“ aufgestellt.

Zwar ist man sich über dieses Bauvorhaben auf dem Kneiphof einig, doch wirkt die Größenordnung der im Bau befindlichen Bedürfnisanstalt unmittelbar an den Mauern des Architekturdenkmals „Königsberger Dom“ überdimensioniert und störend. Für gewöhnlich nennt man in Rußland Toiletten „Haus des unbekannten Architekten“. So gesehen muß sich der Schöpfer dieser Anlage für sein Werk nicht zu schämen.

Igor Odinzow konnte die besorgten Anrufer weiter beruhigen, indem er versicherte, daß es vorerst keine weiteren Baumaßnahmen auf dem Kneiphof gebe. Veränderungen könnten erst durchgeführt werden, nachdem die Ergebnisse des internationalen Architekturwettbewerbs zur Inselbebauung vorlägen. Bleibt nur zu hoffen, daß die teilnehmenden Baumeister in ihren Projekt-Planungen der grünen Lunge der Stadt, als die der Park des Kneiphofs gilt, Rechnung tragen. Die überwiegende Mehrheit der Königsberger ist gegen eine zu dichte Bebauung der Insel, denn sie ist eine der wenigen verbliebenen Grünflächen im Stadtzentrum.  

Jurij Tschernyschew

Foto: Etwas groß geraten: Der auffällige Toilettenneubau am Königsberger Dom versperrt den Blick auf das Kant-Grab.


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