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22.11.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

der Schock saß tief, als die Nachricht kam. Mich erreichte sie über einen weiten Umweg aus Estland, als Frau Ann Rekkaro mir mitteilte, daß ihre Freundin Herta Tuschewitzki verstorben sei, der sie als geborener Königsbergerin ihre samländische Tracht verdankte. Noch beim Deutschlandtreffen in Berlin hatten sie mich zusammen aufgesucht, beide in ihrer schönen Tracht, Herta Tuschewitzki lebhaft und herzlich wie eh und je. Wer hätte gedacht, daß es ihre letzte Teilnahme an einem Heimattreffen sein sollte, an denen sie so oft mitgewirkt hatte. Ostpreußische Werkwochen ohne Herta Tuschewitzki, Veranstaltungen des „Freundeskreises zur Erhaltung und Pflege ostpreußischen Kulturgutes“, bei denen sie stets ein beliebter und ansprechbarer Mittelpunkt war, ohne diese Frau, die es sich zur Aufgabe gemacht, ostpreußisches Kulturgut zu bewahren und zu gestalten? Kaum denkbar für alle, die mit ihr verbunden gewesen waren, die sie auf einer dieser liebevoll gestalteten Ausstellungen als Trägerin heimatlicher Volkskunst kennengelernt hatten. Und das nicht nur sichtbar in ihrer samländischen Tracht, sondern auch als Mitgestalterin vieler Heimattreffen, die von ihrer tiefen Verbundenheit zum ostpreußischen Brauchtum zeugten, das sie in ihrer offenen und heiteren Art auch Unwissenden zu vermitteln verstand. Es soll und muß deshalb noch einmal auf das Wirken dieser Ostpreußin eingegangen werden, und dazu bietet unsere Ostpreußische Familie, der sie sich eng verbunden fühlte, den besten Platz.

Geboren wurde Herta Schulz am 8. September 1930 in Lethenen, Kreis Labiau, wuchs aber im Samland auf, wo die altpreußische Vergangenheit auch in den Ortsnamen lebendig blieb: in Königlich Sudau. Auf dem Gut Carmitten wurde nach dem Ersten Weltkrieg für Frauen und Männer eine nach alter Überlieferung gefertigte schöne und tragbare Tracht geschaffen, von denen einige Kleidungsstücke durch alle Fluchtwirren gerettet werden konnten. Als Herta Tuschewitzki diese in der Heimatstube der Heimatkreisgemeinschaft Landkreis Königsberg entdeckte, erhielt sie die Genehmigung, eine Frauen­tracht nach diesen Vorlagen anzufertigen. Sie hatte schon als junges Mädchen bei ihrer Tante in Königsberg, einer Schneidermeisterin, nähen gelernt, vertiefte diese Kenntnisse nach dem Krieg als Ehefrau in einem großen Geschäftshaushalt in Hannover. Als die Ostpreußin von den Werkwochen in Bad Pyrmont hörte, nahm sie sofort daran teil und wurde bald Werkleiterin für ostpreußische Trachten. Ihre neu erarbeitete Carmitter Tracht erregte Bewunderung, aber dabei blieb es nicht. Das Volksgut der Heimat so sichtbar und anschaulich weiterzutragen sah Frau Tuschewitzki als ihre Verpflichtung an. So folgten die Tracht aus dem Großen Moosbruch, nach intensivem Nachforschen, Sammeln von Stoff­resten und aufgrund alter Fotos auch die Kurische und Masurische Tracht, die ostpreußische Sommer- oder Arbeitstracht. Und schließlich das lange Festtagskleid im dunkelroten Röschenmuster mit Bernsteinknöpfen. Überall, wo diese Trachten zu sehen waren, erregten sie Aufsehen und Bewunderung.

Vor allem auf den Ausstellungen des 1986 ins Leben gerufenen „Freundeskreises zur Erhaltung und Pflege ostpreußischen Kulturgutes“, zu dessen Mitbegründern Herta und ihr Ehemann Wilhelm Tuschewitzki gehörten. In den 22 Jahren seines Bestehens ist der Verein mit Sitz in Kempen auf dem Gebiet der Bewahrung und Pflege ostpreußischen Kulturgutes unermüdlich tätig gewesen, hat bei Großausstellungen und Deutschlandtreffen wie auf den Kulturtagen der ostpreußischen Kreisgemeinschaften mitgewirkt, war mit seinen vielseitigen Exponaten beim Ferientreff in Seeboden ebenso präsent wie auf Ausstellungen in Museen und Rat­häusern wie in Augsburg. Und konnte in Rauschen und Königsberg vor staunenden russischen Besuchern „Volkskunst aus Ostpreußen“ aufzeigen. Im Mittelpunkt dieser informativ wie attraktiv gestalteten Präsentationen immer Herta Tuschewitzki in ihrer schönen Tracht und dem Bernsteinschmuck: „Gelebtes Ostpreußen“, wie ein Freund dem Witwer schrieb, dem das Beileid aller gilt, die seine Frau gekannt haben. Irgendwie wird sie immer dabei sein, wenn man eine ostpreußische Tracht sieht.

Doch nun zu anderen Themen und Problemen, davon gibt es genug.

Unser Landsmann Paul Tollkühn aus Weil am Rhein meldet sich wieder einmal nach langer Zeit. Er stammt von der Pregelinsel Spohr – ich muß gestehen, daß ich nie zuvor etwas von diesem Eiland im Pregel nördlich von Schloß Friedrichstein, postalisch zu Waldau gehörend, gewußt habe, dabei glaubte ich doch immer, meine Heimatstadt Königsberg und das umliegende Samland bis in den letzten Winkel zu kennen! Diesmal betrifft seine Frage das Thema Familienforschung. Es handelt sich um den Namen, den er trägt: Tollkühn. Er möchte gerne wissen, woher er stammt und wer seine Vorfahren waren. Da kann ich ihm schon einmal mit Sicherheit sagen, daß sein Familienname prussischen Ursprungs ist. In dem von der Gesellschaft „Tolkemita“ herausgegebenen Buch „Deutsche Familiennamen – Prussischer Herkunft“ ist er vermerkt: Tollkühn, Tollkien: Tolkynen. Wer sich mit prussischer Geschichte beschäftigt, kennt die Bezeichnung „Tolken“ für die sprachlichen Mittler zwischen Prussen und Deutschen, die beide Sprachen beherrschten und somit eine Art Dolmetscher waren. Sie hielten sich besonders lange im Samland, wo es noch bis weit in das 17. Jahrhundert hinein prussische Sprachinseln gab. Und tatsächlich stammen die nachweisbaren Vorfahren von Paul Tollkühn aus Königsberg und dem Umland, allerdings reichen die Dokumente nicht sehr weit in die Vergangenheit zurück. Seine Großeltern waren Karl Tollkühn und Auguste geborene Salzmann. Sie hatten sechs Kinder: drei Mädchen mit Namen Berta, Gertrud und Therese, und die drei Söhne Gustav, Franz und Fritz, letzterer der Vater von Paul Tollkühn. Deren Nachkommen sind über ganz Deutschland verstreut. Deshalb bittet unser Landsmann alle, die den Namen Tollkühn tragen und mit ihm verwandt sein könnten, sich bei ihm zu melden. Auch für jeden Hinweis auf weitere Namensträger wäre er dankbar. Ich nehme an, unser Landsmann mit dem altpreußischen Namen wird reichlich Post bekommen! (Paul Tollkühn, Lindenstraße 15 in 79576 Weil am Rhein, Ortsteil Haltingen, Telefon 07621/62726.)

Natürlich freue ich mich immer, wenn ich Erfolge melden kann. Das ist aber nur möglich, wenn mir diese auch mitgeteilt werden, was nicht immer der Fall ist. Ein schlechtes Gewissen möchte ich in dieser Hinsicht aber niemandem einreden, es sei denn, er bezichtigt sich selber eines solchen – wie Frau Irmgard Koelmann aus Heimbach. Um so mehr freue ich mich, daß sie jetzt – ausgelöst durch eine kürzlich veröffentlichte Suchfrage, in der sie sich indirekt wiederfand – mir die Reaktionen auf zwei ihrer Wünsche mitteilt. Und die eine beinhaltet einen vollen Erfolg, denn Frau Koelmann fand die gesuchte Freundin aus ihrer Kindheit wieder. Sie schreibt: „Über Herrn Konrad Moysich, ehemals Pr. Holland, erhielt ich Kontakt zu seinem Bruder in Verden, der mir zur Anschrift der gesuchten Freundin verhalf. Jetzt tauschen wir regelmäßig Fotos und Erinnerungen aus. Ja, da hat Herr Moysich recht, man fühlt sich nicht nur miteinander verbunden, sondern gehört in Wahrheit zusammen – ein Gefühl, das ich nach insgesamt 20 Umzügen, das Elternhaus mit eingerechnet, weder in Westdeutschland noch im Ausland erlebt habe.“ Auch auf ihre Frage nach dem Schicksal ihrer Verwandten aus Landeck, Kreis Schlochau/Posen, erhielt sie einen Hinweis, der sich allerdings auf weitere Suchmöglichkeiten bezog. Da die Betreffenden nicht beim Evangelischen Suchdienst in Stuttgart registriert sind, nimmt Frau Koelmann an, daß sie in der Heimat verblieben und dort – hoffentlich nach einem erträglichen Schicksal – die letzte Ruhe fanden.

Es ist schön, wenn man von erfreulichen Dingen berichten kann, und deshalb danke ich Herrn Dr. Horst Hüttenbach für sein Schreiben, das sich auf die Königin-Luise-Büste in Königsberg bezieht. In Folge 21 hatte ich über seine Suche nach einer Abbildung dieses Reliefs geschrieben, über die er mir beim Deutschland-Treffen berichtet hatte. Die einst von Königsberger Bürgern gestiftete Pergola im Park Luisenwahl steht noch, aber die von Christian Rauch geschaffene Büste fehlt. Herr Dr. Hüttenbach suchte nun eine Abbildung des Originals, denn die Pergola sollte wieder ihren alten Zustand erhalten. Ich wollte schon unsere Ostpreußische Familie bemühen, da entdeckte ich doch in einem alten Buch eine Abbildung der Pergola mit Büste und konnte sie Herrn Dr. Hüttenbach übermitteln. „Wenn es gelingt, die Pergola wiederherzustellen, werde ich darüber berichten“, schrieb ich damals. Das kann ich nun tun, und zwar hocherfreut, denn Herr Dr. Hüttenbach teilt uns folgendes mit: „Nach weiteren Recherchen (Christian Daniel-Rauch-Museum in Bad Arolsen, Königin Luise-Gedenkstätte in Schloß Hohenzieritz, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Berlin und andere), durch die Freiherr von Hammerstein und ich versuchten, die Identität der Büste zu klären, konnten wir der ,Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz‘ einen Gipsabdruck der Büste in Auftrag geben. Sie dürfte inzwischen bei dem russischen Direktor des Parks Luisenwahl eingetroffen sein. Dort wird entschieden werden, ob eine Ausführung in Marmor oder ein moderner Kunststeinabguß erfolgt. Hierbei dürfte die Frage des überall möglichen Vandalismus eine Rolle spielen. So ist nun zu hoffen, daß die Königin bald wieder ihren angestammten Platz in Luisenwahl einnimmt.“ Wir danken Herrn Dr. Hüttenbach sehr für diese Mitteilung, die vor allem alte Königsberger erfreuen wird.

Es gibt viele Landsleute, die suchen in jeder Folge das Ostpreußenblatt nach vertrauten Namen ab. So auch Frau Christel Bukowski aus Alveslohe. Und als ihr kürzlich in großen Buchstaben der Ortsname „Gehlenburg“ entgegensprang, da „hüpfte mein Herz“, wie sie schreibt. Es war wieder ein Stück­chen Heimat da, denn sie war 20 Jahre alt, als sie Gehlenburg verlassen und von Haus und Hof an der Kumilskoer Chaussee Abschied nehmen mußte. Aber da ist nach über 60 Jahren immer noch „eine offene Wunde“, und die hat einen Namen: Kurt Bukowski. Es ist ihr jüngerer Bruder, von dem die Familie nie wieder etwas gehört hat, seit er zum Militär kam. Kurt Bukowski, * 27. November 1927 in Gehlenburg, wurde einberufen, als der Russe schon weit in Ostpreußen vorgedrungen war. Am 18. Januar 1945 kam er zur leichten Artillerie nach Heilsberg. Mehr wissen seine Angehörigen nicht, konnten bisher auch keine Auskunft über sein Schicksal bekommen. Seine Schwester hofft aber immer noch, daß sich jemand findet, der mit ihrem Bruder zusammen war oder wenigstens Hinweise geben kann, „wo diese Kinder eingesetzt wurden“. Ich möchte Frau Bukowski nicht zu große Hoffnungen machen, denn gerade von den Menschen, die in den berüchtigten „Heilsberger Kessel“ gerieten, blieben viele Schicksale ungeklärt. Aber vielleicht findet sich doch noch ein ehemaliger Kamerad, der sich an Kurt Bukowski erinnert oder über die genannte Einheit zu berichten weiß. (Christel Bukowski, Ostpreußenstraße 17 in 25486 Alveslohe.)

Und wieder eine Suche, die von einer Enkelin unternommen wird, die den Hinweis bekommen hat, sich an uns zu wenden. Wollen mal sehen, ob wir ihr helfen können. Es geht um die Großmutter von Felicia Hoffmann aus Minden, die Ermländerin Martha Lieder, * 11. Januar 1910 in Heilsberg. Sie brachte im Oktober 1935 in Königsberg eine Tochter Erika zur Welt, das Kind muß katholisch getauft worden sein. Wo die unverheiratete Frau bis dahin gelebt hat, ist unbekannt. Sie soll auf einem Gutshof oder einer Domäne gearbeitet haben. Es heißt, daß der Verwalter das Kind annehmen wollte. Die Angaben über die Jahre danach sind schon etwas konkreter. Bis 1945 hat Martha Lieder auf einem Gut in Tolksdorf, Kreis Braunsberg gearbeitet. Ihre Tochter Erika wurde dort eingeschult. Nun möchte Frau Hoffmann alles wissen, was den Lebensweg ihrer Großmutter erhellen könnte. Sie hat mir eine ganze Reihe von Fragen übermittelt, die allerdings so nicht beantwortet werden können, wie zum Beispiel: Gibt es Listen, wer auf welchem Gutshof gearbeitet hat? Gehen wir also anders vor und fragen, ob jemand Martha Lieder gekannt hat und mit ihr vor der Geburt ihrer Tochter

Erika – wann und wo – zusammen war? Gibt es Verwandte oder Bekannte, die über Mutter und Kind Auskunft geben können? Wer von ehemaligen Tolksdorfern kannte Martha Lieder, auf welchem Gut oder Hof hat sie gearbeitet? Das Landwirtschaftliche Güter-Register weist für Tolksdorf zwölf landwirtschaftliche Betriebe über 20 Hektar auf. Wer ging zusammen mit Erika zur Schule? Über jede Antwort würde sich die Enkelin freuen. (Felicia Hoffmann, Königstraße 41 in 32342 Minden, Telefon/Fax 0571/3856238, E-Mail: felicia _hoffmann@yahoo.de.)

Eure Ruth Geede

Foto: Herta Tuschewitzki: Ihr langes Festtagskleid im dunkelroten Röschenmuster mit Bernsteinknöpfen erregte wie ihre anderen Trachten Aufsehen und Bewunderung.


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