19.04.2024

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29.11.08 / In der Schuldenfalle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

In der Schuldenfalle
von Harald Fourier

Ein Freund von mir hatte neulich einen sehr unangenehmen Termin. Er mußte  eine eidesstattliche Versicherung abgeben – den Offenbarungseid leisten, wie es im Volksmund heißt. Es hat klein bei ihm angefangen, mit einer unbezahlten Kfz-Versicherung hier und mehreren fehlenden Raten für die Krankenkasse dort. Dann konnte er die Gasrechnung nicht bezahlen. Und jedes Mal kamen Mahngebühren, Vollstreckungskosten, Aufwandspauschalen, Gerichtskosten und dergleichen mehr dazu.

Nicht nur die Stadt Berlin ist mit ihren 60 Milliarden Euro Schulden pleite. Auch jeder siebte Privathaushalt (240000) in der Hauptstadt ist überschuldet, und zwar mit durchschnittlich über 33000 Euro. Das besagen die neuen Horrorzahlen des statistischen Landesamts. Oft sind es ehemalige Selbständige wie mein Freund, der inzwischen als Angestellter Fernseher verkauft. Und der von nun an alles abgeben muß, was er über rund 1000 Euro hinaus verdient. Sieben Jahre lang.

Das ist traurig für ihn, aber auch nicht mehr so schlimm wie früher. Schulden sind heute nichts Außergewöhnliches mehr. Eine 24jährige Schülerin brachte es neulich in einer TV-Dokumentation bei Vox auf den Punkt. Ihre Schulden („nur“ 1000 Euro) waren ihr sichtlich peinlich, aber sie sagte: „Heute ist es ja keine Schande mehr, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.“

Warum gehen die Leute mit ihrer selbstverschuldeten Insolvenz so locker um? Ich glaube, zwei Dinge sind schuld daran. Zum einen ist es heute leichter, in die Schuldenfalle zu geraten als früher. Vor 20 Jahren gab es zum Beispiel keine Mobil­telefone, mit denen Jugendliche Hunderte von Euro vertelefonieren konnten. Heute ist dies weitverbreitet und unter dem Namen „Handy-Schulden“ bekannt. Zack – schon sind 500 Euro weg.

Auch locken immer mehr Firmen mit Konsumentenkrediten (jetzt kaufen, später zahlen). Früher hätte ein junges Paar einfach die Anschaffung eines Kleiderschranks um ein halbes Jahr aufgeschoben. Heute vergeben Banken direkt im Möbelhaus einen Kredit, die Zusage erfolgt in wenigen Minuten. Zack – wieder sind 1500 Euro weg.

Das andere ist, daß die Politik es den Leuten vorgibt und vorlebt. Über die von den Amerikanern verursachte Finanzkrise brauchen wir nicht zu reden. Auch unser Steuerrecht begünstigt das Schuldenmachen, das Tilgen, das In-Raten-Abzahlen. Beispiel Autokauf: Wo „Leasing“ besser ist als der gute alte Erwerb, da ist die Überschuldung nicht weit. Und: Seit 1969 gab es keinen ausgeglichenen Bundeshaushalt mehr. Bei den sprichwörtlichen „kleinen Leuten“ fragen sich immer mehr, warum sie es anders machen sollten als „die da oben“? Eine verhängnisvolle Sichtweise.


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