24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.11.08 / Gescheiterte Experimente

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Gescheiterte Experimente
von Hinrich E. Bues

Wie lernfähig werden Politiker aller Parteien auf die neuesten Ergebnisse der Pisa-Studie reagieren? Diese Frage stellt sich, weil anhand der Ergebnisse eigentlich klar und das beste und das schlechteste Schulsystem in deutschen Landen leicht zu identifizieren ist. Die Sachsen und die Bayern haben die Nase vorn, die Hamburger und Bremer liegen ganz hinten bei der Lesekompetenz und den Naturwissenschaften der 15jährigen Schüler.

Befremdlich ist die Reaktion auf die Pisa-Ergebnisse im hohen Norden. Sicher ist es schwer, schlechte Ergebnisse zu kommentieren. Und daß SPD und Grüne in Sack und Asche gehen würden, hatte natürlich auch keiner erwartet. Doch Fakt ist: Die über Jahrzehnte von Sozialdemokraten favorisierte und großzügig finanzierte Gesamtschule erzielt schlechte Ergebnisse. Ganz zu schweigen von den Hauptschulen, die viele Schüler ohne Abschluß verlassen. Aber wer wie die Hamburger Bildungssenatorin Christa Goetsch von den Grünen die Schuld auf den hohen Anteil an Migrantenkindern schieben will, muß sich auch fragen lassen, warum in Kindergarten und Grundschule nicht ausreichend Deutsch gelernt wurde. Jetzt, als Antwort auf Pisa 2006e, den bilingualen Unterricht (deutsch und türkisch) in Grundschulen zu fordern, schlägt dem Faß den Boden aus, weil es von den tatsächlichen Problemen ablenkt.

Christa Goetsch ist als Funktionärin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) maßgeblich an den ständigen Schulreformen der letzten drei Jahrzehnte in Hamburg beteiligt gewesen. Und jetzt sollen die gescheiterten Bildungsexperimente mit der schwarz-grünen Regierung noch zur Vollendung gebracht werden. Statt zum dreigliedrigen Schulsystem – warum nicht nach sächsischem Vorbild? – zurückzukehren, führt man eine Primarschule von sechs Jahren ein und beschneidet damit auch das erfolgreiche Gymnasium auf nur noch sechs Klassenstufen. Die Alternative zum Kurz-Gymnasium, die „Stadtteilschule“, ist für den Rest der Schüler im Grunde eine verkappte Gesamtschule. Schüler und Lehrer sind in Hamburg in den nächsten Jahren durchaus zu bemitleiden. Wegen des niedrigen Bildungsniveaus bei den staatlichen Schulen gibt es bereits jetzt bei den katholischen und evangelischen Privatschulen lange Wartelisten. Viele Eltern werden auch überlegen, in das nahe Schleswig-Holstein zu wechseln, das durchweg bessere Ergebnisse erzielt hat.

Offensichtlich sind es die ideologischen Scheuklappen, die ein Lernen der Bildungspolitiker aus den Pisa-Ergebnissen verhindern. Anders sind die Reaktionen der Verlierer kaum zu erklären. Ehrlich wäre es gewesen, die Mißerfolge der Hauptschule zu untersuchen, die Gesamtschulen abzuschaffen und die Verbeamtung der Lehrer zur Disposition zu stellen. Denn die gut bezahlten verbeamteten Lehrer der Hansestadt liefern im Schnitt schlechtere Leistungen ab als ihre angestellten Kollegen in Sachsen. Aber wer will sich schon die Lehrerschaft eines ganzen Bundeslandes zum Feind machen?

Foto: Versuche am lebenden Objekt: Politiker versuchen sich an ideologischen Bildungsexperimenten und die Schüler müssen die Ergebnisse ausbaden – und zwar ihr Leben lang. Wer ohne Abschluß die Schule verläßt, dem droht Arbeitslosigkeit und sozialer Abstieg.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren