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29.11.08 / Fundgrube für Freunde von Königsbergfotos / Russische Internetseite bietet ein Fülle von Motiven aus der Nachkriegszeit der Pregelmetropole

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Fundgrube für Freunde von Königsbergfotos
Russische Internetseite bietet ein Fülle von Motiven aus der Nachkriegszeit der Pregelmetropole

Wenn Sie alte Fotos von Königsberg (Kaliningrad) oder von anderen Städten Ostpreußens haben, dann teilen Sie die doch mit Ihren Mitbürgern“, bat unlängst die junge, im Spätsommer 2007 von Studenten der lokalen Kant-Universität gegründete Königsberger Nachrichtenagentur „Klops“ ihre Leser. Das bisherige Ergebnis begeistert. „Klops“ wurde mit Einsendungen so zugedeckt, daß es die Bilder in ganzen Serien veröffentlichte: „Königsberg zur Vorkriegszeit“ (24 Fotos), „Farbbilder von Königsberg und Ostpreußen“ (47), „Unbekanntes Tilsit“ (19), „Bahnhöfe Ostpreußens“ (11), „Östliches Ostpreußen“ (16), „Königsberger Denkmäler“ (15), „Altstadt-Straßen“ (18) etc.

Alte Postkarten, Bilder aus Büchern, Privataufnahmen – besonders systematisch ist die Bildergalerie von „Klops“ nicht, und doch verrät sie viel über das Interesse der neuen Einwohner am alten Ostpreußen und von ihrer Mühe, nach knapp 50 Jahren Sowjetherrschaft bildliche Zeugnisse aus deutscher Regionalgeschichte zu finden. Manche ostpreußischen Orte kommen auffallend oft vor, andere gar nicht, wie es Zufall und Finderglück eben so fügen. „Autor unbekannt“ sind viele private Fotos unterschrieben. Wie mögen sie in die Hände russischer Neu-Königsberger gelangt sein?

Die besten Bilddokumente stammen ohnehin von Russen, etwa von Albert Terechowkin, geboren 1930 in Tula und 1949 als Kadett einer Marineschule nach Königsberg gekommen. Ab den frühen 50er Jahren fotografierte er, denn, so Terechowkin heute, „die Stadt hat uns angesteckt, trotz ihrer Ruinen und Zerstörungen. Wir haben sie erwandert, sind herumgeklettert, vor allem in der Ruine vom Schloß, das uns durch seine Großartigkeit anzog“. Erstmalig in seinem Leben sah er ein „echtes“ Schloß, hat aber auch die ganze Stadt in legendären Aufnahmen porträtiert, zum Beispiel die von der „ledigen Mutter“, wie die Russen die alte deutsche Straßenbahn nannten, die durch das zerstörte Königsberger Zentrum fuhr. Kürzlich hat der inzwischen betagte Terechowkin der städtischen Kunstgalerie sein umfangreiches Archiv geschenkt, und deren Vizechefin Galina Sabolozkaja hofft, daß damit ein „Prozeß“ einsetzt, der „die Bestände der Galerie mit jeglichen Bildern der alten Stadt füllt“.

Den „Klassiker der russischen Fotografie“ muß sich Königsberg jedoch mit anderen Galerien teilen: Emanuel N. Ewserichin (1911–1984), dessen Name bis heute jeden Fotoenthusiasten andächtig werden läßt. Ewserichin wurde in Rostow am Don geboren, interessierte sich bereits als Schüler für Fotografie und seine Bilder machten sogar die allmächtige Agentur „Tass“ auf ihn aufmerksam. 1926 wurde er nach Moskau beordert und als freier Fotograf beschäftigt, 1934 bekam er eine Festanstellung bei „Tass“.

Ewserichin war ein eigenwilliger Typ, der sich der strengen Planungsbürokratie von „Tass“ nur selten fügte. Er ging seine eigenen Wege, auf denen er zu einmaligen Bildern gelangte, etwa einem berühmten Porträt des Dichters Maxim Gorki, weswegen man ihm alles verzieh und ihn sogar als „Hoffotografen“ im Kreml akkreditierte. 1937 geriet jedoch auch er ins Mahlwerk von Stalins Terror. Der Mann seiner Schwester wurde verhaftet, und weil er in derselben Wohnung lebte, bekam auch Ewserichin Ärger mit der Geheimpolizei wegen „Nichtanzeigen eines Volksfeindes“. Seine Kollegen ließen ihn jedoch nicht fallen, brachten ihn rasch bei der Boulevardzeitung „Moskau am Abend“ unter. Die schickte ihn auf endlose Dienstreisen, und so überstand Ewserichin die gefährliche Zeit. Bei Kriegsausbruch kehrte er zu „Tass“ zurück und fotografierte für sie an den wichtigsten Kriegsschauplätzen, zuletzt in Königsberg.

Ewserichin hat mit seiner deutschen „Leica“ Schwejkiaden vollbracht, die ins Pantheon des russischen politischen Witzes eingingen. 1970 feierte die Sowjetunion den 100. Geburtstag Lenins und ausgerechnet da publizierte er sein Bild eines Fischers mit seinem Riesenfang und nannte es „Hecht des Jahrhunderts“. Das wurde ihm als Verhohnepiepelung Lenins ausgelegt, war auch eine, wie millionenfaches russisches Gelächter bezeugte, und brachte ihm höllischen Ärger ein. Ewserichin war das ziemlich egal, denn widerhakig waren alle seine Bilder. Nur er konnte Jubel-Demos für Stalin so ablichten, daß sie wie ein Hohn wirkten. Seine Nachtaufnahmen von Stalins Bauten im „Zuckerbäcker-Stil“ enthüllten deren eisige Scheußlichkeit, seine Bilder von „sozialistischen Baustellen“ waren Studien über deren technische Unzulänglichkeit – wenn er „Helden der Arbeit“ fotografierte, überkam den Betrachter Mitleid mit denen, die im russischen Winter schuften mußten.

Ewserichin hat ein Archiv mit Tausenden Negativen hinterlassen, von denen viele wohl noch nie veröffentlicht wurden. Das läßt eine Auswahl von 22 Bildern ahnen, die „Klops“ gesondert veröffentlichte ( www.klops.ru/photo/448/5381.html ). „Ostpreußen mit den Augen eines Sowjetsoldaten“ ist die Serie benannt, aber genau das zeigt sie nicht. Ewserichin war kein „Sowjetsoldat“ wie Millionen andere – er war ein Künstler mit der Kamera, dem heroische Siegesposen fremd waren, weil er den Krieg als Elend für alle Betroffenen sah: Ob auf seinen Bildern „Soldaten der 3. Weißrussischen Front“, deutsche Kriegsgefangene oder „deutsche Bevölkerung auf den Straßen Ostpreußens“ unterwegs sind, macht keinen Unterschied. Sowjetische Geschütze, Lokomotiven und Autos unterscheiden sich von deutschen nur dadurch, daß letztere unter dicker Schneedecke stecken, weil sie in Panik liegengelassen wurden. Wenn er Ruinen ablichtet, dann zumeist über Kimme und Korn von Kalaschnikows im Vordergrund. Und wie wirkt eine Ruine erst, wenn sie den Hintergrund eines zerschossenen Kinderwagens bildet. Viele Bilder haben die Kälte, Nässe und Trübseligkeit jener Kampftage 1944/45 so „dicht“ eingefangen, daß sie dem Betrachter förmlich unter die Haut gehen.

Die heutigen Einwohner Königsbergs sind begeistert von diesen Bildern, rufen gar nach weiteren. Deutsche sollten sich an dieser Spurensuche beteiligen. Wolf Oschlies

Fotos(3): Königsberg in Trümmern: Die Internetseite www.klops.ru zeigt zahlreiche Fotos von früher. Viele der alten Aufnahmen sind jedoch ohne Angabe von Aufnahmeort und -zeit.


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