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29.11.08 / Vergebliche Kämpfe / Klaus Rainer Röhl erzählt zu seinem 80. die Geschichte seines Lebens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Vergebliche Kämpfe
Klaus Rainer Röhl erzählt zu seinem 80. die Geschichte seines Lebens

Er ist eine Person der Zeitgeschichte, und das keineswegs nur, weil er der Ex-Mann von Deutschlands berühmtester RAF-Terroristin Ulrike Meinhof ist. Klaus Rainer Röhl ist Gründer und ehemaliger Herausgeber der linken Zeitschrift „konkret“, die in den 60er und 70er Jahren in sozialistischen Kreisen und bei linken Studenten einflußreich war.

Am 1. Dezember feiert Klaus Rainer Röhl seinen 80. Geburtstag und quasi als sein Geschenk an die Nachgeborenen erscheint jetzt ein weiteres Buch aus seiner Feder. In „Mein langer Marsch durch die Illusionen“ schildert der PAZ-Kolumnist, wie der Danziger Jung, der er war, von kommunistisch-sozialistischen Ideen getrieben, zum verbalen Unruhestifter in der Endphase der Adenauer-Republik wurde. Er beschreibt, wie er vom von fixen Idealen getriebenen Studenten zum Zeitungsherausgeber wurde, um dann zu einem der bekanntesten Abtrünnigen des Kommunismus zu werden.

Röhl beginnt seine Ausführungen ganz klassisch mit seiner Kindheit, in der er, der unsportliche Dichter, sehr unter seinem Anderssein gelitten hat und zum Opfer auf dem Schulhof wurde. „Ich schildere diese Zeit meines Lebens so ausführlich, weil sie in mir eine solide Sympathie für geprügelte Minderheiten festlegte und einen Haß gegen terroristische Mehrheiten.“ Und so begann der aus seiner Heimat vertriebene Autor, den es nach dem Zweiten Weltkrieg nach Norddeutschland verschlagen hatte, in Hamburg zu studieren, und auch Theater zu spielen. Hierfür fing er an zu schreiben und auch wenn er und seine Theaterfreunde die damalige Gesellschaft schockierten, entdeckten sie auch, wie faszinierend es ist, Menschen zu erreichen. Eine Studentenzeitung folgte, aus der nach einigen Zwischenschritten im Jahr 1957 „konkret“ entstand. Gesponsert von „der Partei“, von der man sich teilweise das SED-Geld aus Ost-Berlin persönlich abholte, wurden Röhl und seine Mitautoren wie Peter Rühmkorf und Ulrike Meinhof zu Feinden der Bundesrepublik Deutschland. Als „bedenkliche“ Zeitschrift gelistet, da „konkret“ „bewußt oder unbewußt für kommunistische Ziele“ würbe, bekam die Zeitung Absatzschwierigkeiten. Viele Zeitschriftenhändler weigerten sich, das linke Blatt zu verkaufen. Röhl und Co. fühlten sich verfolgt, was, wie Röhl rückblickend erklärt, dazu führte, daß sie gegen viele Fehler der von ihnen so verehrten DDR immun waren. „Die ständige Bereitschaft, alle Konsequenzen der Illegalität auf uns zu nehmen, immer mit einem Bein im Gefängnis zu stehen, hatte aber noch einen Nebeneffekt. Sie machte uns unempfindlich für die politisch Verfolgten und Inhaftierten in der DDR und ihre Probleme, die Intellektuellen in Warschau und Ungarn. Waren wir nicht selbst bedroht?“

Bedauerlicherweise sind in diesem Buch Erklärungsversuche für Röhls damaliges Verhalten relativ selten. Er schildert den Ablauf der Geschehnisse, aber geht kaum auf seine politische Ausrichtung und die von „konkret“ ein. Zwar wird anhand der später geschilderten Machtkämpfe in der Redaktion deutlich, daß der Autor selbst eine linke Publikumszeitung machen wollte, während Ulrike Meinhof und ihre Anhänger ein sozialistisches Kampfblatt anstrebten. Dennoch bleiben beim Leser viele Fragen offen. Erkannte Röhl wirklich nicht, welche Rattenfänger ihn zu ihrem Sprachrohr gemacht hatten und entsprach all das in „konkret“ geäußerte, linksextreme Gedankengut seinen eigenen Überzeugungen? Spannend wird es jedoch, wenn der Autor an einigen Stellen auf Kritik anderer an „konkret“, seiner Person oder seiner Beziehung zu Ulrike Meinhof eingeht.

Ein wenig kurios wirkt es, wenn er berichtet, wie seine Frau, die spätere RAF-Terroristin, ihnen ein bürgerliches Haus in Hamburg-Blankenese einrichtet. Einiges wirkt für eine Frau wie die Meinhof unerwartet bourgeois.

Kurz nach dem Ende der Ehe wird Ulrike zu seiner erbittertsten Feindin in der „konkret“-Redaktion. Die Zeitung war 1970 laut Röhl gut aufgestellt, hatte einen „festen Leserstamm von 150000 Käufern“. „Papi, die Mama will machen, daß Uwe Nettelbeck und die anderen dir nicht mehr gehorchen!“, soll ihm seine sechsjährige Tochter Bettina dann verraten haben. Doch die Revolution in der Redaktion ist nichts gegen die Entführung seiner beiden Zwillingstöchter durch die inzwischen in den terroristischen Untergrund gegangene Mutter Ulrike Meinhof.

Für den Autor, der sich stark über seine zu zweifelhaftem Ruhm gelangte Ex-Frau definiert, ist das Kapitel, in dem er die These aufstellt, daß Ulrike Meinhofs Terror-Gesellen Andreas Baader und Gudrun Ensslin seine Ex-Frau in der Haft in den Tod getrieben hätten, das wichtigste. Wichtiger noch erscheint aber folgende Passage über Röhls Empfindungen nach der Entführung seiner Töchter: „Der Spaß war vorbei. Die Revolution, die Spaß machen sollte. Der Spaß beim Aufbau des Sozialismus, beim Kampf um den Sozialismus, beim Kampf gegen die Feinde des Sozialismus, die Heiterkeit und Leichtigkeit und die Freundlichkeit vergingen mir.“    Bel

Klaus Rainer Röhl: „Mein langer Marsch durch die Illusionen“, Universitas, München 2008, 312 Seiten, 19,95 Euro


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