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06.12.08 / Die Rückkehr der Funktionäre / Ausgerechnet in der Finanzkrise verläßt der einzige Unternehmer das Wiener Kabinett

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Die Rückkehr der Funktionäre
Ausgerechnet in der Finanzkrise verläßt der einzige Unternehmer das Wiener Kabinett

In Österreich wird zwar auch weiterhin eine „paritätische“ rot-schwarze Koalitionsregierung amtieren. Dennoch ist zuletzt vieles anders geworden: Das Führungsduo aus Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) ist Geschichte. Sowohl in der Regierung wie auch in den beiden Parteien sind die früheren „Regierungs-Koordinatoren“ Werner Faymann (SPÖ) und Josef Pröll (ÖVP) an die Spitze aufgerückt. In der Regierung überwiegen neue Gesichter. Nur in drei Ressorts sind die Minister dieselben wie früher.

Viel gravierender ist jedoch, was sich sonst noch geändert hat, seit im Juli der damalige ÖVP-Chef Molterer Neuwahlen vom Zaun brach: Die amerikanische Hypotheken-Krise, die an den österreichischen Banken zunächst kaum Spuren zu hinterlassen schien, hat sich zu einer internationalen Wirtschaftskrise entwickelt, der nun auch Österreich ausgesetzt ist.

So etwa müssen Zuliefer- und Assemblierungsbetriebe für internationale Fahrzeughersteller mit Auftragsrückgängen oder gar Werksschließungen rechnen. Finanzinstitute und viele Unternehmungen kommen wegen ihres überproportional starken Osteuropa-Engagements in Schwierigkeiten. Und die weltweit reduzierte Konsumbereitschaft wird sich unter anderem im Fremdenverkehr bemerkbar machen.

Verschärfend wirkt, daß die neue Regierung – die „Koalition der Verlierer“ laut FPÖ-Chef Strache – einen viel geringeren Handlungsspielraum hat als die alte. Die Zweidrittel-Mehrheit, die für Verfassungsgesetze notwendig wäre, ist verloren. Die Schwächung auf Bundesebene bringt eine Aufwertung der Landesorganisationen mit sich, und das macht sich erfahrungsgemäß vor allem in der ÖVP lähmend bemerkbar – die Steirer und Kärntner waren ohnehin gegen die Koalition mit der SPÖ. Auch die Abhängigkeit Faymanns und Prölls von den SPÖ-„Landesfürsten“ von Wien und Niederösterreich wird überdeutlich.

Bezeichnend und noch mehr besorgniserregend ist die Besetzung der wirtschaftlichen Schlüsselministerien: Vizekanzler Pröll, bisher Landwirtschaftsminister, übernimmt das Finanzressort – und erhält zur Sicherheit gleich zwei Staatssekretäre beigestellt. Den Posten des langjährigen Wirtschaftsministers Bartenstein, des einzigen Unternehmers im Kabinett, übernimmt der Wirtschaftskammerfunktionär Mitterlehner. Das Ressort für Infrastruktur und Verkehr führt künftig die wirtschaftlich völlig unerfahrene bisherige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Bures. Und Sozialminister ist der bisherige Chef des Gewerkschaftsbundes Hundstorfer. Kammern und Gewerkschaften rücken also wieder ins Zentrum der Macht – und prompt sind Personaleinsparungen bei der Post wieder vom Tisch.

Bereits im Wahlkampf hat man sich auf eine großzügige Rentenerhöhung festgelegt. Die von 2010 auf 2009 vorgezogene „Steuerreform“ bringt beträchtliche Einnahmeausfälle, ist aber für den Steuerzahler so gering, daß sie angesichts der Unsicherheit kaum zur Konsumbelebung anregen wird. Mindestens vier Banken werden Staatshilfe in Anspruch nehmen. Und mittlerweile ist bekannt, daß etliche Kommunen sowie die Bundesbahnen und die Fluggesellschaft AUA mit Spekulationsgeschäften oder fragwürdigem „Cross-Boarder-Leasing“ erhebliche Verluste erlitten haben.

All das führt unweigerlich zu einer weiteren Erhöhung des Budgetdefizits. Die Inflation wird zwar durch die deflatorischen Effekte des Konsumrück­gangs gemildert, doch damit drohen Steuerausfälle und höhere Arbeitslosigkeit. Übrigens wird auch der Verkauf der AUA an die Lufthansa nicht ohne kräftigen staatlichen Zuschuß gehen – wenn er nicht eben deswegen von der EU untersagt wird.      Richard G. Kerschhofer


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