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06.12.08 / Bessere und schlechtere Opfer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Bessere und schlechtere Opfer
von Konrad Badenheuer

Bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt es keine Verjährung. So will es aus gutem Grund das Völkerrecht, und Deutschland hat, was die NS-Verbrechen angeht, aus diesem Grundsatz Konsequenzen gezogen. Vor wenigen Tagen hat die „Zentrale Stelle“ der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung dieser Verbrechen ihr 50jähriges Bestehen gefeiert. Kein geringerer als Bundespräsident Horst Köhler reiste aus diesem Grund in seine zweite Heimatstadt Ludwigsburg und unterstrich die überragende Bedeutung der juristischen Aufarbeitung des NS-Unrechts für die Rückkehr Deutschlands in die Völkergemeinschaft und für die Versöhnung mit einstigen Kriegsgegnern.

Anlaß der Schaffung dieser Stelle war die Erkenntnis bei einem NS-Prozeß im Jahre 1958, daß trotz mehrerer Tausend bereits abgeschlossener Verfahren immer noch viele NS-Verbrecher auf freiem Fuß waren. Die Gründung brachte eine deutliche Verbesserung: Allein von 1958 auf 1959 stieg die Zahl der Strafverfahren von 488 um mehr als das Doppelte auf 1075. Die Stelle hatte in den sechziger Jahren bis zu 124 Stellen und hat in den vergangenen 50 Jahre 7617 Verfahren gegen über 100000 Beschuldigte geführt. Noch heute sind 24 Verfahren anhängig.

Von solchem Ermittlungseifer kann bei anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine Rede sein. Dies selbst dann nicht, wenn sie nach den NS-Verbrechen geschahen, so daß die Wahrscheinlichkeit, noch lebende Täter und Zeugen zu ermitteln, sogar größer ist. Aktuell geht der Fall „Treuenbrietzen“ durch die Medien. In dieser Kleinstadt südwestlich von Potsdam verübten am 23. April 1945 Angehörige der Roten Armee ein Massaker an deutschen Zivilisten. Man geht davon aus, daß zwischen 800 und 1000 Menschen ermordet wurden, wie es heißt, haben die zur Bestattung eingesetzten Ortsbewohner nach der 721. Beerdingung mit dem Zählen aufgehört. Bis 1989 deckte das SED-Regime dieses Verbrechen (siehe Seite 3). Wäre das vereinte Deutschland ein makelloser Rechtsstaat, dann hätte die Tat nach 1989 zu Ermittlungen von Amts wegen führen müssen – und zwar auch ohne eine Sonderstaatsanwaltschaft wie im Falle der gewiß zahlenmäßig noch weit grauenhafteren NS-Verbrechen. Doch dazu kam es nie, erst eine Strafanzeige hat überhaupt zur Aufnahme von Ermittlungen geführt, die vor wenigen Wochen bereits eingestellt werden sollten.

Diese Passivität der deutschen Justizbehörden ist leider kein Einzelfall, im Gegenteil: Beim Einmarsch der Roten Armee gab es viele Tausend kleinere und auch Hunderte größere Massaker. In keinem Fall wurde und wird ermittelt oder gar angeklagt. Wobei – am Rande sei es vermerkt – es auch der Justiz der GUS-Staaten gut anstünde, gegen die Täter in den eigenen Völkern zu ermitteln, was ja das Grundprinzip der Ludwigsburger Zentralstelle ist.

Noch trauriger liegen die Dinge bei den Vertreibungsverbrechen. Erst vor wenigen Tagen wurde eine Massenbestattung von 5500 Deutschen bei Eger abgeschlossen. Etwa ein Drittel sind Frauen und Kinder, aber auch unter den männlichen Toten sind nach Lage der Dinge sehr viele Verbrechensopfer. Niemand scheint Ermittlungen gefordert zu haben.

Die elementare Lehre aus der NS-Zeit, daß Opfer niemals nach ihrer Nationalität in bessere und schlechtere eingeteilt werden dürfen, ist, was die Strafverfolgung angeht, bis heute nicht gezogen worden.

Foto: Justitia, das Symbol der Gerechtigkeit, wird normalerweise mit Waage, Schwert und Augenbinde dargestellt. Letztere symbolisiert die Rechtsprechung „ohne Ansehen der Person“ und damit die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Diese Justitia aus Frankfurt am Main hat die Augen jedoch weit geöffnet, und das scheint nicht ganz untypisch für die bundesrepublikanische Justiz. Aktuelle Beispiele zeigen, daß es bei Massenmorden sehr auf die Nationalität der Opfer ankommt, ob und wie intensiv Staatsanwälte tätig werden.


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