20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.12.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde

er hängt, der schöne Wandbehang mit dem Kurenkahnmotiv, den – nicht ganz fertig gestickt – uns die Familie Helmut Kukla übersandte mit der Bitte, ihn „geeigneten Händen“ zur Vollendung zu überlassen. Die fanden wir dann im Kreis der Teilnehmerinnen der im Oktober stattgefundenen Werkwoche im Ostheim – sie gehörten Frau Gudrun Breuer, die sich bereit erklärte, das Stick­bild zu vollenden. Die Werklehrerin hat es getan, und wir sind sehr glück­lich darüber. Ich konnte ihn nun im Ostheim anläßlich unseres Seminars „Flucht und Vertreibung im Spiegel der Medien“ bewundern. Jetzt hilft der „Ostpreußische Kurenkahn“ mit, das Ostheim mit künstlerisch gestalteten Heimatmotiven zu schmücken. Und wir danken dem Spender, der Familie Kukla, und der Ausführenden, Frau Breuer, sehr herzlich dafür.

Ja, diese lang geplante und endlich verwirklichte Veranstaltung der „Ostpreußischen Familie“ im Rahmen eines Seminars ist vorbei, es war wirklich ein sehr gelungenes Symposium, denn es basierte vor allem auf Erfahrungs- und Gedankenaustausch, und wir werden noch gesondert auf seinen Verlauf eingehen, das können wir nicht mit wenigen Worten in dieser Kolumne. Aber allen, die mit geholfen haben, dieses Symposium zu realisieren und es so gekonnt zu gestalten, möchte ich hier schon einmal vor den Augen aller Leser danken. Trotz aller Terminschwierigkeiten und gesundheitlich oder wetterbedingten Behinderungen war das Haus voll, und wir konnten vor einem interessierten und engagierten Auditorium unser Programm in seiner ganzen Breite auffächern. Dazu gehörte auch der Vortrag von Herrn Horst Potz aus Hannover, der vor niedersächsischen Schulklassen über das Thema Flucht und Vertreibung spricht, und als Zeitzeuge auf die jungen Zuhörer einen großen Eindruck macht.

Daß Niedersachsen mit seinem vor drei Jahren eingeführten Projekt „Zeitzeugen an Schulen“ hier ein gutes Beispiel für lebendigen Geschichtsunterricht gibt, bestätigt auch die Schriftstellerin Elisabeth Krahn aus Celle. Sie gehört ja immer zu unserm Familienkreis und hat an vielen Seminaren teilgenommen, aber diesmal konnte sie nicht dabei sein, weil sie an einer heimatlichen Adventsfeier teilnehmen mußte. Dafür übersandte sie mir einen Kurzbericht über ihre Erfahrungen an einem Celler Gymnasium. Ich lasse sie selber berichten:

„Im Januar dieses Jahres bat ich um ein Gespräch im hiesigen Hermann-Billung-Gymnasium. Als Gesprächspartner stellte sich ein Geschichtslehrer zur Verfügung. Ich erklärte mein Konzept und betonte, daß von meiner Seite keine politischen Äußerungen gemacht würden, sondern nur über Geschichte und Erlebtes berichtet, erzählt und gelesen werde. Im Mai kam der Anruf. Ein Termin wurde abgesprochen, und bald saß ich vor der 10. Klasse mit zirka 25 Jugendlichen. Als Material hatte ich eine Landkarte erbeten. Es zeigte sich für mich, daß die Seminare, die von der Präsidentin des Frauenverbandes des BdV, Sybille Dreher, angeboten wurden, unerläßlich waren. Am Ende der Doppelstunde – mit verspäteter Pause – verabschiedete sich der Lehrer mit den Worten: ,Wie schaffen Sie es, die Klasse so ruhig zu bekommen? Das hat noch kein Lehrer vor Ihnen fertig gebracht.‘ Im September bekam ich wieder einen Anruf. Es handelte sich um die neue 10. Klasse mit einem anderen Lehrer, der von mir gehört hatte und auf Empfehlung bat, als Zeitzeugin in die Schule zu kommen. Diese Jugendlichen überhörten sogar die Pausenklingel. In einem Bericht der Schülerinnen und Schüler zu diesem Besuch wird diese hohe Aufmerksamkeit bestätigt. ,Wir haben uns alle sehr gefreut, daß Frau Krahn bei uns war und ihre Geschichte erzählt hat. durch ihre persönlichen Erinnerungen bekamen die sonst trockenen Fakten Lebendigkeit. Wir hatten das Gefühl, an ihren Gedanken teilhaben zu können.‘ Besonders beeindruckt waren die jungen Zuhörer, daß Elisabeth Krahn bei der Flucht erst zehn Jahre alt war und daß ihre Schlußworte lauteten: Krieg ist immer ein Verbrechen an Kindern!“

Danke, liebe Elisabeth Krahn, für Ihre Initiative und die Übermittlung Ihrer Eindrücke und Erfahrungen.

Auch Herr Peder Sondergaard hat vor einigen Wochen Vorträge an einem Gymnasium gehalten – der Unterschied zu unseren Referenten liegt darin, daß er kein Zeitzeuge ist und als Däne ohne emotionale Einbindungen in dieses Kapitel der deutschen Vertreibungsgeschichte. Das Gymnasium in Hechingen hatte ihn eingeladen, vor Schülern der 12. und 13. Klasse über die deutschen Flüchtlinge zu sprechen, die in Dänemark interniert waren. Denn die Schüler wußten viel von der Flucht aus dem deutschen Osten nach dem deutschen Westen, aber wie es den über See Geflüchteten ergangen war, nachdem sie die dänische Küste erreichten, davon hatten sie so gut wie keine Kenntnisse. Bei der Vorbereitung seines Referates stieß er in dem örtlichen Archiv von Öxböll, wo sich das größte Internierungslager befand, auf Artikel aus dem Ostpreußenblatt aus dem Jahr 1999, in dem unter der Überschrift „Weil sie Deutsche waren“ das Schicksal der in dänischen Lagern verstorbenen Flüchtlingskinder geschildert wurde. Allein im Jahr 1945 starben fast 13500 deutsche Geflüchtete in Dänemark, davon allein 7000 Kinder unter fünf Jahren. Vor allem Säuglinge hatten keine Chance zum Überleben. Von dänischer Seite – sogar vom Dänischen Roten Kreuz – wurde jede Hilfe bei Säug­lings­er­kran­kun­gen verweigert. In dem von Thies Uwe von Leesen geschriebenen Bericht wird auf die dänische Oberärztin Kirsten Lylloff hingewiesen, auf deren Untersuchungen sich eine mehrteilige Dokumentation in der Zeitung „Politiken“ stützt, in der unter der Überschrift „Dänemark ließ deutsche Flüchtlinge sterben“ diese unterlassene Hilfeleistung angeprangert wird. Der Bericht im Ostpreußenblatt erweck­te auch unter unseren Lesern große Aufmerksamkeit, zumal begleitend unter dem Titel „Zeitzeugen gesucht“ die Vertriebenen, die damals in dänischen Lagern interniert waren, aufgefordert wurden, von ihrem Schick­sal zu berichten. Peder Sondergaard war, nachdem er dies gelesen hatte, so schockiert, daß er unbedingt die dokumentarischen Aufzeichnungen der ja zumeist ostpreußischen Vertriebenen haben will, aber leider sind diese so archiviert, daß sie – jedenfalls im Augenblick – nicht greifbar sind. Für den dänischen Pädagogen sind diese oder andere Aussagen von Zeitzeugen sehr wichtig, und deshalb hat er sich an mich gewandt mit der Bitte, ihm zu helfen. Und die reiche ich nun an die Ostpreußische Familie weiter, denn nur sie kann sein Hauptanliegen erfüllen.

Es geht um Aufzeichnungen von Internierten über ihr Lagerleben, eine Dokumentation des eigenen, aber auch anderer Schick­sale in diesen Jahren hinter Stacheldraht. Vielleicht besitzen auch einige unserer Landsleute, die sich 1999 an der damaligen Befragung „Zeitzeugen gesucht“ beteiligt haben, noch Kopien ihrer Aufzeichnungen. Bei zwei weiteren Fragen des dänischen Lehrers muß ich noch nachfassen, weil sie zu ungenau gestellt sind, sie beziehen sich auf die Kindersterblichkeit unter den Vertriebenen 1945 und das Verhältnis zwischen Einheimischen und Flüchtlingen in Deutschland bis 1949. Bleiben wir also vorerst bei der Hauptfrage, die schon gewichtig genug ist. (Peder Sondergaard Kristensen, Osterlokke 25, Bov, DK-6330 Padborg, Dänemark.)

„Ich interessiere mich ganz doll für Ostpreußen“ – das hört man gerne, wenn dieser Satz aus der Kinder- oder Enkelgeneration kommt, und das ist bei Alexandra Tiedt aus Neustrelitz der Fall. Ihr in liebevollen Worten dokumentiertes Interesse an der Heimat ihrer Mutter veranlaßte sie mit, an uns zu schreiben – der Hauptgrund ist aber ein anderer: Sie möchte ihrer in Metgethen bei Königsberg beheimateten Mutter eine Freude machen und sucht zu diesem Zweck Ansichtskarten oder Fotos von dem schönen Königsberger Vorort. Leider hat der Name für andere Landsleute durch die furchtbaren Ereignisse, die beim Russeneinfall dort stattfanden, keinen guten Klang, aber die hat ihre Mutter nicht miterlebt, denn die Familie Bosien, die im Trankwitzer Weg Nr. 1 wohnte, wurde bereits im Herbst 1944 nach Sachsen evakuiert. Anna Bosien war damals sieben Jahre alt und hat ihre Kinderheimat noch so in Erinnerung, wie wir das alte Metgethen liebten: stille Beschaulichkeit, schöne Vorstadtvillen, kiefernduftende Sommertage, verschneite Winteridylle, Spaziergänge zum Kanthäuschen in Moditten und nach Vierbrüderkrug in der Caporner Heide. Mit solchen Aufnahmen würde man Frau Tiedt – Mutter wie Tochter – erfreuen, und wer noch solche besitzt, möge diese als Kopie an die Suchende senden. (Alexandra Tiedt, E.-M.-Arndt-Straße 41 in 17235 Neustrelitz.)

Eure Ruth Geede

Foto: Er hängt jetzt im Ostheim: Wandbehang mit Kurenkahnmotiv.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren