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06.12.08 / Krude Geschichte um Lehrer in der Sinnkrise / Zu viel auf einmal: Künstlerroman, Roadmovie und Odyssee durch die Anfechtungen von Genialität und Mittelmaß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Krude Geschichte um Lehrer in der Sinnkrise
Zu viel auf einmal: Künstlerroman, Roadmovie und Odyssee durch die Anfechtungen von Genialität und Mittelmaß

Der Enddreißiger Robert Beck lebt in München, ist Single und ein beliebter Musik- und Deutschlehrer. Doch insgeheim ist er unzufrieden mit seiner eingeschlagenen Laufbahn, täuscht den pädagogischen Elan oftmals nur vor. Fast niemand weiß, daß er nach wie vor seiner verpaßten Karriere als Rockmusiker hinterhertrauert und vom Ausstieg träumt.

Woher kannte der erst 21jährige Romanautor und Wahlberliner Benedict Wells nur diesen Robert Beck und dessen Sinnkrise so genau, als er vor drei Jahren seinen Debutroman „Becks letzter Sommer“ zu schreiben begann? Wells, der sich ab und zu als Ich-Erzähler mitten in der Handlung meldet, teilt mit seinem Romanhelden Beck, der ganz und gar kein Held ist, die Liebe zur Rockmusik. Die einzelnen Kapitel seines Buches hat er nach Musiktiteln benannt. Die Geschichte spielt 1999, wobei der Fortgang bis zum Jahr 2007 zuletzt sehr schnell abgehandelt wird. Mit Esprit und Tempo erzählt der Jungautor den ersten, mit „A-Seite“ überschriebenen Teil von Becks – wenigstens anfangs – tragikomischer Geschichte.

Für Robert Beck ist eine Wende in Sicht, als er das musikalische Genie seines Schülers Rauli entdeckt, eines 17jährigen gebürtigen Litauers. Fast gleichzeitig trifft Beck seine große Liebe Lara, doch daß sie die Frau seiner Träume ist, merkt er leider erst spät. Denn er ist schwer beschäftigt, da er die große Chance seines Lebens wittert, nämlich Rauli zu einem Rock-star aufzubauen und dabei selbst im Musikgeschäft groß herauszukommen, als Manager wie als Komponist. Fortan widmet er sich fast nur noch der Komposition von Musikstücken („Tracks“) für Rauli und verbringt viel Zeit mit ihm. Nur scheint dieser vor seinem Lehrer irgendetwas zu verbergen. Der junge Mann ist labil, verstrickt sich in Lügen und besitzt eine Waffe. Dabei erweckt er aber eher den Eindruck eines Kindes, das bislang nur schlechte Erfahrungen im Leben gemacht hat.

Auch Becks Freund aus alten Tagen, Charlie, ein drogensüchtiger ehemaliger Türsteher einer Diskothek, hat seine Rolle in diesem Stück. Unversehens entwickelt sich die Handlung zu einem „Roadmovie“, als Charlie, Beck und Rauli kurzentschlossen zu einer Autoreise nach Istanbul aufbrechen, um Charlies angeblich schwerkranke Mutter und seinen Bruder zu besuchen. Es beginnt die „B-Seite“ und damit der zweite Teil des Romans. Dieser wirkt jedoch wie eine Bremse, da die bisherige Handlung gänzlich ins Stocken kommt. Ereignisse von der Art eines „Roadmovies“ überstürzen sich, und die Handlung nimmt krude Züge an. Es stellt sich heraus, daß auch Charlie Beck angelogen hat, da seine Mutter nicht krank, er selbst aber als Drogenkurier unterwegs ist. Alle drei Reisenden konsumieren Drogen, geraten in eine Schießerei, müssen im Auto durch die Straßen der Stadt Bukarest flüchten. Indessen wird die Sprache, in der sich Beck und Charlie unterhalten, zunehmend vulgär.

Erst gegen Schluß erfährt man Einzelheiten zum Fortgang der eigentlichen Handlung, doch das reicht nicht aus, um das Buch noch zu retten. Es ist die Person Charlie mit ihren ganz anders gearteten, massiven Problemen, die wie ein nicht passen wollendes, zusätzliches Konstrukt wirkt. Die drei Protagonisten verbindet zwar eines, sie ringen mit existentiellen Fragen. Aber nur Beck und Rauli haben dennoch hochgesteckte Träume, die sie verwirklichen wollen.

Das Buch wendet sich an ein Publikum von 15 bis Anfang 50 und auch an diejenigen, die die 60er und 70er Jahre noch als Teenager erlebt haben. Bedenklich ist der unkritisch thematisierte Konsum von Drogen.          D. Jestrzemski

Benedict Wells: „Becks letzter Sommer“, Diogenes, München 2008, broschiert, 450 Seiten, 19,90 Euro


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