20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.12.08 / Stauffenberg – glattgebürstet / Doku-Drama des ZDF über den Hitler-Attentäter macht Kompromisse bei den Fakten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Stauffenberg – glattgebürstet
Doku-Drama des ZDF über den Hitler-Attentäter macht Kompromisse bei den Fakten

Am 15. Dezember startet in den US-Kinos der Film „Operation Walküre“ über den 20. Juli 1944. Das ZDF erwartet Geschichtsklitterungen und hält mit dem Doku-Drama „Stauffenberg – Die wahre Geschichte“ dagegen. Doch der Zweiteiler macht so viele Zugeständnisse an Zeitgeist und „political correctness“, daß am Ende Hollywood der historischen Wahrheit näher kommen könnte.

Der Zeitpunkt der Ausstrahlung des Stauffenberg-Dramas ist geschickt gewählt: Am 13. und 20. Januar sendet das ZDF den Zweiteiler, also genau zwischen der US-Premiere des Walküre-Films und dessen erster Vorführung in Deutschland. Nach all der Vorab-Kritik, die die US-Produktion bereits einstecken mußte, war es naheliegend für einen deutschen Sender wie das ZDF, dem vermuteten Kitsch aus Hollywood dokumentarische Sorgfalt mit dem Qualitätsanspruch eines öffentlich-rechtlichen Senders entgegenzustellen.

Tatsächlich wurde einiger Aufwand getrieben, nicht zuletzt bei der (erfolgreichen) Suche nach noch lebenden Zeitzeugen und bei der Rekonstruktion auch kleiner Details, wie etwa der Ledermappe, in der Stauffenberg den Sprengsatz unter Hitlers Kartentisch verbarg.

Stauffenberg kommt in dieser Produktion glänzend weg, er wird vom Leiter des Programmbereichs „Zeitgeschichte und Zeitgeschehen“ des ZDF, Professor Guido Knopp, gradeheraus als Held bezeichnet. Da würde wohl kaum einer widersprechen, und doch blieb nach der Vorab-Präsentation des Films vor geladenen Journalisten in Hamburg ein Gefühl der Irritation.

„Stauffenberg war kein lupenreiner Demokrat“, bekannte Knopp, doch die schlichte Tatsache, daß der 1907 geborene Aristokrat überhaupt kein Demokrat war, sondern einen elitär geführten Obrigkeitsstaat anstrebte, geht in der Dokumentation unter. Auch der glühende Patriotismus Stauffenbergs, der nach heutigen Maßstäben schlicht nationalistisch dachte, wird in der Sendung auf das für liberale Bundesrepublikaner das Jahres 2008 erträgliche Maß heruntergemogelt.

Immerhin wird berichtet, daß Stauffenberg 1939 aus dem besetzten Polen folgende Worte nach Hause schrieb: „Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun.“

Doch dann wird ein Historiker eingeblendet, der diese bedrückenden Worte relativiert, in der Diskussion im Anschluß an die Präsentation wurde gar angedeutet, Stauffenberg habe nur deswegen so geschrieben, um mit solchen dem Regime gefällligen Worten im Falle einer Hausdurchsuchung seine Familie zu schützen – gerade so, als ob dazu zu diesem Zeitpunkt eine Notwendigkeit bestanden hätte. Denn Stauffenberg hat die NS-Verbrechen zwar zweifellos von Anfang an abgelehnt und die Nazis als Emporkömmlinge auch verachtet. Doch solange Deutschland militärisch siegte, war für ihn ein Attentat kein Thema.

Hier „glättet“ der ZDF-Film durch Weglassung, ebenso wie bei Stauffenbergs christlichen Beweggründen und bei seinen letzten Worten. Nun trifft es zu, daß der Ausruf „Es lebe das heilige Deutschland!“ nicht mit letzter Sicherheit bezeugt ist. Doch es bleibt nach Einschätzung der Historiker die wahrscheinlichste Variante – wahrscheinlicher vor allem als das für heutige Ohren gefälligere „Es lebe das geheime Deutschland!“, das Knopp in der Diskussion prompt favorisierte.

Auf die Frage eines Journalisten, warum der Film die Verbindungen des 20. Juli zu den Briten nicht thematisiere, antwortete Knopp, Gegenstand des Films sei nicht der 20. Juli insgesamt, sondern Stauffenberg und sein Attentat. Zudem sei das Thema heikel, weil Stauffenberg in Großbritannien „keine gute Presse“ gehabt habe.

Auf die Frage des Vertreters der Preußischen Allgemeinen Zeitung, ob die Zurückhaltung Londons womöglich mit den Kriegszielen der Attentäter zu tun hatte, die gegenüber Polen die Grenzen von 1914 und zudem den Verbleib Österreichs und des Sudetenlandes beim Reich anstrebten, verwies der prominente Historiker auf die zeitliche Beschränkung des Films, in dem eben nicht alles gesagt werden könne.

Doch gerade in diesem Punkt erscheint ein bewußter Kompromiß mit der historischen Wahrheit wahrscheinlicher, denn in der von Knopp gezeichneten schriftlichen Unterlage zu dem Film heißt es wörtlich: „Die Abtrennung Ostdeutschlands [vom Reich] und die Vertreibung seiner Menschen ... stand [zum Zeitpunkt des Attentats] unumstößlich fest.“ – Das aber stimmt nun keineswegs: Noch Monate später stöhnte Benesch über Widerstände im Londoner foreign office gegen seine Vertreibungspläne, und noch im Sommer 1945 waren sich die Alliierten nicht einig, ob die Schlesier bis zur Glatzer oder bis zur Lausitzer Neiße vertrieben werden sollten.

Fazit: Der hohe Anspruch, „die Wahrheit“ über Stauffenberg zu berichten, wird mit dieser Produktion nicht eingelöst. Das ZDF ist der Verlockung erlegen, einen glattgebürsteten Stauffenberg zu malen, der ohne Probleme in das Meinungsklima der Bundesrepublik des Jahres 2008 paßt. Konrad Badenheuer

 

Zeitzeugen

Claus Schenck Graf von Stauffenberg – Der 1907 in Bayern geborene deutsche Offizier gilt als zentrale Figur im militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Stauffenberg wurde am 21. Juli 1944 nur wenige Stunden nach seinem mißglückten Attentat auf Hitler von NS-treuen Offizieren gefaßt und erschossen. Stauffenberg genießt heute in Deutschland sehr hohes Ansehen, das war aber nicht immer so (siehe Kasten rechts).

 

Bryan Singer – Superhelden liegen ganz auf der Linie des 1965 geborenen US-amerikanischen Regisseurs und Produzenten. Nach X-Men I und II und Superman returns hat er in den letzten Jahren daran gearbeitet, das Leben Graf von Stauffenbergs mit Tom Cruise zu verfilmen. Im Januar ist Kinopremiere in Europa.

 

Tom Cruise – Groß war der Widerstand, den der US-Schauspieler Tom Cruise (*1962) erlebte, als er 2007 in Berlin in der Hauptrolle des Hitlerattentäters Stauffenberg an der erwähnten Hollywood-Produktion von Bryan Singer mitwirkte. Den meisten Deutschen widerstrebt, daß Cruise ein bekennender Anhänger von Scientology ist. Die Tatsache, daß „so einer“ ihren Nationalhelden spielt, paßte weder Vertretern aus Politik noch aus den Medien.

 

Peter Becker – Der 1979 in Bad Hersfeld geborene Schauspieler verkörpert Stauffenberg in der ZDF-Produktion. Bereits mit 15 Jahren hatte er bei den Bad Hersfelder Festspielen seine ersten Rollen. 2002 begann er sein Studium an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin. Er spielt regelmäßig in Filmen und Theaterstücken am Deutschen Theater Berlin oder Thalia Theater Hamburg mit.

 

Guido Knopp – Er ist der „Haushistoriker“ des ZDF und Leiter der Redaktion Zeitgeschichte. Der 1948 geborene Sohn einer nach dem Zweiten Weltkrieg aus Oberschlesien vertriebenen Familie produzierte bereits zahlreiche Dokumentationen. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf den Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Kritiker halten seinen publikumswirksamen Beiträgen vor, politisch manchmal etwas zu korrekt zu sein.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren