18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.12.08 / Statt Lenin Thälmann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Statt Lenin Thälmann

Die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ geht zurück auf Beschlüsse des SED-Parteivorstands und des FDJ-Zentralrats. Als Gründungsdatum des DDR-Pendants zur sowjetischen Pionier­organisation „Wladimir Iljitsch Lenin“ gilt der 13. Dezember 1948. Schule und Pionierorganisation waren von Anfang an eng miteinander verknüpft. Schüler der Klassen 1 bis 3 gehörten zu den Jungpionieren, Schüler der Klassen 4 bis 7 zu den Thälmannpionieren. In der Klasse 8 erfolgte der Übergang in die FDJ. Als Leiter der Pioniergruppen auf Klassenbasis wurden mit Vorliebe Lehrer eingesetzt. Größere Schulen erhielten einen FDJ-Funktionär als hauptamtlichen Leiter der „Pionierfreundschaft“, also der Pioniere der ganzen Schule.

Ein Schwerpunkt der Pionierarbeit waren neben vielfältigen Freizeitaktivitäten die Ferienlager und die örtlich organisierten Ferienspiele. Das am besten ausgestattete und größte Pionierlager in der DDR war ab 1952 die am Webellinsee gelegene sogenannte Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“. Jeweils 1000 Thälmannpioniere verbrachten dort mehrere Wochen. Vorbild war das sowjetische Pionierlager „Artek“.

Überhaupt war bei den Pionieren sehr vieles dem sowjetischen Vorbild abgeschaut. Neben dem Namen und dem Gruß der Organisation sind hier auch die Uniformierung und die Abhaltung der Fahnenappelle zu nennen. Die Sowjets ihrerseits hatten für ihren Kinder- und Jugendverband einiges von den Pfadfindern übernommen und ihren Zwecken nutzbar gemacht. Man sieht das etwa beim Pioniergruß „Für Frieden und Sozialismus – seid bereit!“, der mit „Immer bereit!“ beantwortet wurde.

Jungpioniere und Thälmannpioniere legten ein Gelöbnis ab auf die „Gesetze“ der Pionierorganisation. Die Thälmannpioniere wurden auf Ernst Thälmann verpflichtet, den KPD-Führer aus der Weimarer Zeit, der wie ein säkularisierter Märtyrer verehrt wurde. Erklärtermaßen eingefordert wurden Tugenden und Haltungen wie Heimatliebe, Fleiß, Ordnung, Disziplin, Sauberkeit, Hilfsbereitschaft, Liebe zu den Eltern. Aber es gab auch politische Bekenntnisse wie: „Wir Thälmannpioniere lieben und schützen den Frieden und hassen die Kriegstreiber.“

Das Idealbild der Pioniertätigkeit zeigt folgendes Zitat: „In den Gruppen der Jungpioniere und der Thälmannpioniere sollen sich alle Pioniere wohlfühlen, gemeinsam lernen, arbeiten und fröhlich sein. Wir überlegen, wie wir die Pionieraufträge gut erfüllen können, helfen uns beim Lernen in der Schule, sprechen über die Leistungen und das Verhalten der einzelnen Mitglieder, loben gute Taten und helfen denen, die Schwierigkeiten haben.“

Die Pionierorganisation ging zusammen mit der DDR unter. Im Rückblick verklärt sich bei vielen das Bild, das sie von der Pionier­organisation haben. Typisch hierfür ist die Äußerung eines heute Sechzigjährigen: „Ich bedauere, daß die Pionierorganisation aufgelöst wurde. Einfach deshalb, weil es keinen auch nur annähernd gleichwertigen Ersatz gibt.“ Ganz anders eine Frau vom Jahrgang 1955: „Wenn heutzutage einige Leute der Pionierorganisation nachweinen, so ist das für mich völlig unverständlich. Denn es stellt sich doch die Frage, ob das, was an guten Erinnerungen aus der Kindheit übriggeblieben ist, … überhaupt ein Verdienst der Pionierorganisation ist oder nicht eher das Verdienst der Menschen, die diese Gemeinschaft von Kindern geprägt und ausgemacht haben.“     Manfred Müller / I. H.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren