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13.12.08 / Die Ostsiedlung um 150 Jahre zurückgeworfen / Vor 1025 Jahren folgte dem Tode Kaiser Ottos II. der Große Slawenaufstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Die Ostsiedlung um 150 Jahre zurückgeworfen
Vor 1025 Jahren folgte dem Tode Kaiser Ottos II. der Große Slawenaufstand

Vor 1025 Jahren erhoben sich die slawischen Liutizen und Abodriten östlich der Elbe mit Erfolg gegen die Eingliederung in das Ostfrankenreich. Das Reich verlor ein Gebiet von etwa zwei Dritteln der heutigen neuen Bundesländer.

Nur knapp entging die Stadt Magdeburg im Jahre 983 einer Katastrophe. Erst an dem Flüßchen Tanger nördlich der Stadt hatte man die angreifenden slawischen Heere aufhalten können. Erzbischof Gisiler versammelte unter seinem Banner alles an Schwertadel, was Deutschlands Osten in jenem Schicksalsjahr hatte aufbieten können. Bischof Hildiward von Halberstadt war dabei sowie die Markgrafen Diet­rich, Hodo und Rikdag samt ihren Rittern und Kriegsknechten. Eine vernichtende Niederlage sollen sie den Angreifern aus dem Osten bereitet haben, schrieb später der Chronist Thietmar von Merseburg. Wenn der Bischof vorgibt, nur wenige seien entkommen, so könnte das übertrieben sein. Der mittelalterliche Theologe wollte in seiner Niederschrift vermitteln, daß Widerstand gegen die Kirche am Ende zwecklos sei. Als Großer Slawenaufstand ist dieses gewaltsame Aufbegehren der Völker zwischen Elbe und Oder, Ostsee und Lausitz in die Geschichte eingegangen.

Ein Schicksalsjahr war 983 auch, weil am 7. Mai jenes Jahres Kaiser Otto II. das Zeitliche segnete. Otto III. bestieg den Thron des Ostfranken-Reiches, aus dem einmal Deutschland werden sollte. Seine Herrschaft war rein formal, denn für den erst Dreijährigen hatte seine Mutter Theophanu die Regentschaft übernommen.

So ganz überraschend dürfte der Aufstand nicht gekommen sein. Seit den 40er Jahren des 10. Jahrhunderts hatte das ostfränkische Reich seine Grenzen immer weiter nach Osten verschoben, politisch wie auch religiös. In dieser Zeit entstanden die Bistümer Brandenburg an der Havel und Havelberg sowie im Süden Meißen, Zeitz und Merseburg. 968 gründet Kaiser Otto I. das Erzbistum Magdeburg. Von vornherein war die Stadt als Ausgangspunkt für die Mission im Osten gedacht. Anfangs stellten sich Erfolge ein. Selbst wenn sich Polen mit seinem Übertritt zum Christentum dem deutschen Einfluß entzog und das neue Bistum Posen direkt dem Papst unterstellt wurde. Im westlichen Brandenburg und Mecklenburg mußten immer mehr slawische Heiligtümer christlichen Kirchen weichen, repräsentierten deutsche Markgrafen die weltliche Macht. Ein System von Burgwardschaften sicherte die Eroberungen. Fast alle Stämme mußten Tribut leisten. Die Gefahr des organisierten Widerstands war gering. Die Stammesgebiete östlich der Elbe waren politisch weitgehend voneinander isoliert, Handwerk, Handel und Landwirtschaft bis auf Ausnahmen schwach entwickelt. Klammer des Zusammenhalts waren Religion und Sprachen.

Wenn also Wissenschaftler vom Lutizen-Bund sprechen, der den Aufstand von 983 trug, so ist darunter ein recht loser Zusammenschluß von slawischen Stämmen und Völkern zu verstehen. Ein Bündnis, das wahrscheinlich nach dem einflußreichsten Stamm seinen Namen erhalten hat. Zu diesem Bund gehörten auch Wilzen und Pomoranen im Norden, Tollenser und Ukraner, die Heveller an der Havel und die Sprewanen an der Spree sowie auch Lausitzer Sorben und Milzen aus der Gegend um Bautzen und Obodriten im Nordwesten.

Noch zu Zeiten des 973 gestorbenen Ottos I. hatte eine slawische Gesandtschaft dem Kaiser einen Kompromiß angeboten. Man wolle Tribut entrichten, aber nicht die Macht abgeben. Nur unter diesen Bedingungen wäre man zu einem Frieden bereit, andernfalls werde man für die Freiheit kämpfen. Doch der Kaiser lehnte ab und nun, im Frühsommer 983, schien der Zeitpunkt gekommen zu sein. Der unmittelbare Anlaß für den Aufstand erscheint heute nichtig. Offenbar nutzten heidnische Priester des Heiligtums Rethra in Mecklenburg Meinungsverschiedenheiten zwischen deutschem Adel und Obodriten-Führern geschickt aus, um einen Feldzug auf den Weg zu bringen. Fürst Mstivoj hatte nämlich für seinen Sohn um die Hand der Nichte des sächsischen Herzogs Herrmann Billung angehalten. Das Hochzeitsprojekt zerschlug sich. Mehr noch: Markgraf Dietrich von Haldensleben verkündete provozierend, „eine Blutsverwandte des Herzogs dürfe nicht einem Hund gegeben werden“.

Selbst wenn hochadlige Ehen als wichtige Werkzeuge auf dem Weg zu Macht und Reichtum galten und entsprechende Absprachen Vertragscharakter hatten, erklärt das nicht allein die heftige Reaktion der Slawen, auch nicht gekränkter Stolz der Obodriten-Dynastie. Dieses Heiligtum Rethra, wo wohl auch die Pläne für den Feldzug entwickelt und das Stämme-Bündnis geschmiedet wurde, war offenbar eine zentrale Kultstätte der Westslawen. Vom Standort ist nur bekannt, daß er vier Tagesreisen von Hamburg entfernt lag, heute vermutet man die Anlage am Südende des Tollensesees im Gebiet der Lieps.

Jedenfalls tauchten slawische Krieger am 29. Juni 983 vor Havelberg auf. Schnell war der Bischofsitz erobert, der hölzerne Dom ging in Flammen auf. Drei Tage später ereilte Brandenburg das gleiche Schicksal. Bischof Folkmar und Markgraf Dietrich konnten fliehen. Die christlichen Priester wurden umgebracht. Selbst die Leiche des drei Jahre zuvor ermordeten Bischofs Dotilo wurde aus dem Grab gerissen und geschändet. Dem bereits zitierten Thietmar zufolge wurde das „Blut Vieler elendlich vergossen“. Auf dem Marienberg über der Havel, bislang Standort einer Marienkapelle, wurde ein Heiligtum für den dreiköfigen Gott Triglav errichtet.

Obodriten zerstörten die Bischofsstadt Hamburg samt Kirche und Schule. Bis über die Elbe stießen die slawischen Verbände nach Westen vor. Fast alle hölzernen Kirchen gingen in Flammen auf. Slawische Krieger plünderten das Laurentius-Kloster in Kalbe an der Milde und setzten es in Brand. Bischof Thietmar läßt in seiner Chronik Selbstkritik anklingen: Sie „setzten den Unsrigen wie flüchtigen Hirschen nach, denn auf Grund unserer Missetaten hatten wir Angst, sie aber guten Mut“.

Trotz der Niederlage an der Tanger war der Aufstand aus slawischer Sicht erfolgreich. Über 150 Jahre konnte man die Selbständigkeit weitgehend behaupten. Erst Mitte des 12. Jahrhunderts bekamen Christentum und Heiliges Römisches Reich wieder spürbar Aufwind, als unter Markgraf Albrecht dem Bären und Welfen-Herzog Heinrich dem Löwen erneut deutsche Bauern und Handwerker, Ritter und Geistliche in das Land östlich der Elbe einwanderten.Karel Chemnitz  Foto: Kaiser Otto III.: Um das Jahr 1000


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