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13.12.08 / Wintervorträge / »Wie Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebten«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Wintervorträge
»Wie Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebten«

Seit Jahren veranstaltet die Landesgruppe Baden-Württemberg ihre sogenannten Wintervorträge. Diese Vortragsreihe umfaßt vier Vorträge jeweils im März, April, Oktober und November eines jeden Jahres. Dazu hatte die Landesgruppe Professor Margarete Dörr eingeladen, die ihr im Herbst 2007 erschienenes neuestes Werk „Der Krieg hat uns geprägt“ – Wie Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebten – vorstellte.

Die rund 60 Teilnehmer, fast alles Betroffene, lauschten gespannt den Ausführungen von Frau Prof. Dörr, die sich zu Beginn der Veranstaltung kurz vorstellte: 1928 im Baltikum geboren, war sie Gymnasiallehrerin und Fachleiterin für Geschichte am Seminar für Studienreferendare in Stuttgart und Heilbronn, zusätzlich hatte sie einen Lehrauftrag für Fachdidaktik an der Universität Stuttgart. Im Jahre 1998 erschien bereits ihre dreibändige Dokumentation „Wer die Zeit nicht miterlebt hat – Frauenerfahrungen im Zweiten Weltkrieg“. Aus dieser Dokumentation, den Lebensgeschichten, Tagebüchern und Dokumenten, die sie gesammelt hatte, ergab sich, wie sie selbst sagt: „ein unbedingtes Muß, eine Verpflichtung, eine Dokumentation über die Generation der Kriegskinder zu fertigen.“ In zwei Bänden und 22 Kapiteln werden die Leiden und Schicksale der fast 15 Millionen Kriegskinder – zwischen 1930 und 1945 geboren – geschildert.

Diese gingen durch die Schrecken des Krieges mit Bomben, Flucht, Hunger und dem Verlust von Angehörigen waren Zeugen von Vergewaltigungen. Über 100000 Kinder haben beide Eltern verloren, jedes vierte Kind verlor im Krieg den Vater, jedes sechste Kind einen Bruder oder eine Schwester. All dies mußte verkraftet werden. Professor Dörr widerspricht dem Verdacht, die Verbrechen des Nationalsozialismus sollten relativiert werden, energisch: „Kinder sind immer die Opfer; für die Taten der Eltern können sie nicht verantwortlich gemacht werden – Nirgends wird der Schrecken und die Sinnlosigkeit des Krieges deutlicher als an den Leiden, die er zahllosen unschuldigen Kindern zugefügt hat.“ In fast zehn Jahren penibler Arbeit hat Professor Dörr über 500 Berichte gesammelt, in mündlicher und schriftlicher Form, Tagebücher, Briefe und Fotos ausgewertet und dokumentiert und für die Geschichtsforschung kommentiert. Erwähnt wird in ihrer Dokumentation nicht nur die Geschichte während des Krieges. Auch auf die Geschichte der Trümmerkinder beim Wiederaufbau Deutschlands wird eingegangen. Schmunzelnd erzählt Professor Dörr von der Leichtigkeit dieser Kinder, sich auf die „neue Situation“ nach dem Krieg einzustellen – als Beispiel wurde hier der Umgang mit den Besatzern angeführt, wie auch das „Organisieren“ von Brennmaterial oder Lebensmitteln.

Mit dem letzten Kapitel „Gelebte Versöhnung“ endet die Dokumentation. Berichtet wird von Kriegskindern, die sich nach dem Krieg mit den einstigen Kriegsgegnern und NS-Verfolgten engagiert haben. Professor Dörr beschränkte sich nicht nur auf Schilderungen der Schicksale, sondern nimmt auch erstmals die historischen Hintergründe der donauschwäbischen und rußlanddeutschen Kinder ins Blickfeld. In ihrem Dank an Prof. Dörr las die Landesvorsitzende Uta Lüttich aus dem Brief einer Teilnehmerin vor: „... ich gehöre selber dazu und habe schon einiges mit fachkundiger Hilfe aus meiner Vergangenheit be- und aufgearbeitet. Es wurde höchste Zeit, dass dies Thema in den Blick der Öffentlichkeit rückte. Jahrzehntelang durfte es ja nicht sein und gar benannt werden, daß es bei den Kriegskindern viel Leid gab, das offen oder unterschwellig ihr weiteres Leben beeinflußt hatte. Die Deutschen hatten den Krieg begonnen und hatten über die schlimmen Folgen für sie selber ganz still zu sein. Wie die Kriegskinder, so vorher die Flüchtlinge und Vertriebenen…“ 

„Die Zeit“ kommentierte am 6. Dezember 2007: „Eine Mauer des Schweigens – Ein beklemmendes Manifest wider Krieg und Totalitarismus, das jedes pazifistische Mahnmal ersetzt.“           K.-P. Okun


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