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13.12.08 / Im Land von Heidi und Alpöhi oder Wo Johanna Spyri die Schweizer Nationalheldin erfand – Heute wird das Naturkind vermarktet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Im Land von Heidi und Alpöhi
oder Wo Johanna Spyri die Schweizer Nationalheldin erfand – Heute wird das Naturkind vermarktet

Die beliebteste Botschafterin der Schweiz ist ein kleines Mädchen, das durch seine liebenswert herzliche Art die Herzen der Menschen rührt. Und dabei hat die legendäre Heidi real nie existiert, sondern nur in der Phantasie der Schriftstellerin Johanna Spyri.

Heute wäre Heidi, die legendäre Schweizer Nationalheldin, stolze 128 Jahre alt. Und doch ist sie immer noch so frisch und jung, als habe sie sich erst gestern auf ihre Lehr- und Wanderjahre begeben, um am Ende der Reise wieder an den Ort ihrer glücklichen Kindheit zurückzukehren. Der Mythos lebt, und die Schweizer haben ein geniales Marketingkonzept rund um „das Heidi“ entwickelt. Schon vor Jahren wurde das Sarganserland in der Ostschweiz, unweit von Zürich, zum „Heidiland“ und das beschauliche Maienfeld zum „Heididorf“ erklärt. Hier und in Bad Ragaz verbrachte Johanna Spyri, Heidis literarische Mutter, weiland geruhsame Ferien. Zwischen Kuranwendungen und langen Wanderungen durch die zauberhafte Bergwelt Graubündens ersann sie jenes sanfte Naturkind mit dem braunen Lockenschopf, das bis auf den heutigen Tag die Herzen unzähliger Leser rund um den Erdball rührt.

Ein Heidi-Musical gibt es natürlich inzwischen auch. Es wird im Sommer unter freiem Himmel vor der atemberaubend schönen Kulisse des Walensees aufgeführt. Dem genius loci kann sich kaum einer entziehen. Da werden Erinnerungen an Jugendtage wach, als wir Heidis Schicksal nach atemloser Lektüre noch mit in unsere Träume nahmen: Heidi, das dem Regime des gestrengen Fräulein Rottenmeier in der Villa der Familie Sesemann zu Frankfurt ausgesetzt ist, nachts vor Heimweh nach seiner Bergheimat in die Kissen weint und sich dennoch voller Hingabe um die reiche, aber gelähmte Klara kümmert. Diese gesundet später in Heidis Heimat durch die reine Schweizer Luft und die liebevolle Zuwendung der einfachen Bergbewohner und entsteigt vollkommen geheilt ihrem Rollstuhl. Wenn dieser unter lautem Jubel der Akteure auf der Bühne in den See gestoßen wird, bleibt garantiert kein Auge trocken!

In Maienfeld steht das „Heidihaus“. Manche Besucher sind überrascht, statt einer bescheidenen Holzhütte ein recht stattliches Haus vorzufinden. „Romantischer als hier am Berghang mit den Ziegen im Stall geht’s nimmer“, findet ein gestandener Heidi-Fan und drückt auf den Auslöser seiner Kamera. Gerade kommen drei etwa zehnjährige Mädchen in popfarbenen Skianzügen den Hang herunter. Der Schnee knirscht unter ihren Brettern, als sie sich auf den Weg zum kleinen Postamt machen, um einen speziellen Heididorf-Sonderstempel zu ergattern. „Echt cool“, freut sich die kleine Blonde mit der kecken Stupsnase. „Wenn Heidi noch lebte, wäre sie bestimmt Weltmeisterin in der Abfahrt – bei den Schneeverhältnissen.“ Kurz vor Weihnachten strahlt der Ort etwas Märchenhaftes aus. Die Fichten und Tannen tragen weiße Pudelmützen. Und auf den Wiesen funkeln Eiskristalle.

Wer die Augen schließt, kann sich „das Heidi“ lebhaft mit Umschlagtuch und Knotenstock vorstellen, wie es den Berg hinaufläuft, den liebenswert-tölpelhaften Geißenpeter im Schlepptau. Und oben auf der Alm wartet der brummige, aber herzensgute Alpöhi in seiner Hütte vor dem lodernden Feuer auf die beiden Kinder, um ihnen gleich Käse und ein Glas gesunder Milch vorzusetzen. Im Heidiland – dieser ur-schweizerischen Seelenlandschaft – werden Spyri-Leser unwillkürlich sentimental. Herziges und echten Kitsch gibt es gleich nebenan im Dorfladen, wo sich Touristen in schweren Bergstiefeln mit Heidi-Souvenirs eindecken.

Anschließend geht es dann auf den Großen Heidiweg. Viereinhalb Stunden dauert die Tour vom Maienfelder Bahnhof zum Heidibrunnen, Heidihaus und in die luftigen Höhen der Heidialm.

Das Heidi-Panorama rundet ein Besuch von Bad Ragaz ab. Zur Zeit Johanna Spyris gab sich hier die vornehme Welt ein Stelldichein. Mit seinen frisch restaurierten Nobelherbergen knüpft der Kurort wieder an alte Traditionen an.

Als Kontrastprogramm zu der urigen Bergidylle sei der Besuch des Grand Hotels „Quellenhof“ empfohlen, das mit seinem Helena-Park prunkt – einem prachtvollen klassizistischen Badetempel, in dem Wellness pur zelebriert wird.         Uta Buhr

Foto: Blick auf Maienfeld: Hier ersann Johanna Spyri bei langen Spaziergängen die Geschichte um Heidi und ihre Freunde.


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