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20.12.08 / »Nicht über einen Kamm« / Bernd Posselt erwartet »mittelmäßige« EU-Ratspräsidentschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

»Nicht über einen Kamm«
Bernd Posselt erwartet »mittelmäßige« EU-Ratspräsidentschaft

Bernd Posselt ist seit 1994 Mitglied des Europäischen Parlaments und seit 2007 Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe. Exklusiv für die PAZ interviewte ihn Konrad Badenheuer.

PAZ: In Prag polemisiert der Staatspräsident gegen die EU. Was erwarten Sie von der tschechischen Ratspräsidentschaft?

Posselt: Man kann die Tschechen nicht über einen Kamm scheren. Die Regierung besteht aus drei Parteien. Die Christdemokraten sind absolut proeuropäisch, ebenso die Grünen. Außenminister Karel Schwarzenberg, der für sie kandidiert hat, ist ein überzeugter Europäer. Auch die größte Partei, die ODS, hat sich unter Ministerpräsident Topolánek zu einem pragmatischen Kurs in der Europapolitik entwickelt. Er will den Erfolg und keine Blamage. Dasselbe gilt für Vize-Premier Alexander Vondra.

PAZ: Wer sind Exponenten des antieuropäischen Kurses?

Posselt: Auf radikalem Anti-Kurs sind zum einen die Kommunisten, die in der Tschechischen Republik auch noch so heißen und zugleich Nationalisten sind, und Präsident Klaus. Er ist auf einem absoluten Egotripp und will die Präsidentschaft nutzen, um seine nationalistischen Ansichten zu verbreiten und sein antieuropäisches Buch zu verkaufen. Die Ratspräsidentschaft wird aber von der Regierung ausgeübt. Gegen diese hat Klaus nicht viele Möglichkeiten. Er kann von Prag aus gegen ihre Arbeit polemisieren, und er könnte eine Rede vor dem Europäischen Parlament halten. Das Echo dürfte aber kritisch ausfallen.

PAZ: In der Tschechischen Republik sind im Spätsommer oder Herbst Parlamentswahlen. Welchen Einfluß kann das haben?

Posselt: Gegen das Risiko des Populismus steht der „Burgfriede“, den die oppositionelle Sozialdemokratie mit der Regierung geschlossen hat, um die Ratspräsidentschaft zum Erfolg zu führen. Man hat einander den Verzicht auf Polemik in Europafragen zugesichert, im Gegenzug für Zugeständnisse in der Haushaltspolitik. Es gibt in der Bevölkerung ein starkes Gefühl, daß man sich auf europäischer Ebene nicht blamieren will. Daß das gelingt, dafür sprechen die sehr professionellen politischen Apparate, die das Land heute hat, beispielsweise im Außenministerium. Unter dem Strich erwarte ich eine mittelmäßige Präsidentschaft mit Störversuchen von Václav Klaus.

PAZ: Klaus hat demonstrativ den irischen Europa-Gegner Decan Ganley getroffen. Über ihn kursieren sonderbare Gerüchte...

Posselt: Ganley will ein handlungsfähiges Europa verhindern. Die Vorwürfe, er bekomme dafür Geld aus den USA und Rußland sind immerhin so substantiell, daß Parlamentspräsident Hans-Gert Poettering nachdrück-lich Aufklärung verlangt hat.

PAZ: Kann die tschechische Präsidentschaft womöglich den Vertriebenen etwas bringen?

Posselt: Ich habe in der Tat vor, diese Problematik in geeigneter Weise zu thematisieren.


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