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03.01.09 / Kulturinstitutionen unter Druck / Schauspieler fordern: »Rettet die Kudamm-Bühnen« – doch Berlin läßt den Investor gewähren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Kulturinstitutionen unter Druck
Schauspieler fordern: »Rettet die Kudamm-Bühnen« – doch Berlin läßt den Investor gewähren

Die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm stehen vor dem Abriß. Auch die Erlebnisausstellung „The Story of Berlin“ bangt um ihre Zukunft

„Rettet die Kudamm-Bühnen.“ Dies fordern Schauspieler wie Edith Hancke, Brigitte Grothum und Hans-Jürgen Schatz. Sie sind empört, daß die Stadt Berlin und die Betreiber der beiden privaten Bühnen es hinnehmen, daß diese abgerissen werden sollen. Der irische Investor Ballymore will das renovierungsbedürftige Kudamm-Karree für Mieter wieder interessant machen. Im Innern des Einkaufszentrums stehen die meisten Geschäfte leer. Außerdem will er die Front des Karrees, an der sich die Komödie und das Theater befinden, mit einem repräsentativen, gut zahlendem Mieter aufwerten. Die beiden 1921/22 von dem Architekten Oskar Kaufmann entworfenen und lange Jahre von dem Schauspieler und Regisseur Max Reinhardt als Intendanten geführten Bühnen passen offenbar nicht ins Konzept des Investors.

Der heutige Theaterdirektor Martin Woelffer kann den Forderungen Ballymores nichts entgegensetzen. Er war sogar vergleichsweise erleichtert, als er kürzlich zumindest den Bestand eines deutlich reduzierten Misch-Theaters verkünden konnte. Bis Sommer 2010 soll der Spielbetrieb normal weiterlaufen, ab dann müssen die Bühnen für die drei Jahre andauernden Renovierungsarbeiten umziehen. Wohin weiß noch keiner. Danach will Balleymore Theater und Komödie in einem Haus vereinen. Die insgesamt 1400 Plätze werden auf 650 reduziert. Das Theater ist dann nicht mehr direkt am Kurfürstendamm, aber von dort aus soll der Besuch möglich bleiben. Die Bühne wird dann weiter hinten in dem großen Gebäudekomplex untergebracht. Vorgesehen ist, die Bühne als rekonstruierten Neubau mit historischem Dekor der beiden alten wieder entstehen zu lassen.

Da der Senat zur Zeit der Großen Koalition unter Eberhard Diepgen 1998 den Denkmalschutz der beiden Bühnen verweigerte und sich sogar die Nutzungsbindung für die Theater für umgerechnet vier Millionen Euro vom damaligen Eigentümer abkaufen ließ, hat Woelffer keine Alternative. Er muß jeden Brosamen, den Ballymore ihm anbietet, schlucken.

Auch im Innern des Karrees bangen Mieter um die Zukunft ihres Objektes. Bernhard Schütte, Geschäftsführer der privaten Erlebnisausstellung „The Story of Berlin“ meint zuversichtlich, daß die Lage des Museums direkt unter einem zum Gebäudekomplex gehörenden, nicht zum Abriß vorgesehenen Hochhaus für andere Mieter nicht sonderlich attraktiv sei. Doch das einzige, was er mit Sicherheit weiß, ist, daß sei Mietvertrag nur bis 2010 läuft. Ballymore hält sich über seine Pläne für die Räumlichkeiten des Museums bedeckt. Dabei ist für die mit historischen Impressionen locker gestaltete Ausstellung „The Story of Berlin“ die jetzige Adresse ein Muß. Im Keller des Karrees befindet sich ein alter Bunker aus den Tagen des Kalten Krieges, der vom Museum genutzt werden darf und auf den man bei einem Umzug verzichten müßte. Dabei ist gerade er „das gewisse Etwas“, was der „Story of Berlin“ eindringliche Tiefe gibt. Beklemmend ist die Atmosphäre in dem Bunker, der für 14 Tage auf engstem Raum 3592 Menschen im Falle eines Atomkrieges das Überleben sichern sollte. Doch die Führung durch den in einem Parkhaus untergebrachten ABC-Schutzraum stimmt nachdenklich, denn der von Bonn 1973 mit 5,7 Millionen Mark subventionierte Bau hat viele Sicherheitsmängel. „Wir stehen hier in einem Strahlenschutzbunker, aber mein Handy hat vollen Empfang“, gibt einer der Museumsmitarbeiter zu bedenken. Außerdem hat er recherchiert, daß der Bauherr nur 150000 Mark investiert hat, was bedeuten würde, daß 97 Prozent der Fördersumme „abgezweigt“ worden wäre.

Aber nicht nur im Bunker kann „The Story of Berlin“ dem Besucher mit interessanten Details überraschen, auch in der Ausstellung, die 2009 trotz ungewisser Zukunft erweitert werden soll, gibt es selbst für Berlinkenner einiges zu entdecken. 200000 Besucher zählt die Erlebnisausstellung pro Jahr. Geld vom Staat erhält die Einrichtung nicht. „Wir zahlen Steuern“, merkt Geschäftsführer Schütte, der ein bekennender Preußenfan ist, an.

Da der Platz für eine umfangreiche Geschichtsdarstellung fehlt und man die Besucher nicht mit trockener Geschichte vergraulen will, werden viele Epochen nur verkürzt vorgestellt. Dank moderner Medien und kunstvoller Arrangements vermittelt „The Story of Berlin“ jedoch einen Überblick über die Geschichte der Stadt und weckt bei vielen den Wunsch nach mehr Wissen. Dieses kann sich der Besucher dann in den didaktisch weniger durchdachten staatlichen Museen holen.

Rebecca Bellano

In den „goldenen Zwanzigern“ war hier einst Schauspieler-Legende und Regisseur Max Reinhardt Intendant: Da sich der schwarz-rote Senat 1998 die Nutzungsbindung für die Gebäude abkaufen ließ, hat Theater­direktor Martin Woelffer keinerlei Handhabe gegen die Abrißpläne des irischen Investors.        Bild: ddp

„The Story of Berlin“: Blick in den Bunker       Bild: ddp


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