26.04.2024

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03.01.09 / Akzentfrei, bitte!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Akzentfrei, bitte!
von Harald Fourier

Natascha kommt aus der Ukraine und hat auch nach zehn Jahren in Deutschland noch einen hörbaren Rest-Akzent. Neulich stehen wir beide auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz, da spricht uns eine Frau an: „Hallo“, sagt sie zu Natascha, „wir suchen Personen für einen Werbefilm für Zott-Sahnejoghurt. Wenn du ausgewählt wirst, bekommst du 1600 Euro für die Dreharbeiten, die in Hamburg stattfinden und einen Tag dauern. Alles, was wir brauchen, ist deine Handynummer, und du mußt ein paar Sätze in die Kamera sagen.“

1600 Euro für einen einzigen Tag Arbeit! „Na los, sag ja“, rede ich ihr zu. „OK“, sagt Natascha. Als sie ihren Namen nennt, meint der Kameramann etwas enttäuscht: „Schon die dritte Natascha heute.“ Und auch die Frau, die die Fragen stellt (Wie alt? Welcher Beruf? Joghurt-Fan?), wirkt von dem Moment an, in dem sie den Akzent hört, irritiert.

Um es kurz zu machen: Wir haben nie wieder etwas von dieser Hamburger Werbefilm-Firma gehört. Warum wohl? Weil sie niemanden mit osteuropäischem Akzent brauchen. Wenn doch, dann würden sie gleich den Klitschko anheuern oder bei einer Spezialagentur nachfragen.

Aber dürfen die das überhaupt? Schließlich gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungs­gesetz. Es besagt, daß niemand aufgrund seiner Herkunft (Rasse, Geschlecht usw.) diskriminiert werden darf. Erschwerend kommt noch dazu, daß die Beweislast umgekehrt ist.

Wenn Natascha also ein Gericht anriefe, um die Werbeleute zu verklagen, dann müßten die beweisen, daß Natascha nicht wegen ihres Akzents (also: wegen ihrer Herkunft) abgelehnt wurde. Das wäre schwer.

Keine Sorge, liebe Filmleute, Natascha wird das nicht tun. Aber die Gefahr ist groß, daß es jemand anders macht. Den sämtlichen Medien- und Werbefirmen scheint gar nicht klar zu sein, was für eine Bombe da unter ihren Füßen tickt. Nur weil sie bisher nicht hochgegangen ist, heißt das nicht, daß sie entschärft wurde.

Natascha hätte im Falle einer erfolgreichen Klage Anspruch auf Entschädigung gehabt, also auf 1600 Euro. Und mit ihr womöglich etliche weitere abgelehnte Nataschas.

Erst vor ein paar Wochen hat eine Frau vor einem Berliner Gericht Schadenersatz durchgesetzt, weil ihr männlicher Kollege befördert worden ist – und nicht sie. Wenn das Schule macht, dann sind die längste Zeit Leute auf dem Wochenmarkt für Werbespots angeworben worden. Firmen, die so ihre Models anheuern, könnten bald pleitegehen.

Fraglich, ob sich die Gesetzgeber ihr Werk so vorgestellt haben. Aber es wäre ja nicht das erste Gesetz der letzten Jahre, das sich in der Praxis als (unerwartetes?) Desaster erwiesen hätte.


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