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03.01.09 / Dichtende Psychiaterin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Dichtende Psychiaterin

Energisch und schnellen Schrittes wandert sie am Strand von Cranz entlang. Walentina Stein, Psychiaterin in Königsberg, wurde am 22. Dezember 91 Jahre alt. Walentina Stein ist schon seit fast 70 Jahren Ärztin, 65 davon arbeitete sie in der Psychiatrie. Trotz ihres hohen Alters ist sie immer noch berufstätig. Um 7 Uhr beginnt ihr Arbeitstag. Die Frau, die Seelen heilt, fühlt sich ihren Patienten verbunden. Walentina Stein ist Psychiaterin in der Frauenstation des Psychiatrischen Gebietskrankenhauses Nr. 1.

Wie sie von sich selbst erzählt, schloß sie 1940 am Medizinischen Institut in Charkow ihr Studium ab. Zur Psychiatrie fühlte Walentina Stein sich schon zu Schulzeiten hingezogen. Heimlich las sie den damals verbotenen Siegmund Freud und träumte davon, Psychiaterin zu werden. Doch ihre Eltern waren gegen Psychiatrie, deshalb wurde sie nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung zunächst Ärztin. In der Klinik begegnete sie zum ersten Mal psychisch Kranken. Es folgten die Jahre der Facharztausbildung. Die meiste Erfahrung sammelte Walentina an der Front, bei Kriegsende war sie in Insterburg. Während des Krieges eigneten Ärzte sich notgedrungen psychiatrische Kenntnisse an, da sie nicht nur körperliche, sondern auch seelische Verletzungen heilen mußten. Walentina kam ihr frühes Interesse für die Seelenheilkunst zugute. Nach dem Krieg arbeitete Walentina auf dem Gebiet der Psychiatrie in Charkow und Dnjeprpetrowsk. Professor A. L. Epstein, ein bekannter russischer Psychiater, holte sie 1963 an das neu eröffnete Psychiatrische Krankenhaus Nr. 1 nach Königsberg, wo sie bis zum heutigen Tage arbeitet.

Walentina Steins Leben besteht jedoch nicht nur aus Arbeit. Sie hat drei Gedichtbände herausgegeben. In ihrem Gedicht „Kollege Arzt“, das während der Fernsehsendung vorgetragen wurde, heißt es: „Heilen bedeutet, mit Rat und Tat zu helfen, und nicht nachzudenken, ob es Tag oder Nacht ist oder was man dir dafür bezahlt.“

In Rußland beginnt das Rentenalter für Frauen mit 55. Es ist sehr ungewöhnlich, daß eine Frau in solch einem hohen Alter wie Walentina Stein noch arbeitet. Auf Nachfragen erklärte sie, daß ihre positive Lebenseinstellung und lange Spaziergänge am Meer sie fit halten.

J. T.

Die Preisverleihung wurde im russischen Fernsehen übertragen. Präsident Dmitrij Medwedew und hochrangige Gäste waren anwesend. Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa überreichte den Pokal „Die goldenen Hände des Arztes“. Das Publikum begleitete Walentina Stein mit stehendem Beifall, als sie den Preis entgegennahm.

In diesem Jahr erhielt sie die Verdienstmedaille „Berufung“ für den besten Arzt des Landes.

Walentina Stein Bild: Tschernyschew


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