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03.01.09 / Loch im Rechtsgut / Wieso Ägypter deutsche Klamotten tragen sollten, womit wir den Piraten drohen, und warum Frau Schmidt es auch nicht weiß / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Loch im Rechtsgut
Wieso Ägypter deutsche Klamotten tragen sollten, womit wir den Piraten drohen, und warum Frau Schmidt es auch nicht weiß / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Im Gestrüpp der Weltpolitik kann man sich ganz schön verheddern. Die Tore des US-Gefangenenlagers an der Bucht von Guantánamo sind noch gar nicht geöffnet, da ringen Außenminister Steinmeier und sein Parteifreund Sebastian Edathy vom Bundestags-Innenausschuß bereits mit Feuereifer darum, die Häftlinge in Deutschland aufzunehmen.

Und zwar nicht nur die, denen man keine Schuld nachweisen konnte, sondern auch erwiesene Verbrecher, denen in der Heimat Verfolgung drohe. Soll heißen: Islamisten, die aus Staaten kommen, wo sie von der Regierung als Volkshelden empfangen werden, die dürfen ziehen. Stammen sie jedoch aus Ländern, die im Kampf gegen den islamistischen Terror mehr oder minder mit uns kooperieren (weshalb Islamisten dort „Verfolgung“ droht), dann behalten wir die mutmaßlichen Terrornetzwerker lieber hier in Deutschland.

Anders gesagt: Je näher uns eine der orientalischen Regierungen beim Kampf gegen den Terror steht, desto härter treffen sie die Früchte unseres Mißtrauens. Schließlich kann man getrost davon ausgehen, daß keines der Länder von Marokko bis Pakistan im Umgang mit Terrorverdächtigen jenen Grad an menschenrechtlicher Korrektheit walten läßt, den deutsche Untersuchungsausschüsse anmahnen.

Diese Korrektheit führt bisweilen zu putzigen Resultaten. Auf Weisung aus Berlin hat die Marine die somalischen Piraten also wieder laufen gelassen. Und warum? Weil beim Überfall auf den ägyptischen Frachter, bei dem die deutschen Soldaten dazwischengingen, „keine deutschen Rechtsgüter“ betroffen waren.

Pech für den ägyptischen Seemann, der bei der Seeräuber-Attacke verletzt wurde: Seine Gesundheit ist leider kein deutsches Rechtsgut. Was wäre wohl passiert, wenn die Piraten die überfallene Frachterbesatzung komplett niedergemacht hätten? Laufen lassen, da ja „kein deutsches Rechtsgut“ gemeuchelt wurde?

So wäre es wohl gekommen. Aber damit hätten es die Entscheidungsträger in Berlin selbstverständlich nicht bewenden lassen. Man ist sich schließlich „seiner internationalen Verantwortung bewußt“. So hätten wir die armen Freibeuter mit dramatischen Appellen überzogen, „endlich der Gewalt abzuschwören“. Vielleicht wäre sogar eine Dringlichkeitssitzung von was auch immer auf die Somalis zugekommen, wenn nicht gar ein Gipfeltreffen, auf dem „Sorge und Abscheu angesichts ihrer menschenverachtenden Taten“ ausgedrückt worden wäre, die „die internationale Gemeinschaft nicht bereit ist, tatenlos hinzunehmen“, sprich: Wenn ihr jetzt nicht beeindruckt seid und spurt, dann gibt es noch ein Gipfeltreffen und noch eins und ... und dann sollt ihr mal sehen!

Verletzten oder gar ermordeten Seeleuten nützt das freilich wenig. Aber da gäbe es vielleicht Abhilfe: Die Ägypter hätten sich ihre Seemannsklamotten doch bei einem deutschen Kostümverleih borgen können. Dann wäre da im Falle eines Einschusses ein Loch drin im „deutschen Rechtsgut“ und schon müßte das Amtsgericht Hamburg aktiv werden. (Das ist nach deutschem Recht zuständig für Vergehen in internationalen Gewässern.)

Womit die eigentlichen Probleme allerdings erst begännen. Was der Pirat wohl als erstes machen würde, nachdem er deutschen Boden betreten hat? Nicht nur Sie und ich ahnen es, auch die Politik ist sich sicher: Er würde postwendend Asyl beantragen. Und er hätte damit sogar gute Chancen. Der gefaßte Räuber bräuchte nur anzumelden, daß er in der Heimat seines Lebens nicht sicher sei. In jener Räuberhöhle, die einmal der Staat Somalia war, ist niemand seines Lebens sicher.

Auf Millionen Afrikaner könnte das wie ein Fanal wirken. Statt sich auf den lebensgefährlichen Törn übers Mittelmeer oder den Atlantik zu wagen, hätte sich eine ganz neue Tür nach Europa geöffnet: Werde Pirat, kaper ein Schiff, laß dich von der deutschen Marine erwischen, und es geht bequem per Flugzeug auf Kosten der Bundesrepublik nach Deutschland. Dort hockt man dann seine Zeit im Knast ab und genießt danach Bleiberecht.

Das ist der Grund, warum die deutschen Politiker gar nicht so scharf darauf sind, die Pest der Meere in Hamburg anzulanden. Die Briten übergeben ihre Gefangenen übrigens in Mombasa an die Kenianer, die sie bei sich vor Gericht stellen und bestrafen. Das klingt nach einer eleganten Lösung, ist für uns Deutsche aber ganz und gar indiskutabel. Unsere Menschenrechtsaktivisten säßen schon im Flugzeug, noch bevor die Marine den allerersten Piraten in Kenia abgeliefert hat, um die menschenunwürdigen Bedingungen in den kenianischen Zuchthäusern zu beklagen. Kaum einen Monat später hingen Außen- und Verteidigungsminister am Spieß einer Parlamentarischen Untersuchungskommission.

Herrjeh! Was also tun? Herholen geht nicht, an Kenia überstellen auch nicht, und wieder laufenlassen wie geschehen? Nun ja, damit wäre die Piraterie für die Seeräuber weiterhin so risikoreich wie das Räuber- und Gendarmes-Spiel auf einem deutschen Kindergeburtstag. Die vielbeschworene „Abschreckungswirkung“, die der deutsche Einsatz angeblich zum Ziel hat, bliebe ziemlich begrenzt.

Man könnte sich natürlich eine eigene Einrichtung vor Ort schaffen, zum Beispiel ein Fleckchen Land pachten, wo man die Gefangenen vor Gericht stellt und sie ihre Strafe weitab von Deutschland abbrummen läßt. Namensvorschlag: Germantánamo Bai.

Wie dem auch sei: Es keimt der düstere Verdacht, daß unsere Maßgaben zum Umgang mit Kriminellen in den robusteren Gegenden der Welt nicht wirklich greifen. Man hat den Eindruck, daß die deutschen Ordnungskräfte dort unten in etwa den Respekt einheimsen, der einem Polizisten zuteil würde, der eines der harten Großstadtghettos mit einer Knallkorkenpistole im Halfter durchstreift. Man könnte ja jemandem wehtun.

In jedem Falle bereichert die Piratenjagd das neue Jahr um eine skurrile Debatte mehr. Was 2009 sonst noch bringt, will keiner mehr genau prophezeien. Die Vorhersagen für 2008 waren ein solcher Schlag ins Wasser, daß die einst so selbstbewußten Auguren bei Banken, Forschungsinstituten und in der Politik alle noch patschnaß sind. Daher halten sich jetzt alle ein bißchen zurück. Doch langweilig ist das auch nicht. Die neue Behutsamkeit treibt nämlich ihre ganz eigenen Blüten.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wurde vom ZDF gefragt, ob es mit dem Gesundheitsfonds beim Beitragssatz von 15,5 Prozent bleibe. „Ich kann Ihnen das doch heute gar nicht sagen“, war ihre entwaffnende Antwort. Mit anderen Worten: Ich habe das zwar angesäuert, aber wie in aller Welt soll ich denn wissen, wie es ausgeht? Die Ministerin warnt uns vor „Spekulationen über die künftige Finanzausstattung des Gesundheitssystems“. Wir brausen also einfach mal drauflos in unbekannter Richtung. Wenn uns der ganze Krempel kostenexplosionsartig um die Ohren fliegt, wissen wir ja, daß es gekracht hat.

Doch ein wenig Angst hat Frau Schmidt doch. Für den Fall, daß die Kosten durch die Decke schießen, spricht sie sich dafür aus, den von den Arbeitnehmern zu zahlenden Sonderbeitrag aus Steuermitteln zu finanzieren. Aus Mitteln also, die wiederum die Arbeitnehmer über ihre Steuern zu schultern haben.

Das Spiel nennt man Linke-Tasche-rechte-Tasche. Der Trick ist, daß man den unbedarften Bürgern das Geld zuerst in die eine Tasche hineinstopft und erst später aus der anderen wieder herauszieht – mit Zins und Zinseszins, versteht sich. Wer Spaß an diesem Spiel hat, der wird 2009 voll auf seine Kosten kommen. Durch das unerfreuliche Zusammentreffen von Wahljahr und Wirtschaftskrise werden bombastische Summen über den Spieltisch gehen, während sich im Hintergrund die Rechnungen stapeln.

Die Krise macht’s möglich - Zeichnung: Mohr


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